Chaos bei der Fifa geht weiter: Präsident Blatter soll ein Millionengeschenk gemacht, Warner und bin Hammam Stimmen gekauft haben.

Zürich. Die größte Schlammschlacht des Fußball-Weltverbandes geht weiter. Der suspendierte Fifa-Vizepräsident Jack Warner hat neue Anschuldigungen gegen Fifa-Boss Joseph Blatter erhoben. Der 75 Jahre alte Schweizer habe der Concacaf ein „Geschenk“ von einer Million Dollar zukommen lassen, um das Geld „nach eigenem Ermessen“ zu verwenden, behauptete Warner in einer Pressemitteilung. Diese Information habe er auch der Ethikkommission übermittelt, erklärte der 68 Jahre alte Funktionär aus Trinidad & Tobago, gleichzeitig Präsident des Fußball-Kontinentalverbandes Concacaf.

Warner war am Sonntag von der Ethikkommission des Weltverbandes Fifa ebenso wie Exekutivkomitee-Mitglied Mohamed bin Hammam wegen Bestechungsvorwürfen vorläufig suspendiert worden. Beide weisen die Anschuldigungen zurück. Warner kündigte an: „Ich werde bald sehr viel mehr zu dieser Sache sagen.“

Laut Warner habe die Spende Blatters Uefa-Präsident Michel Platini „verärgert“, weil Blatter „keine Erlaubnis von der Fifa-Finanzkommission“ hatte. Die Anhörung durch die Ethikkommission kritisierte Warner scharf. Das Gremium sei „voreingenommen“ gewesen und das ganze Vorgehen „ein Missbrauch des Prozessverfahrens“.

Belastungszeuge Blazer geht Warner und bin Hammam an

Belastungszeuge Chuck Blazer erhebt indes weitere schwere Vorwürfe gegen die suspendierten bin Hammam und Warner erhoben. Der mutmaßliche Stimmenkauf sei „von Anfang an eine Verschwörung dieser beiden“ gewesen, sagte Blazer.

Vorwürfe bin Hammams, Fifa-Präsident Joseph Blatter habe eine Intrige angezettelt, um seinen Widersacher im Kampf um den Posten an der Spitze des Fußball-Weltverbandes loszuwerden, bezeichnete Blazer als „absolute Albernheit“. Der Amerikaner, der in der von Warner geführten Concacaf Generalsekretär und zudem Mitglied der Fifa-Exekutive ist, hatte die angeblichen Bestechungszahlungen beim Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke angezeigt und so den Skandal ins Rollen gebracht.

Australier will Geld zurück

Ein australischer Senator hat die Regierung des Landes aufgerufen, von der Fifa die Kosten für die WM-Bewerbung 2022 zurückzufordern. Australien war bei der Doppelvergabe der Fußball-Weltmeisterschaften für 2018 (Russland) und 2022 an Überraschungssieger aus Katar unterlegen. Der Weltverband solle die 46 Millionen Dollar Bewerbungskosten erstatten, da das Dossier Australiens wegen der korrupten Strukturen in der Fifa keine Chance gehabt hätte, forderte Senator Nick Xenophon.

Unter der Überschrift „Rote Karte für die Fifa“ veröffentlichte er am Montag ein Statement. „Nicht ein Cent mehr“ solle für weitere WM-Bewerbungen ausgegeben werden, bis die Korruptionsvorwürfe aufgeklärt seien, schrieb er. Der frühere englische Verbandschef David Triesman hatte mehrere Mitglieder des Fifa-Exekutivkomitees beschuldigt, Gegenleistungen für ihre Stimme gefordert zu haben. Die Fifa untersucht diese Vorwürfe. (sid/dpa)

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Und da war es nur noch Blatter

In der schönen weiten Welt des Web steht Mohamed Bin Hammam noch als Sieger da. Zumindest nach eigener Schöpfung. Auf seiner Internetseite lächelt er smart, über seinem Haupt steht in dicken Lettern das Wort "Future", und eine nach oben führende Treppe rechts von ihm soll wohl Aufstieg symbolisieren. Doch das ist Gaukelei. Bin Hammam hat einen Absturz erlebt, und eine Zukunft hat er wohl auch nicht. Zumindest nicht als Topsportfunktionär.

Der schwerreiche Geschäftsmann aus dem Emirat Katar wollte kommenden Mittwoch in einer Kampfabstimmung gegen Joseph Blatter antreten. Als Herausforderer strebte er das Präsidentenamt im Fußball-Weltverband Fifa an. Nach schweren Korruptionsvorwürfen gegen ihn, die gestern in einer Anhörung vor der Ethikkommission der Fifa gipfelten, zog er seine Kandidatur zermürbt zurück. In seinem Internetblog (mohameddbinhammam. com) verkündete er am Sonntagmorgen, dass ihn die "jüngsten Ereignisse verletzt und enttäuscht zurückgelassen haben". Er sah "die Zerstörung des Ansehens der Fifa" und kam zu dem Schluss: "Ich kann nicht zulassen, dass die Fifa, die ich geliebt habe, mehr und mehr wegen des Wettbewerbs zwischen zwei Einzelpersonen in den Schmutz gezogen wird." Er kandidiere deswegen nicht mehr.

Schlimmer noch: Am Sonntagabend suspendierte die Ethikkommission der Fifa nach achtstündiger Sitzung die beiden Spitzenfunktionäre Bin Hammam und Jack Warner. Damit ist Blatter der einzige verbliebene Kandidat um das Amt des Fifa-Präsidenten. Der Schweizer wurde wie erwartet von allen Vorwürfen entlastet. "Ich bedaure, was geschehen ist. Das Image der Fifa hat sehr gelitten", sagte Blatter.

Dem 62-Jährigen Bin Hammam wird zur Last gelegt, nach einer Wahlkampfrede am 10. Mai in Port of Spain/Trinidad den 25 Delegierten des Karibik-Verbandes CFU jeweils 40 000 Dollar angeboten zu haben. Als Gegenleistung soll laut einem Bericht der englischen Zeitung "The Telegraph" Unterstützung für die Präsidentenwahl eingefordert worden sein. Bin Hammam bestreitet den Korruptionsverdacht und will die Zahlungen als Rückerstattung für Reise- und Unterbringungskosten verstanden wissen.

In Port of Spain soll laut dem "Telegraph" Jack Warner die Rolle des Geldverteilers für Bin Hammam übernommen haben. Der skandalerprobte Geselle aus Trinidad und Tobago ist Vizepräsident der Fifa und stand gestern auch als Angeklagter vor der Ethikkommission seiner Föderation. Kurz vor seiner Vernehmung kündigte er an, ein "Fußball-Tsunami wird die Fifa und die Welt treffen und schockieren". Denn nicht nur Warner und bin Hammam hatten sich gestern vor dem Kongress des Weltverbandes zu verantworten, auch Fifa-Chef Blatter musste den 13 Mitgliedern der Ethikkommission Rede und Antwort stehen. Bin Hammam hatte ihn mit vor den Ausschuss gezerrt. Er brachte zur Anzeige, dass Blatter von angeblichen Zahlungen gewusst, aber nichts unternommen habe.

Für Franz Beckenbauer, der in dieser Woche auf eigenen Wunsch aus der Exekutive des Weltverbandes Fifa ausscheidet, ist der Bestechungsskandal ein "Desaster für den Fußball". Da die Fälle zudem drei Tage vor der wichtigen Wahl abgehandelt werden mussten, war leicht zu ermessen, welche Qualität die Urteile haben würden. Es ist in etwa so, als müsste die Mafia ein Urteil über ihre Schmiergeldzahlungen fällen.

Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes und loyal zu Blatter stehend, forderte deswegen im Gespräch mit der "Welt am Sonntag" eine externe Untersuchungskommission für den kriselnden Weltverband. "Es ist wichtig, dass man bei bestimmten Entscheidungen die Verantwortung auslagern kann. Es braucht eine sichtbare Gewaltenteilung innerhalb der Organisation und, in schweren Fällen, eine unabhängige Kommission außerhalb der Fifa", sagte er. Zwanziger sieht den Ruf des Verbandes beschädigt: "Die Fifa hat ein Imageproblem, in der Tat, und alle müssen daran arbeiten, es zu lösen."

Ein erster Schritt wäre, die zur Farce verkommene Wahl auszusetzen. Doch das scheint illusorisch. Nur wenn sich zwei Drittel der 208 Fifa-Mitgliedsverbände für eine Verlegung aussprächen, wäre es möglich. Erfolglos waren auch die, die Michel Platini gern als Fifa-Boss sähen. Der Präsident der Europäischen Fußball-Union Uefa sagte, es sei "ausgeschlossen", dass er kandidiere. Dabei wäre der Franzose gut vermittelbar. Er ist der einzige Chef der sechs Kontinentalverbände, der nicht unter Bestechungsverdacht steht.

Ohne Gegenkandidat könnte Blatter bereits am Mittwoch in der Züricher Messehalle per Akklamation bestätigt werden. Blatter hatte 1998 in Paris die Nachfolge des Brasilianers Joao Havelange angetreten.