Sepp Blatter soll über Bestechungsgelder bei der WM-Vergabe informiert gewesen sein. Nun ermittelt die Fifa gegen den Präsidenten.

Zürich/Berlin. Eigentlich müsste Mohamed bin Hammam schon längst weg sein; jedenfalls, wenn es nach der Prognose seines Widersachers ginge. Sepp Blatter, Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, hatte im März bezweifelt, dass der Mann aus Katar überhaupt gegen ihn antreten werde, wenn der Thron des Weltfußballs am kommenden Mittwoch neu vergeben wird. Doch bin Hammam ist noch immer da und gewillter denn je, nach 13 Jahren Blatterscher Alleinherrschaft die Fifa neu zu ordnen. Nötig wäre es.

Schon unter Vorgänger Joao Havelange geriet der Verband ins Zwielicht. Mit Blatter an der Spitze sank das öffentliche Ansehen der Fifa weiter antiproportional zu ihrem wirtschaftlichen Erfolg - spätestens seit der dubiosen Vergabe der Weltmeisterschaft 2022 in den Wüstenstaat Katar rangiert sie in den Sympathiewerten irgendwo zwischen Mafia und Schurkenstaat.

Nun, fünf Tage vor der Präsidentenwahl, steckt der Weltverband tiefer denn je im selbst gewässerten Sumpf. Als Höhepunkt des Possenspiels nahm gestern die verbandsinterne Ethikkommission Ermittlungen gegen den Präsidenten höchstpersönlich auf. Blatter soll von illegalen Zahlungen in seinem Verband gewusst haben, ohne zu reagieren. Er hat bis zu diesem Sonnabend, elf Uhr, Gelegenheit, Stellung zu nehmen. Sonntag findet die Anhörung vor der Ethikkommission statt.

Wer ihn vor den Kadi gezerrt hat, ist kein Geheimnis. Gegenkandidat Mohamed bin Hammam hat öffentlich Rache geübt, denn auch er muss morgen vor der Ethikkommission aussagen, wie seit Mittwoch bekannt ist. Das war der erwartete, wenn auch erstaunlich plumpe Versuch, bin Hammam kurz vor der anstehenden Wahl noch mal in Misskredit zu bringen.

Auch wenn es Exekutivkomitee-Mitglied Chuck Blazer (USA) war, der die vermeintlichen Missstände beim Fifa-Generalsekretär Jerome Valcke angezeigt hatte, besteht für bin Hammam kein Zweifel am wahren Initiator der Anklage. "Dieser Schritt ist nicht mehr als Taktik von Leuten, die kein Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten haben, um erfolgreich die Präsidentschaftswahl zu bestehen", sagte der Araber. Es sei ein Teil des Planes gewesen, ihn so kurz vor der Präsidentschaftswahl in Misskredit zu bringen und sogar zur Aufgabe zu bewegen. Blatter hingegen bedauert die Vorwürfe gegen bin Hammam natürlich zutiefst: "Es macht mir keine Freude, langjährige Weggefährten bei der Untersuchung vor der Ethikkommission zu erleben."

Nun ist die Schlammschlacht in vollem Gang. Bin Hammam wird vorgeworfen, sich mit Funktionären des Fußballverbandes der Karibik getroffen zu haben. Dabei soll es zu Bestechungsabsprachen für die anstehenden Präsidentenwahlen gekommen sein. Er leugnet das. Blatter hingegen soll bei der Vergabe der WM 2022 von angeblichen Zahlungen an Fifa-Mitglieder - wieder aus der Karibik - gewusst, aber nichts dagegen unternommen haben. "Ich kann das Verfahren, das gegen mich eröffnet wurde, derzeit nicht kommentieren. Die Fakten werden aber für sich selbst sprechen", ließ Blatter mitteilen.

Nun steht die Ethikkommission unter immensem Ermittlungsdruck. Sind die Vorwürfe bis Mittwoch nicht aus der Welt geräumt, dürfte es unmöglich sein, im Dickicht aus Gerüchten und Beschuldigungen eine ordentliche Präsidentenwahl zu gewährleisten. Die Frage, ob eine interne Kommission überhaupt das richtige Instrument für Ermittlungen gegen den eigenen Präsidenten ist, wird bis dahin ohnehin nicht geklärt sein. "Es braucht eine sichtbare Gewaltenteilung innerhalb der Organisation und, in schweren Fällen, eine unabhängige Kommission außerhalb der Fifa. Über ein solches Gremium wird man sprechen müssen", sagte Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes und seit neuestem Mitglied der Fifa-Exekutive.

Die Ermittlungen gegen Blatter kommentierte er zurückhaltend: "Ich wünsche mir sehr, dass durch diesen Schritt mehr Klarheit gewonnen werden kann." Dennoch sicherte Zwanziger in einem Beitrag für die "Rhein-Zeitung Koblenz/Mainz Blatter seine Unterstützung zu. Michel Platini, Präsident des europäischen Fußballverbandes Uefa, nannte den Zeitpunkt der jüngsten Veröffentlichungen "sehr interessant". Der Sarkasmus ist in Platinis (schriftlicher) Stellungnahme fast greifbar. Anders kann man sich der Fifa derzeit auch nicht nähern.