Guido Tognoni war unter anderem Pressechef des Fußball-Weltverbandes und spricht im Interview über Blatters Machtkampf und die Korruption.

Hamburger Abendblatt: Kurz vor den Präsidentenwahlen erschüttern Korruptionsaffären den Weltfußballverband. Wie korrupt ist die Fifa?

Guido Tognoni: Die Korruptionsvorwürfe sind aktenkundig und von Gerichten bestätigt. Es handelt sich hier um kriminelle Tatbestände. Die Fifa muss endlich aufwachen und den Handlungsbedarf erkennen. Niemand kann erwarten, dass der Fußball auf dem Platz sauber ist, wenn die Vorbilder in den Chefetagen versagen. Die Gefahr für den Fußball ist enorm, da es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich etwa wichtige Sponsoren zurückziehen werden. Eine Weltfirma wie Adidas kann kein Interesse haben, sich mit einem Verband zu identifizieren, der immer wieder unter Korruptionsverdacht steht.

Blatters Gegenkandidat Mohamed Bin Hammam hat seine Kandidatur zurückgezogen. Ist der Weg für Blatter jetzt frei?

Tognoni: So sieht es zumindest aus. Natürlich wäre eine Verschiebung der Wahl, eine Atempause, sinnvoll. Aber dies wird Blatter nicht zulassen. Er wird weiter mit allen Mitteln um seine Macht kämpfen.

Was muss die Fifa jetzt tun?

Tognoni: Zunächst braucht der Weltverband eine Beschränkung der Amtszeit. Es ist doch ein Witz, dass die Herrschaft des Präsidenten der USA nach maximal acht Jahren endet, während ein Fifa-Präsident wieder und wieder kandidieren kann. Und Blatter muss sich endlich von Personen in seinem Umfeld trennen, die als korrupt gelten. Wichtig ist auch, dass sich eine wirklich unabhängige Kommission mit den Fällen beschäftigt. Nur im ersten Schritt kann dies eine interne Ethikkommission - wie derzeit - tun. Dann müssen unabhängige Experten ran. Korruption kann man nicht mit naiven Fragen und guten Worten aufklären.

Sind Sie enttäuscht vom DFB, der sich nach wie vor zu Blatter bekennt?

Tognoni: Mit Ausnahme des englischen Verbandes, der für eine Wahlverschiebung plädiert hat, bin ich von allen großen Verbänden enttäuscht. Es kann weder die Aufgabe der Medien noch der Zuschauer sein, Korruption zu bekämpfen. Die Verbände müssen reagieren und verhindern, dass ihr Verband und damit der Fußball den Bach runtergeht.

Sie plädieren für eine Auslosung bei der WM-Vergabe. Warum?

Tognoni: Eine Auslosung unter den Kandidaten erstickt Korruptionsvorwürfe gegenüber dem Exekutivkomitee im Keim. Zudem muss das Verfahren grundsätzlich reformiert werden. Wenn etwa beschlossene Sache ist, dass man bei der Vergabe neue Gebiete wie Russland erschließen will, braucht man einem Verband wie dem englischen keine Bewerbung zuzumuten.