Der 58-Jährige beklagt beim Rückzug als Handball-Bundestrainer fehlende Unterstützung der Liga

Kamen. Draußen vor dem SportCentrum Kaiserau mahnt ein Schild zu "Frieden auf Erden", aber Heiner Brand dachte überhaupt nicht daran, sich bei seinem letzten großen Auftritt als Bundestrainer zurückzuhalten. Hier, wo seine Mannschaft bei der WM vor vier Jahren Anlauf genommen hatte zum größten Triumph der deutschen Handballgeschichte und ihr Trainer selbst mit humorigen Auftritten zum Medienstar aufgestiegen war, hier also lernte die Welt gestern einen anderen Heiner Brand kennen. Einen, der trotz Welt- und Europameistertiteln eine bittere Bilanz seiner Amtszeit zog. "14 Jahre mangelnde Unterstützung der Bundesliga" hätten "Narben hinterlassen", die ihm einen Verbleib im Amt unmöglich gemacht hätten, räumte er zu Beginn seines 16-minütigen Monologs ein.

Brand, 58, hatte seine Ausführungen schriftlich vorbereitet, so als habe er bei seiner Generalabrechnung nur ja niemanden vergessen wollen. Kaum ein wichtiger Funktionär des Vereinshandballs, der ungeschoren blieb. Bundesliga-Geschäftsführer Frank Bohmann warf er Ahnungslosigkeit vor, Gerd Butzeck, den obersten Interessenvertreter der europäischen Topklubs, halte er für "einen gefährlichen Mann". Dem THW Kiel und dem HSV Hamburg warf er für ihre Kritik an der Ausbootung von Christian Zeitz und Torsten Jansen "mangelnden Respekt gegenüber meinen Verdiensten" vor. Ihnen und den Rhein-Neckar Löwen empfahl Brand zudem "zu überlegen, ob sie nur Unternehmen mit Sitz in Deutschland sein oder etwas für den deutschen Handball sein wollen". All das hatte man so oder so ähnlich schon gehört. Aber die Schärfe in Brands Worten legte den Schluss nahe, dass sich da jemand zum Abschied den Frust von der Seele redet.

Von Abschied aber kann keine Rede sein. Noch nicht einmal von Rücktritt, wie Ulrich Strombach, der Präsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB), klarstellte. Brands bis 2013 laufender Vertrag werde lediglich "dahin gehend abgeändert", dass er vom 1. Juli an als "Handball-Manager" für den Verband tätig sei. Strombach umriss nicht weniger als sieben Aufgabenfelder "an der Schnittstelle zwischen den Talenten und dem Tophandball", auf denen sich sein Gummersbacher Kumpan künftig tummeln soll: individuelle Ausbildung von Nachwuchsspielern, Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Institutionen und ausländischen Verbänden, Talentsichtung, Trainerausbildung, Koordination der Landesverbände, Mentoring für Nachwuchsspieler, Betreuung von Topsponsoren. Auf Nachfrage räumte Strombach ein, dass Brands Vertrag nicht nur geändert, sondern auch bis 2015 plus Option verlängert werde. Er gab sich überzeugt, dass die Integrationsfigur Brand die zerstrittenen Fraktionen in Verband und Vereinen versöhnen könne.

Mit der Nationalmannschaft aber will Brand nach den zwei EM-Qualifikationsspielen im Juni nichts mehr zu tun haben: "Ich könnte mir vorstellen, dass ich sogar ein bisschen erleichtert sein werde." Wer ihm folgt, bleibt offen. Die Entscheidung kündigte Strombach für Juni an. Sie fällt offenbar zwischen Brands Assistent Martin Heuberger und Dagur Sigurdsson, dem Trainer der Füchse Berlin. Brand will sich, obwohl er der Findungskommission angehört, in der Frage "bewusst zurückhalten". Zumindest dieser Satz erinnerte an den alten Heiner Brand.