Die Hamburger Vereine SC Concordia und Barmbek-Uhlenhorst spielten einst erst- und zweitklassig. Jetzt müssen sie in die Landesliga.

Hamburg. Werner Platthoff ist der Vereinsarchivar des SC Concordia, so etwas wie das "lebende Cordi-Lexikon". Platthoff erinnert sich an einen Triumph, der fast ein halbes Jahrhundert zurückliegt. "Mit 4:3 schlugen wir Borussia Dortmund vor 10 000 Zuschauern", erzählt er von der Pokal-Sensation in der Saison 1952/53. "Eine Minute vor Schluss glich Dortmund aus, da nahm sich Günter Woitas den Ball und versenkte ihn im Gegenzug zum Siegtreffer im Netz." Lebendige Geschichte: "Woitas hat noch heute eine Skatrunde im Klubheim." Am Wochenende sahen gerade mal 250 Menschen zu, als ein Treffer in der Nachspielzeit die 0:1-Niederlage der Concordia bei Eintracht Norderstedt und den Abstieg aus der Oberliga Hamburg besiegelte. Weil auch der HSV Barmbek-Uhlenhorst das Schicksal mit 2:5 bei Germania Schnelsen nicht mehr wenden konnte, verschwinden gleich zwei Hamburger Traditionsklubs in der Versenkung der sechstklassigen Landesliga.

Es gab eine Zeit, da war der SC Concordia sogar erstklassig. Als die Bundesliga noch nicht einmal eine Vision war, spielten die Marienthaler in der Stadtliga Hamburg (1945-47) und der Oberliga Nord (1947-53, und von 1956 bis 1963). Barmbek-Uhlenhorst, in Hamburg liebevoll BU abgekürzt, war in der Regionalliga Nord (1963/64 und 1966-74) sowie in der zweiten Liga Nord (1974/75) immerhin zweitklassig.

Der Sturz in die Bedeutungslosigkeit löst Wehmut aus. Detlef Grandt, 54, ist ein gemütlicher Mann mit Bauch und rundem Gesicht. Der Fanbetreuer bei BU ist seit 40 Jahren Mitglied im einstigen Arbeiterverein. Vor 25 Jahren gründete er gemeinsam mit anderen Fans den Fanklub Barmbeker Pöbel, als ironische Reaktion auf einen älteren Herrn, der sich bei einem Auswärtsspiel in Bergstedt über die Zwischenrufe der Gästefans aufgeregt hatte. Grandt hat selbst bei BU gespielt und ist seither bei jeder Partie der Ligamannschaft dabei. "In mir herrscht seit Freitag eine riesige Leere", sagt Grandt, und seine Stimme klingt nach Weltuntergang.

Herwig Kageler, 69, schlank, mit Brille und schütterem weißen Haar so etwas wie der Gegenentwurf zu Grandt, hat die gleiche Gefühlslage: "Es fühlt sich an, als hätte mir jemand das Herz herausgerissen", sagt der frühere Vereins- und Ehrenrat des SC Concordia. Schon als Elfjähriger besuchte er die Spiele des Klubs. Der Name Concordia, lateinisch für Eintracht, hatte es ihm angetan. Mit seinem Mathematiklehrer diskutierte er Anfang der 50er-Jahre jeden Montag das Verhältnis des Vereins zum HSV in der Oberliga Nord. 1949/50 kam Concordia dem Abonnementsmeister als Sechster so nah wie nie.

Wenn Grandt und Kageler erzählen, sprudeln die berühmten Namen nur so aus ihnen heraus. Andreas Brehme und Frank Neubarth haben sie spielen sehen, Harry Bähre und Günter Woitas, Klaus Fock, Holger Stanislawski und viele mehr. "Andy Brehme bekam damals bei uns von seinem Vater Bernd eine Bleiweste umgeschnallt und musste so Kopfbälle üben", sagt Grandt und lächelt. "1980 ließ Bielefelds Manager Willi Nolting Brehme beobachten. Wir waren damals drittklassig, die Arminia zweitklassig. Er ließ uns ausrichten, Brehme habe kein Zweitligaformat. Ich schickte ihm später ein Kunststoffgebiss mit der Aufforderung, sich damit selber in den Hintern zu beißen."

So weit die Tradition. Doch von der Vergangenheit können beide Vereine nicht mehr leben. Schleichend ging es abwärts. Beim SC Concordia, der zum ersten Mal nicht mindestens in der höchsten Hamburger Amateurklasse spielt, begann der Niedergang mit dem Abgang des ehrgeizigen Trainers Marc Fascher im Sommer 2004. Fascher wollte in die damals drittklassige Regionalliga Nord aufsteigen, das Präsidium des SC Concordia war dagegen. "Das wäre wirtschaftliches Harakiri gewesen", sagt der zweite Vorsitzende Bernd Orgas noch heute.

Die gute, aber kostspielige Jugendarbeit und teure Spielereinkäufe taten ihr Übriges, bis Concordia im Sommer 2009 auch noch das Stadion Marienthal aufgeben musste. Die Seele des Vereins war durch einen alten Nutzungsvertrag, der den Concorden 50 000 Euro Kosten im Jahr aufbürdete, nicht mehr zu halten. BU hätte sportlich eigentlich die Klasse halten müssen, rutschte aber wegen interner Grabenkämpfe und Verletzungsnöte in den Abstiegsstrudel. Beide Traditionsvereine kündigten den Wiederaufstieg als Ziel an. Ob neue Erfolge aber nachhaltig und wirtschaftlich solide machbar sind, ist mehr als zweifelhaft. Nur nicht für die BU-Fans. Die sangen schon nach dem Abstieg: "Nur ein Jahr, dann sind wir wieder da."