Bei guten Bedingungen hat die ausgedünnte DFB-Elf in Sardinien die WM-Vorbereitung aufgenommen. 16 der 27 Anwärter waren noch verhindert.

Die Familien der Spieler sind beim Regenerations-Trainingslager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auf Sardinien ausdrücklich eingeladen. Kinder mitgebracht haben indes nur Lukas Podolski und Cacau. Der Nachwuchs stand bei der ersten Einheit der Mission vierter EM-Titel eher auf dem Platz.

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„Ich musste lachen, als ich beim Spiel im Kreis festgestellt habe, dass Marco Reus schon zu den Älteren gehört“, sagt Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff. Der Mönchengladbacher und künftige Dortmunder Reus ist 22 Jahre und hat gerade einmal vier Länderspiele absolviert.

Den Überraschungsgästen Julian Draxler (18/Schalke 04) und Marc-Andre ter Stegen (20/Borussia Mönchengladbach) fiel die Eingewöhnung bei ihrer ersten Einheit im Kreise der Nationalelf daher ausgesprochen leicht. „Sie bewegen sich noch sehr vorsichtig und beobachten alles erst einmal“, sagt Bierhoff: „Sie haben aber den Vorteil, dass sie fast nur noch junge Spieler um sich herum haben, die sie unter ihre Fittiche nehmen.“

Draxler hat gar seine Schulbücher mitgenommen, paukt vor und nach den Trainingseinheiten für das Fachabi. „Ich hatte Englisch-Leistungskurs, nicht Mathe, deshalb kann ich ihm leider nicht helfen“, meint Bierhoff schmunzelnd: „Die Lehrer haben aber bestätigt, dass er sehr selbstständig lernt.“

Fußballerische und taktische Dinge stehen auf Sardinien derweil erst einmal nicht auf dem Lehrplan, Bundestrainer Joachim Löw stößt erst am Sonntag zum Tross. Gerade einmal zehn Spieler absolvierten am Samstagmorgen das erste Training, davon drei Torhüter. „Natürlich haben wir uns Gedanken gemacht, ob dieses Trainingslager überhaupt noch sinnvoll ist. Am Ende fanden wir es wichtiger, die Spieler hier zu haben, als nicht zu wissen, wie sie trainieren“, erklärt Bierhoff: „Bei der ersten Planung sind wir davon ausgegangen, dass wir 25 oder 27 Spieler dabei haben. Glücklicherweise haben uns die Bayern und die Dortmunder einen Strich durch die Rechnung gemacht.“

Das DFB-Pokal-Finale der beiden besten deutschen Mannschaften am Abend verfolgte die Mannschaft im 5-Sterne-Hotel Romazzino in Porto Cervo gemeinsam. Es sind auch solche Teambuildungsprozesse, die auf Sardinien im Mittelpunkt stehen. „Den Kopf frei bekommen“, steht ganz oben auf der Prioritätenliste. Nicht zuletzt für Podolski.

Der künftige England-Legionär vom FC Arsenal ist nach dem Bundesliga-Abstieg zum Abschied von „seinem“ 1. FC Köln noch deprimiert. „Er ist noch nicht ganz befreit“, sagt Bierhoff: „Er läuft nicht todtraurig durch das Hotel, aber er ist auch noch nicht wieder der Spaßvogel, den man kennt. Aber ich hoffe und bin überzeugt davon, dass wir ihn hinbekommen.“

Das gilt in gesundheitlicher Hinsicht auch für Podolskis künftigen Klubkollegen Per Mertesacker, der nach einer Knöchel-OP seit dem 11. Februar nicht gespielt hat. „Es sieht gut aus“, erklärt Bierhoff: „Per ist unglaublich heiß, er hat unglaublich viel gearbeitet und sich die EM in den Kopf gebrannt.“

Trainiert wird auf Sardinien durchaus. Nach einer Fitness-Einheit am Freitagabend im Hotel standen die Spieler am nächsten Morgen auf dem Platz. „Gleich mit höherer Intensität, damit sie mich brechen und ich nicht mehr mitmache“, sagt der 44 Jahre alte Bierhoff, der die 70-minütige Einheit bei 31 Grad auf dem Sportplatz Andrea Corda in Abbiadori komplett mitmachte. Die Bedingungen für körperliche und geistige Erholung sind ausgezeichnet: Eine herrliche Hotelanlage, ein kompletter Stab, bestehend aus 27 Personen, vom Koch bis zum Physiotherapeuten und ein idealer Trainingsplatz.

„Wir haben es ganz toll angetroffen“, meint Bierhoff. So gesehen ist es auf jeden Fall ein würdiger Start in die Mission EM-Titel. Und wenn nach der Ankunft von Miroslav Klose am Montag sowie den fünf Dortmundern am Dienstag 17 Spieler auf dem Platz stehen, dann, so Bierhoff, „können wir auch gut arbeiten“. (sid)