Die Regionalliga wird ein wirtschaftlicher Kraftakt. SC Victoria wagt dennoch den Aufstieg

Hamburg. Ronald Lotz sitzt in seinem Containerbüro. Die Einrichtung ist spartanisch, alles liegt griffbereit. Der Manager des SC Victoria soll erklären, warum der Meister der Oberliga Hamburg wagt, was kein Konkurrent sich zutraut: das Abenteuer Regionalliga. Bergedorf 85 scheiterte an eigenen Unzulänglichkeiten, die restliche Konkurrenz verzichtete dankend im Vorfeld. In Hamburg ist man skeptisch. "Unbezahlbar" sei ein Aufstieg für seinen Verein, sagt Schnelsens sportlicher Leiter Holger Spethmann. "Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für diesen Schritt müssen wir uns noch erarbeiten", erklärte Altonas Präsident Dirk Barthel.

Victoria wird somit als einziger Hamburger Vertreter neben den zweiten Mannschaften von HSV und FC St. Pauli Gründungsmitglied der neuen Regionalliga Nord. Aus den bisherigen drei Staffeln Nord, Süd und West werden fünf. Maximal sieben zweite Mannschaften von Profivereinen sollen in jeder Staffel spielen. Zuständig sind künftig statt des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die Regional- und Landesverbände. Befürworter der Reform versprechen sich eine Senkung der Kosten für die Vereine.

Geschätzt 300 000 bis 350 000 Euro muss "Vicky" für das Unternehmen Aufstieg aufbringen. Der Großteil entfällt aufs Personal. Durch Steuern und Sozialversicherungsabgaben kostet ein Regionalligaspieler im Monat mindestens 1000 Euro. Das macht bei einem 20er-Kader 240 000 Euro pro Saison. Dazu kommen Trainer und Funktionsteam, höhere Kosten für Schiedsrichteraufwendungen, Verbandsgebühren und Auswärtsfahrten, ein verstärkter Ordnungsdienst und Auflagen fürs Stadion wie mehrere Eingänge und Fantrennung. Die bisher vom DFB für die Regionalliga garantierten 100 000 Euro Fernsehgeld entfallen.

"Aus diesen Gründen werden wir mit einem Sparkader antreten", sagt Lotz. 20 Verträge laufen zu gleichen Konditionen weiter. Alle Akteure sind berufstätig, in Ausbildung oder studieren. Über 100 Spieler bewarben sich bereits bei Lotz. Die meisten wollten zu viel verdienen. "Profibedingungen können wir wirtschaftlich nicht darstellen", betont der 45-Jährige.

Lotz kalkuliert vorsichtig mit 300 Zuschauern pro Spiel. Vor allem Traditionsteams wie Lübeck und Meppen sollen Fans ins Stadion locken. Auch eine DFB-Pokal-Teilnahme bei einem Sieg im Amateurpokalfinale gegen Schnelsen ist nicht im Etat eingeplant. Trainingslager werden an der heimischen Hoheluft stattfinden. Auswärtsfahrten - die weitesten nach Meppen und Goslar - sollen in gesponserten Bussen über die Bühne gehen. Übernachtet wird in der Fremde nicht, sogar fertig gekaufte Lunchpakete sind tabu.

"Wir werden Butterbrote schmieren", sagt Lotz. Wie dies in Spielerkreisen ankommt, bleibt abzuwarten. Mittelfeldstratege Roger Stilz beantwortet die Frage nach eventuellen Nachverhandlungen diplomatisch: "Über Geld spricht man nicht." Lotz wird dies bald häufiger tun müssen. Klinkenputzen ist angesagt für die neue dritte Kraft in Hamburg. Der fünfmalige Oberliga-Meister der letzten sechs Jahre will die Sponsoringeinnahmen aufbessern.

Kein Problem stellt die Infrastruktur dar. Das Stadion erfüllt die Auflagen, die Sicherheitsfirma Contro ist bereits seit 1995 im Einsatz. Die Mittel aus den DFB-Pokal-Teilnahmen 2007 (0:6 gegen Nürnberg) und 2010 (1:0 gegen Oberhausen, 1:3 gegen Wolfsburg) wurden nicht nur ins Stadion investiert. Sauna, Kraftraum, ein Beamer fürVideoanalysen - für die Spieler wurden semiprofessionelle Bedingungen geschaffen. Lotz aber bleibt realistisch: "Wir gehen als AbstiegskandidatNummer eins in die Saison."