Nach zwei Unentschieden in der Relegation gegen Jahn Regensburg steigt der Karlsruher SC in die dritte Liga ab. Nur vier Spieler haben für die kommende Saison noch einen Vertrag. Trainer und Manager immerhin wollen weitermachen.

Karlsruhe. Oliver Kreuzer stand in vorderster Reihe. Der Manager des Karlsruher SC nahm sich und seine Spieler nach dem Sturz in die dritte Liga nicht aus der Schusslinie. Ganz im Gegenteil. Als vermummte Anhänger des KSC am Montagabend die Geschäftsstelle im Wildparkstadion stürmen wollten, beorderte Kreuzer kurzerhand die Mannschaft vor die Tür. Bis weit nach Mitternacht diskutierten Spieler und Fans die Gründe für das enttäuschende 2:2 im Relegations-Rückspiel gegen den Drittligisten Jahn Regensburg, das den Abstieg aus der 2. Fußball-Bundesliga besiegelte.

Dass dabei Stühle, Knallkörper und Bierkrüge flogen, nahm Kreuzer nur äußerlich gelassen hin. „Ich bin noch nie abgestiegen, als Manager nicht, als Spieler nicht. Das ist der bitterste Moment“, meinte Kreuzer. Nach dem 1:1 im Hinspiel am vergangenen Freitag reichten die Treffer von Klemen Lavric (32. Minute) und Elias Charalambous (56.) dem KSC nicht zum Klassenverbleib. Die Regensburger Oliver Hein (28.) und André Laurito (66.) machten mit ihren Gegentoren den Absturz der Badener in die dritte Liga perfekt.

„Die Jungs weinen alle“, sagte KSC-Coach Markus Kauczinski. Sieben Spieltage vor Saisonende hatte er den Traditionsclub als Nachfolger des glück- und erfolglosen Jörn Andersen übernommen und noch in die beiden Relegationsduelle geführt. Für den Klassenverbleib kam Kauczinski zu spät. „Wir konnten einiges zum Guten wenden, aber leider nicht mehr alles verändern“, sagte der Coach. Vor allem nicht die eklatante Abwehrschwäche. Auch am Montag fielen beide Regensburger Treffer nach Eckbällen. „Unsere Schwächen waren die Stärken von Regensburg“, analysierte Kauczinski.

Der Trainer ist einer der wenigen beim KSC, der auch einen Vertrag für die dritte Liga unterschrieben hat. Die Badener stehen vor einem Neuanfang. In Dirk Orlishausen, Hakan Calhanoglu, Sebastian Schiek und Timo Kern haben bislang lediglich vier Spieler einen Kontrakt für die dritte Liga. „Wir haben ein paar Namen im Kopf und schon ein paar Spieler angesprochen“, sagte Kauczinski kurz nach Schlusspfiff. „Aber wir haben gerade an Attraktivität verloren.“

„Der Plan ist natürlich, so schnell in die zweite Liga zurück wie möglich. Wir werden den Verein in schweren Zeiten nicht im Stich lassen“, versprach Präsident Ingo Wellenreuther. „Wie die Mannschaft aussieht nächstes Jahr, steht in den Sternen“, erklärte Kreuzer. „Diese Mannschaft gibt es auf jeden Fall nicht mehr.“ Der Manager immerhin will weitermachen.

Überraschungs-Aufsteiger Jahn Regensburg steht vor ähnlichen Problemen – immerhin eine Klasse höher. „Ich befürchte, dass einige Spieler schon bei anderen Vereinen unterschrieben haben“, sagte Manager Franz Gerber in der Stunde des Triumphes. „Ich befürchte, dass diese Mannschaft auseinanderfällt. Es ist schade. Wir fangen bei unter null an.“

So wird Kapitän Tobias Schweinsteiger trotz Aufstiegs sogar zum Absteiger. Er wechselt zur kommenden Saison zur zweiten Mannschaft des FC Bayern München in die Regionalliga. „Ich habe mir das gut überlegt“, sagte Schweinsteiger, „meine Mission ist erfüllt. Jetzt kommt das nächste.“

Das Relegationsspiel wurde überschattet von dne schweren ausschreitungen im Wildpark. Einige Hundert KSC-Fans ließen ihrem Frust freien Lauf. Nach Polizeiangaben wurden 58 Personen verletzt worden, darunter 18 Beamte. Eine Frau erlitt nach einem Sturz aus drei Metern Höhe schwere Verletzungen. 120 Randalierer sind nach Polizeiangaben vorübergehend in Gewahrsam genommen worden. Gegen einige Fans wurden Stadionverbote verhängt.

„Weder die Mannschaft noch Teile der Fans haben sich als zweitligatauglich erwiesen“, sagte ein Polizeisprecher der dapd. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff waren Dutzende Fans auf den Platz gestürmt. Sie wurden von Ordnungskräften rasch in den Zuschauerblock zurückgedrängt.

Später belagerten mehrere Hundert enttäuschte Anhänger den Verwaltungstrakt. 150 gewaltbereite Fans drangen bis zum Eingang der Funktionsräume vor. Sicherheitspersonal verhinderte das Erstürmen der Geschäftsstelle und der Polizeiwache. Die Randalierer schossen Leuchtmunition und Böller auf die Ordnungskräfte. Durch einen Steinwurf ging die Frontscheibe des Regensburger Mannschaftsbusses zu Bruch. Erst als einige KSC-Spieler und Manager Oliver Kreuzer das Gespräch mit den enttäuschten Fans suchten, beruhigte sich die Lage etwas.

KSC-Präsident Ingo Wellenreuther, der vom Ehrengastbereich aus das gespenstische Treiben beobachtete, sagte der dapd: „Ich verstehe zwar die Depression, den Unmut und die Enttäuschung. Aber die Gewaltszenen sind völlig inakzeptabel. Dass es sowohl bei den Fans als auch bei den Beamten Verletzte gab, ist sehr bedauerlich.“

Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei am Adenauerring vor dem Stadion warfen die Frustrierten Flaschen und Steine auf die Beamten, die sich mit Schlagstöcken und Pfefferspray zur Wehr setzten. Laut Polizeiangaben dauerten die Ausschreitungen bis gegen 2.30 Uhr am Dienstagmorgen. Die Spieler und Offiziellen beider Mannschaften konnten deshalb erst weit nach Mitternacht das Stadion verlassen.

Die Polizei war mit 200 Beamten vor Ort. Beim Risikospiel der höchsten Sicherheitskategorie gegen Eintracht Frankfurt vor zwei Wochen waren 900 Polizisten des Landes und 500 Beamte des Bundes im Einsatz. Die vergleichsweise geringe Zahl in Karlsruhe begründete der Sprecher damit, dass „im Vorfeld nicht mit der Brisanz wie gegen Frankfurt“ zu rechnen gewesen war. „Die Fans haben offensichtlich spontan ihren Frust abgebaut“.

Vor dem Hintergrund der neuerlichen Ausschreitungen in Karlsruhe meldete sich die Gewerkschaft der Polizei zu Wort. Es sei nach Meinung des GdP-Bundesvorsitzenden Bernhard Witthaut nicht mehr länger hinnehmbar, dass „eine Gruppe von skrupellosen Chaoten den Fußball und seine weit überwiegende Zahl friedlicher Fans mit ihren Randale-Orgien in Sippenhaft“ nehme. Wer beim Fußball die Gewalt suche, der müsse die volle Härte der Justiz finden.

„Sport-Gewalttäter sind in erster Linie keine Fans des Fußballs, sondern vor allem Fans ihrer eigenen Arroganz gegenüber dem Spiel, den Spielern, den Vereinen und den friedlichen Zuschauern“, sagte Witthaut. Nach Auffassung der GdP hätten sich vor allem betroffene Vereine bis heute nicht ausreichend genug von diesen Randalierern distanziert, sagte der GdP-Vorsitzende. Die Polizei akzeptiere nicht, dass sie die Versäumnisse der Vereine auf ihre Kosten weiter ausbaden soll – mit schweren Verletzungen durch Stein- und Flaschenwürfen, mit Brandverletzungen durch Pyrotechnik oder Hörschäden durch Böllerwürfe.

Die Statistik

Karlsruhe: Orlishausen - Schiek, Aquaro, Rada, Charalambous - Staffeldt (76. Ngwat-Mahop), Groß - Thioune (71. Terrazzino), Krebs (86. Calhanoglu) - Iashvili, Lavric. - Trainer: Kauczinski

Regensburg: Michael Hofmann - Neunaber, Laurito, Nachreiner, Binder (46. Erfen) - Hein, Ziereis - Jim-Patrick Müller, Alibaz (72. Schlauderer), Klauß (60. Kialka) - Schweinsteiger. - Trainer: Markus Weinzierl

Schiedsrichter: Felix Zwayer (Berlin)

Tore: 0:1 Hein (28.), 1:1 Lavric (32.), 2:1 Charalambous (56.), 2:2 Laurito (66.)

Zuschauer: 24.463

Beste Spieler: Iashvili, Groß - Hein, Alibaz

Rote Karte: Müller wegen groben Foulspiels (90.+2)

Gelb-Rote Karte: Erfen wegen wiederholten Foulspiels (87.)

Gelbe Karten: Charalambous, Iashvili, Lavric, Krebs - Stefan Binder, Laurito, Hein, Neunaber

Mit Material von dpa und dapd