Bundestrainer Löw strebt bei der EM in Polen und der Ukraine den Titel an. Der 52-jährige setzt dabei nicht auf die BVB-Spieler. Zum Unverständnis von Michael Zorc.

München. Wenn die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Sonnabend ihr EM-Auftaktspiel gegen Portugal bestreitet, werden die Meisterspieler von Borussia Dortmund wohl nur auf der Bank sitzen. Bundestrainer Joachim Löw setzt auf einen Bayernblock. Das bekräftigte der 52-Jährige in einem Interview. „Für die Aufstellung entscheidet allein Qualität. Wenn ich Zeit habe, bin ich in der Lage, unterschiedliche Vereine und Philosophien auf eine Linie einzuschwören. Die Dortmunder Spieler sind national sehr, sehr stark, sie sind im Kommen. Aber sie sind international noch nicht ganz so erprobt wie die Bayern", sagte Löw.

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+++ Warum der Bundestrainer auf einen FC-Bayern-Block setzt +++

„Lahm, Schweinsteiger, Müller und einige andere haben schon bei der WM und auch in der Champions League eine gute Rolle gespielt", begründet Löw seine Wahl für die Bayernstars. Sollte er in der Innenverteidigung auf Per Mertesacker anstelle von Mats Hummels setzen, wäre kein BVB-Spieler in der Startelf der DFB-Auswahl. "Götze, Schmelzer, Gündogan müssen international noch einen Sprung machen bei einem Turnier. Denn eines ist klar: Die EM hat schon noch ein anderes Niveau. Wir spielen – bei allem Respekt - nicht gegen Hoffenheim, Nürnberg und so weiter. Wir spielen gegen die Top Ten der Welt, gegen Spanien, den aktuellen Welt- und Europameister. Das ist der höchste Level", sagte Löw.

Michael Zorc, Sportdirektor beim deutschen Meister Borussia Dortmund, ist in diesem Fall anderer Meinung. „Es gibt keinesfalls einen Mangel an internationaler Klasse, wenn überhaupt fehlt ihnen noch ein wenig internationaler Erfahrung. Der Bundestrainer sollte wissen, dass er sich auf unsere Spieler verlassen kann“, sagte Zorc in einem Interview im Fachmagazin kicker.

Darüber hinaus ist Zorc der vollen Überzeugung, dass Mats Hummels „der beste deutsche Innenverteidiger“ ist. Es sei durchaus nicht so wie von Löw stets beanstandet, dass „er bei uns nur mit langen Bällen von hinten heraus operiert“, sagte der 49-Jährige über Hummels, der am Samstag seinen Vertrag beim BVB vorzeitig bis 2017 verlängert hatte.

„Mats variiert zwischen kurzen und langen Aufbaupässen. Selbst wenn er sich für die Nationalmannschaft umstellen müsste, sollte das kein Problem sein“, ergänzte Zorc. Löw plant aller Voraussicht nach für das EM-Auftaktspiel der DFB-Auswahl am Sonnabend gegen Portugal mit dem Duo Per Mertesacker (FC Arsenal) und Holger Badstuber (Bayern München).

Mit der Vertragsverlängerung von Hummels hat der BVB einen weiteren Leistungsträger langfristig gebunden. Zorc unterstrich nochmals, dass auch Torjäger Robert Lewandowski über 2014 und dessen Landsmann Jakub Blaszczykowski über 2013 hinaus in Dortmund gehalten werden sollen. „Wir befinden uns im Dialog“, sagte Zorc, wohlwissend, dass Vertragsverlängerungen mit Gehaltserhöhungen verbunden sind. Die Kostenseite wolle man in Zukunft den erhöhten Einnahmen anpassen.

Der BVB wolle seiner Philosophie treu bleiben, „junge, entwicklungsfähige Spieler zu finden, sie weiterzuentwickeln und bei uns auf die nächste Stufe zu hieven“. Über die Spekulationen und angebliche Verhandlungen mit dem polnischen Supertalent Rafal Wolski (19) von Legia Warschau sagte Zorc nur: „Kein Kommentar.“

Sorgen bereitet Zorc die zunehmende Gewalt in den Stadien. Er hofft auf Selbstreinigungskräfte innerhalb der Fanszene, damit die vergleichsweise wenigen Krawallmacher es nicht „zum Schlimmsten“ kommen lassen. „In England ist es mit einer drastischen Erhöhung der Eintrittspreise, mit der Abschaffung von Stehplätzen und Alkoholverboten gelungen, die Gewalt aus den Stadien zu verbannen. Ich hoffe inständig, dass wir in Deutschland nicht so weit gehen müssen“, sagte Zorc, zumal in Dortmund die mit einem Fassungsvermögen von 25.000 Zuschauern größte Fan-Stehtribüne Europas steht.

Das sei ein Stück gelebte Fußballkultur in Deutschland, sagte Zorc. In Dortmund seien es nur ein paar hundert gewaltbereite Fans, die den Fortbestand dieser Fußballkultur gefährden: „Sie müssen unsere gesamte Entschlossenheit zu spüren bekommen.“ Man habe beim BVB unter anderem in neue hochauflösende Kamerasysteme investiert, um „die Täter besser identifizieren und Konsequenzen ziehen zu können“.

Mit Material von dpa und sid