SC Victoria Hamburg jubelte trotz der 1:3-Pokalniederlage gegen den VfL Wolfsburg am Millerntor und kauft sich jetzt einen Mannschaftsbus.

Hamburg. Und dann kam doch noch Stimmung auf. Rahn musste schießen, und er schoss aus sechs Metern. Mit Vollspann links flach in die linke Ecke, chancenlos für Torhüter Marwin Hitz, wobei der Ball, wie der Schütze später zugab, eigentlich in der anderen hätten landen sollen. Egal! Es war das 1:3 in der 71. Minute, der Treffer zum späteren Endstand, und der SC Victoria hatte den VfL Wolfsburg zumindest diesen einen Nadelstich versetzt, der aus der Pokalniederlage das ersehnte Erfolgserlebnis machte.

Trotz Pokal-Aus: Victoria feierte das "Spiel des Lebens"

8000 Zuschauer feierten den Hamburger Meister und Pokalsieger, der eine solche Kulisse wie gestern Abend am Millerntor noch nie erlebt hatte. "Wir haben uns anständig verkauft", meinte der Torschütze. Stephan Rahns Freistoßtor zum 1:0 gegen Rot-Weiß Oberhausen hatte Victoria erst in diese Runde gebracht, diesmal aber reichte sein schöner Treffer nicht. Doch darüber war am Ende niemand traurig. Die Mannschaft feierte bis in die Morgenstunden. "Aber ich werde wieder pünktlich um 9 Uhr bei der Arbeit sein", versprach Rahn. Er verkauft Autos in Othmarschen. Selbst am Tag danach, dem seines größten Spiels.

Auch der Gegner zollte hinterher Anerkennung. "Das war das erwartet harte Stück Arbeit. Victoria hat nur wenig zugelassen. Aber wir sind ruhig geblieben und haben unsere Chancen genutzt", sagte Wolfsburgs Mittelfeldspieler Sascha Riether. Und der Brasilianer Grafite ergänzte, er könne nicht glauben, "dass die nur in der Fünften Liga spielen. Die sind richtig professionell in die Zweikämpfe gegangen." Besonders Roger Stilz und Sven Trimborn hinterließen beim deutschen Meister von 2009 Eindruck. Sie störten des Wolfsburger Spielmachers Diegos Kreise. "Jeder war für den anderen da, genau das hatten wir uns auch vorgenommen", fasste Victorias Mittelfeldspieler Jasmin Bajramovic, ein Lehrer, das Geschehen treffend zusammen: "Wir haben allen Grund zum Jubeln."

Was bleibt? Zuschauer, Fernsehen und Bandenwerbung haben dem SC Victoria im diesjährigen DFB-Pokalwettbewerb mehr als 500 000 Euro Einnahmen beschert. Selbst abzüglich der Kosten für die Prämien der Spieler und die Anmietung des Millerntors sollte dem Verein mehr als das Siebenfache seines Saisonetats, rund 60 000 Euro, verbleiben. Die Frage, wohin das viele Geld fließen soll, hat Manager Ronald Lotz bereits eindeutig beantwortet: in die Strukturen des 1895 gegründeten Hamburger Traditionsvereins. Die Anschaffung eines Kopfballpendels und eines zweiten Mannschaftsbusses, der SC Victoria besitzt zurzeit nur einen 9er-Bus, sind ebenso in Planung wie eine neue Flutlichtanlage für das Stadion an der Lokstedter Hoheluft. Ferner existiert die Idee einer Stiftung, in der das Geld langfristig angelegt werden soll. Auch an den Nachwuchs soll gedacht, neue qualifizierte Jugendtrainer angestellt werden. Dies scheint Lotz besonders am Herzen zu liegen: "Wenn irgendwann im Jahre 2025 die Jugendspieler des SC Victoria von unserem heutigen Erfolg profitieren und verbesserte Strukturen vorfinden, so ist das eine ganze Menge wert." Auf den neuen Kunstrasenplätzen, die die Stadt auf der ehemaligen Allianz-Sportanlage auf der anderen Straßenseite des Lokstedter Steindamms für Victoria und den ETV gebaut hat, tummeln sich schon heute die Talente von morgen.

Einen möglichen Aufstieg in die Regionalliga dagegen will Lotz auf keinen Fall von den Pokaleinkünften finanzieren. Die vierte Klasse gilt im Verein als Geldvernichtungsmaschine, erst wenn die vom DFB geplanten Reformen wirken, will man bei Victoria ernsthaft über dieses Projekt nachdenken. Sonnabend steht erst einmal Alltag auf dem Programm, das Oberligaspiel beim Meiendorfer SV. Kein Fernsehen, kaum Zuschauer, es ist das Duell des Tabellensiebten beim Tabellensiebzehnten. Mehr Kontrast geht nicht. "Es wird nicht leicht, sich an die Normalität zu gewöhnen", ahnt Trainer Bert Ehm.

SC Victoria: Ludewig - Meyer (60. Schulz), Bajramovic, Asante, Kim (77. Khalil) - Theißen (64. Melich), Stilz, Trimborn, Lauer - Rahn - Hamurcu. Wolfsburg: Hitz - Pekarik, Madlung, Barzagli, Schäfer - Riether, Josué (62. Kahlenberg), Diego (72. Ziani), Cicero - Mandzukic, Grafite (72. Hasebe). Tore: 0:1 Pekarik (17.), 0:2 Josué (52.), 0:3 Schäfer (55.), 1:3 Rahn (71.). SR: Leicher (Landshut). Zu.: 8370. Gelb: Theißen.