30 Jahre alter Schweriner Jürgen Brähmer sichert sich den EM-Titel im Halbschwergewicht. Der Erfolg gegen den Franzosen Rachid Kanfouah löst Erleichterung und Begeisterung bei den Verantwortlichen des Universum-Boxstalls aus.

Dresden. Wer etwas über die Bedeutung von Boxkämpfen erfahren möchte, der muss sich anschauen, was nach deren Ende passiert. In der Freiberger-Arena wurde in der Nacht zu Sonntag in dieser Hinsicht ein Lehrstück aufgeführt. Jürgen Brähmer hatte sich gerade den EM-Titel im Halbschwergewicht gesichert, und während der 30 Jahre alte Schweriner ausgelassen in allen vier Ringecken auf die Seile sprang und sich von den 3200 begeisterten Fans feiern ließ, lagen sich in der ersten Reihe die Mitglieder der Universum-Geschäftsleitung in den Armen. Allen war die kollektive Erleichterung anzusehen, die Brähmers Sieg über den Franzosen Rachid Kanfouah ausgelöst hatte.

Diese Erleichterung ist verständlich, wenn man um die Position weiß, die Brähmer auf der Wertschätzungsskala seiner Bosse einnimmt. Der gelernte Schweißer gehört einer Spezies an, nach der Boxpromoter hierzulande dürsten: Er ist ein Deutscher mit dem boxerischen Potenzial eines Weltmeisters. Dies hat ihm einen lebenslänglichen Kontrakt mit Universum eingebracht, doch als Brähmer im vergangenen November in Rostock seine erste WM-Chance gegen WBA-Champion Hugo Hernan Garay aus Argentinien recht fahrlässig vergab, drohte das Investment einzubrechen.

Umso glücklicher waren alle Beteiligten, dass Brähmer mit dem Sieg über Kanfouah einen bedeutenden Schritt in Richtung seines großen Ziels gehen konnte. Der Rechtsausleger glänzte immer dann, wenn er aus der Distanz fintenreich und mit raffinierten Kombinationen zu Treffern kam, doch er stand auch stabiler als gegen Garay, wenn Kanfouah in der Nahdistanz zu gefährlichen Schlagserien ansetzte. Als das linke Auge des 35 Jahre alten Franzosen nach einem rechten Haken Brähmers in Sekundenschnelle zuschwoll, hatte der britische Ringrichter Richard James Davies keine andere Wahl, als den Kampf nach 2:30 Minuten der fünften Runde abzubrechen. Kanfouah akzeptierte die Entscheidung klaglos.

Trainer Michael Timm lobte seinen Schützling für die geleistete Arbeit und attestierte ihm, "dass die Pfiffigkeit, die ihn früher ausgezeichnet hat, wieder zurück ist". Brähmer selbst hat eine neue Lust am Boxen festgestellt. "Es ist, als ob bei mir ein Schalter umgelegt wurde. Ich freue mich über den EM-Titel. Darauf lässt sich aufbauen."

Genau das hat Universum-Chef Klaus-Peter Kohl auch vor, ohne etwas zu überstürzen. "Jürgen wird sich noch mehr quälen müssen, um in die Weltspitze aufzusteigen", sagte er. Deshalb sei vor Jahresende nicht mit einer zweiten WM-Chance zu rechnen. Ginge es nach Brähmer, stünde der Gegner schon fest. "Ich will die Revanche gegen Garay, um die Scharte auszuwetzen." Zu einem bereits geplanten Stallduell wird es indes nicht kommen. Universum hatte im Sommer Brähmer gegen Ex-Europameister Thomas Ulrich antreten lassen wollen. Doch der 33 Jahre alte Berliner ging nach 13-monatiger Pause im Dresdner Vorprogramm gegen den Argentinier Mariano Plotinsky in Runde elf schwer k. o. "Thomas sollte jetzt aufhören. Es reicht nicht einmal mehr gegen Mittelmaß", sagte Kohl.