Die Bad Oldesloerin Julia Görges besiegte die Tschechin Hradecka in zwei Sätzen, Tommy Haas musste bei seinem 6:3, 0:6, 6:4, 6:4 kämpfen.

Paris. Manchmal erweckt Tommy Haas den Eindruck, als mache ihm Tennis keinen Spaß mehr. Dann greint er, führt Selbstgespräche und nennt sich selbst „Hasi“ - und das ist nicht liebevoll gemeint. „Was mache ich eigentlich hier“, fragte sich „Hasi“ vorwurfsvoll im Erstrundenmatch der French Open gegen Filippo Volandri aus Italien und antwortete auf seine Zweifel, wie es außer ihm nur wenige können - mit Weltklasse-Tennis. Haas gewann die Begegnung nach einer nächtlichen Unterbrechung 6:3, 0:6, 6:4, 6:4.

„Wegen solcher Situationen spiele ich noch Tennis“, sagte Haas nach der Partie: „Ich musste mich vorher entscheiden, ob ich mir die Qualifikation antun will. Jetzt kann ich sagen: Das ist es wert gewesen.

Der 34 Jahre alte Routinier hat damit ebenso den Einzug in die zweite Runde von Paris geschafft wie seine jüngeren Kollegen Philipp Kohlschreiber (Augsburg/Nr. 24), Cedrik-Marcel Stebe (Vaihingen/Enz) und Michael Berrer (Stuttgart). Florian Mayer (Bayreuth/Nr. 32) zog als fünfter Deutscher von ursprünglich zehn Deutschen nach.

Auch bei den Damen hat sich Feld merklich verkleinert. Fed-Cup-Chefin Barbara Rittner musste mitansehen, wie die gesetzten Sabine Lisicki (Berlin/Nr. 12) und Mona Barthel (Bad Segeberg/Nr. 30) zum Auftakt chancenlos waren. Immerhin setzte sich Julia Görges (Bad Oldesloe/Nr. 25) in einem schwierigen Match gegen Lucie Hradecka (Tschechien) 7:6 (7:1), 6:4 durch und folgte damit der Weltranglistenzehnten Angelique Kerber (Kiel) und Qualifikantin Dinah Pfizenmaier in die zweite Runde.

Der Mischa Zverev verlor am Dienstag als einziges deutsches Tennis-Ass. Der Hamburger unterlag in der ersten Runde 2:6, 7:6 (7:3), 4:6, 4:6 gegen den französischen Lokalmatador Julien Benneteau. Zverev hat seit Wimbledon 2009 keine zweite Runde mehr bei einem Grand-Slam-Turnier erreicht.

Berrer, Kerber, Stebe und Pfizenmeier erfolgreich

Federer überstrahlt Auftritte der deutschen Profis

Publikumsliebling der deutschen und auch französischen Fans ist allerdings Haas. Er ist einer zum Mitleiden, ein wenig wie damals Boris Becker. Haas lässt die Fans mittlerweile an seinen Emotionen teilhaben und wird mit „Tommy, Tommy“-Rufen belohnt. In der einsetzenden Dämmerung am Montagabend wollte kein Zuschauer seinen Platz auf Court 3 im Stade Roland Garros aufgeben, auch die Fortsetzung hätte nicht besser besucht sein können. Jedes Spiel könnte das letzte des begnadeten, aber nicht vom Glück verfolgten Tennis-Ästheten sein.

„Bei mir ist das immer eine Achterbahnfahrt. Ich weiß nicht, wie lange ich mir das noch antue“, hatte Haas beim ATP-Turnier in München gesagt. Dort hatte er seit langer Zeit wieder ein Halbfinale erreicht und Top-Ten-Spieler Jo-Wilfried Tsonga geschlagen. Richtig glücklich klang er trotz allem nicht.

Wie soll er es auch sein mit einem Körper, der sich Zeit seiner Profikarriere gegen Leistungssport gesträubt hat. Haas, einst die Nummer zwei der Welt, sammelte mehr Verletzungen als Turniersiege, obwohl seine zwölf ATP-Titel in der Nach-Becker-Ära in Deutschland unerreicht sind. Manche Zwangspausen dauerten so lange, dass die Tennis-Welt an der Rückkehr des gebürtigen Hamburgers zweifelte.

Nur Haas selbst hatte nie Zweifel, weil er „die anderen noch ärgern kann“, wenn der Körper mal nicht schlapp macht. Das ist auch der Grund für seine Selbstgespräche: Haas weiß, dass sein Tennis in manchen Momenten höchsten Ansprüchen genügt, manchmal aber leider nicht mehr mit den eigenen Erwartungen Schritt halten kann. „Ich bin sicher, dass ich hier und da kleine Erfolgserlebnisse haben kann“, sagt er.

Bereits die Qualifikation für das Hauptfeld im Stade Roland Garros war solch ein Erlebnis, der Sieg gegen Volandri setzte Haas’ Lauf fort, gegen den Ukrainer Sergej Stachowksy soll das nächste Highlight folgen. Im Achtelfinale könnte die Nummer vier der Setzliste warten, Andy Murray - wer weiß, ob dann überhaupt noch Zeit für Selbstgespräche wäre.

Topfavoritin scheitert schon in Runde eins

Während Haas also weiter dabei ist, haben die French Open ihre erste Sensation: Serena Williams aus den USA, Siegerin von 2002 und mit 13 Grand-Slam-Titeln erfolgreichste Spielerin im Teilnehmerfeld, ist nach einem dramatischen Match ausgeschieden. Die Fünfte der Tennis-Weltrangliste unterlag der Französin Virginie Razzano 6:4, 6:7 (5:7), 3:6. Unter dem Jubel der Zuschauer auf dem Center Court verwandelte die Weltranglisten-111. ihren achten Matchball nach 3:03 Stunden.

Williams war als eine der Top-Favoritinnen nach Roland Garros gereist, nachdem sie das Vorbereitungsturnier in Madrid souverän gewonnen und die letzten 17 Spiele auf Sand nicht verloren hatte. Das Halbfinale von Rom hatte Williams allerdings wegen einer Rückenverletzung aufgeben müssen. Für die 30-Jährige war es die erste Niederlage zum Auftakt eines Grand-Slam-Turniers bei ihrer 47. Major-Teilnahme.

Im zweiten Durchgang hatte Williams im Tie-Break bereits 5:1 geführt und war nur zwei Punkte vom Matchgewinn entfernt, doch die 29-jährige Razzano kämpfte sich auf dem Court Philippe Chatrier wieder heran. Im entscheidenden Durchgang trugen die Zuschauer die Außenseiterin, die sich mit einer Oberschenkelverletzung und Tränen in den Augen von Ballwechsel zu Ballwechsel schleppte, zum Sieg.

„Ich wusste, heute gibt es keine Limits für mich. Ich wollte diesen Sieg unbedingt“, sagte Razzano, die in der dritten Runde auf Julia Görges (Bad Oldesloe/Nr. 25) treffen könnte. (sid/abendblatt.de)