Nico Patschinski schießt SC Victoria zum Amateurpokalsieg gegen TuS Germania Schnelsen. Jetzt soll Dortmund an der Hoheluft vorspielen.

Hamburg. Als Nico Patschinski nahe der Schnelsener Trainerbank in einem blau-gelben Jubelknäuel unterging, behielt einzig sein Trainer Lutz Göttling einen kühlen Kopf. Er spurtete zum Ort der Freude und sorgte dafür, dass sein Torjäger schnell wieder ausgegraben wurde. Als der Stürmer wieder stand, lächelte er Göttling an, und dieser gratulierte ihm zum 2:1. Vicky hatte das Amateurpokalfinale gegen Germania Schnelsen dank Patschinskis Doppelpack (60., 69.) gedreht. Es waren Patschinskis Treffer Nummer 16 und 17 im 18. Spiel. Sie bescherten Vicky nach der Meisterschaft den Amateurpokalsieg, damit verbunden ist die Qualifikation für die erste Runde des DFB-Pokals.

Der gebürtige Berliner, der in der Winterpause kam, darf als bester Transfer des SC Victoria in den letzten Jahren gelten. "Ich muss ihn fragen, ob er einen treffsicheren Bruder hat", sagte Vickys Manager Ronald Lotz. Der Angreifer verneinte und freute sich über das erste Double seiner Karriere: "Wie hätte ich bei meinen Stationen auch zwei Titel in einer Saison holen können?", fragte der Ex-St-Paulianer, bevor er sein Halbjahr mit dem launigen Prädikat "Hätte schlechter kommen können" versah und zur Siegerehrung eilte.

"Patsche ist eben überall klasse, auf dem Feld und außerhalb", lobte Vickys spielender Co-Trainer Roger Stilz. Doch auch in diesem Spiel wurde wieder deutlich, dass beim Triumphator der Oberligasaison 2011/2012 in den vergangenen Jahren mit seinen Strukturen und Personen ein Gesamtgebilde gewachsen ist, das im Hamburger Amateurfußball einzigartig ist.

Das beginnt bei Präsident Helmuth Korte und Manager Ronald Lotz. Korte gab Lotz Rückendeckung, und dieser verwaltete umsichtig die Gelder, die der SC Victoria im DFB-Pokal 2007 und 2010 einnahm, investierte in Stadion und Infrastruktur, tätigte gute Transfers wie Patschinski oder Benny Hoose, er überstand auch Gegenwind. Als er Erfolgstrainer Bert Ehm in der Winterpause 2010/2011 entließ, hagelte es Kritik. Lotz wusste genau: Der Nachfolger für Ehm, der am vergangenen Wochenende trotz Meisterschaft beim Hammonia-Landesligisten Elmshorn von seinen Aufgaben entbunden wurde, musste passen.

Lotz entschied sich für Lotz Göttling - und tat damit einen goldenen Griff. Der 41-Jährige war zuvor jahrelang Vickys Herausforderer mit dem Meiendorfer SV gewesen. Mehr als Rang zwei war an der B 75 aber nicht drin. Göttling blieb während der gesamten Saison ruhig, sachlich und analytisch. In der Hinrunde hatte er bis zu zwölf Verletzte zu beklagen, das Sturmspiel lahmte, Vicky krebste im Mittelfeld herum. Göttling betonte stets, sein neuer Verein habe "eine Spitzenmannschaft" und wolle "beide Titel". Auch im Spiel gegen Schnelsen fand er trotz prekärer Lage die richtigen taktischen Kniffe. Nach dem 0:1 durch Schnelsens Jürgen Tunjic (19.), der mit einem in der fünften Minute zugezogenen Bänderriss bis Spielschluss durchhielt, staunten die 4443 Fans an der Hoheluft nicht schlecht. Bis zur Pause war vom Favoriten kaum noch was zu sehen, Schnelsen war dem 0:2 näher. Göttling ging Risiko, stellte in der Pause auf Dreierkette um. Nach dem 1:1 wurde Vicky dominanter, gewann letztlich verdient.

"Wenn einer diesen Titel verdient hat, dann Lutz. Er hat überragende Arbeit abgeliefert. So mancher Profitrainer könnte sich von ihm eine Scheibe abschneiden", adelte Lotz seinen Coach, der vor Beginn der Pressekonferenz ein wenig mit Tränen der Rührung kämpfen musste, seinen Humor aber schnell wiederfand. "Ganz schlecht" fühle er sich, sagte Göttling auf die berühmte Frage nach seinem Innenleben und kommentierte die Nachfrage eines Journalisten, ob er Kontakt zu HSV-Chef Frank Arnesen habe, da zwei seiner Spieler höheres Format hätten, gedankenschnell: "Es besteht kein Kontakt. Die haben aber alle Vertrag. Meldet sich der HSV, kosten unsere Jungs ganz viel Geld." Diese "Jungs" leben nicht nur von der Klasse eines Nico Patschinski. Benny Hoose und Roger Stilz machten nicht ihre beste Partie, aber in den entscheidenden Momenten waren sie da, bereiteten die Treffer vor. Keeper Christian Schau zeigte sich einmal mehr in guter Form und glänzte mit einer Traumparade gegen Björn Nadler (62.), Cem Cetinkaya war wuselig und besonders in der Anfangsphase torgefährlich. Als Kollektiv wartete die Mannschaft geduldig wie so oft auf ihre Chance, zeigte denselben beharrlichen Erfolgswillen wie ihr Coach.

Nach der Sommerpause beginnt nun eine neue Ära an der Hoheluft. Ein Highlight wird das DFB-Pokalspiel der ersten Runde sein. Mittelfeldstratege Stilz wünschte sich verschmitzt "den BVB als Gegner. Die sind das Maß aller Dinge in Deutschland. Wir sind es in der Oberliga Hamburg." Wo sich Vicky einordnet als neue dritte Kraft in Hamburg, lässt man die beiden Zweitvertretungen des HSV und des FC St. Pauli außen vor, wird sich zeigen. Einem Kaufrausch ob der 110 000 Euro Antrittsgeld im Pokal schob Manager Lotz einen Riegel vor: "Wir werden keine Kracher verpflichten, bleiben bodenständig."