Gletscher haben vor rund 20 000 Jahren einen 17 Kilometer langen Fjord geformt - ein Paradies für Freunde der maritimen Freizeit. Die Kieler Förde erschließt sich mit dem Schiff am besten.

Hamburger, die mit dem Regionalzug anreisen, haben gar keine Wahl. Sie müssen am Kieler Bahnhof aussteigen. Denn so ist das mit Kopfbahnhöfen, Weiterreise nicht möglich. Der Zug endet nur wenige Meter vor dem Hafen. Wer nun das Bahnhofsgebäude durch den Haupteingang verlässt, steht auch schon vor Kiels Hauptattraktion: der Förde. Genauer gesagt, vor der Innenförde, genannt die Hörn. Sofort weht dem Angekommenen die Meeresluft in die Nase: Salzig riecht sie, ein wenig fischig, und immer nach Freiheit. Der strahlend blaue Himmel, die Sonne und die schrillen Schreie der Möwen tun ihr Übriges. Auf in die Ferne, jubelt eine innere Stimme. Wie wäre es mit der Color-Line-Fähre, die gleich vom gegenüberliegenden Norwegenkai ablegt, nach Oslo? Daneben entsteht ein neuer Stadtteil: die "Kai-City-Kiel". Oder doch lieber nach Schweden? Am Schwedenkai hat ein Fährschiff vom Format eines Hochhauses festgemacht, um demnächst nach Göteborg abzulegen.

Aber halt. Warum in die Ferne schweifen, wenn man noch nicht Kiels schöne Seiten kennt. "Schöne Seiten?", wird sich der Ortsfremde jetzt sicherlich fragen. Ja, Kiel hat sie. Sicher, die Landeshauptstadt, mit 245 000 Einwohnern die größte Stadt in Schleswig-Holstein, hat kaum historische Sehenswürdigkeiten. Die fielen der Industrialisierung und den Bomben des Zweiten Weltkriegs zum Opfer. Aber es gibt dennoch lohnende Ziele.

Allein ein Spaziergang am Hindenburgufer ist Grund genug zum Bleiben. An der Uferpromenade von drei Kilometern Länge bieten Segler und Fährschiffe stets ein wechselvolles Schauspiel. - Am Südende des Hindenburgufers befindet sich übrigens das Institut für Weltwirtschaft. - Und dann die süßen Seehunde erst, die im Außenbecken des Meerwasseraquariums schwimmen und tauchen. Wen das noch nicht überzeugt, zu bleiben, sollte durch die hügelige Landschaft des alten Botanischen Gartens wandeln, der sich in unmittelbarer Nähe zur Kunsthalle befindet. Vom Dach des Pavillons aus kann man auf die Förde blicken. Und mal ehrlich, wie viele Städte gibt es, wo die Ozeanriesen direkt in die Innenstadt kommen?

Aber zurück zum Bahnhof, unserem Ausgangspunkt. Wer die Kieler Förde entdecken will, tut dies am besten vom Wasser aus. Gleich hinter dem Hauptbahnhof, an der Bahnhofsbrücke, legen die Schiffe der Förde-Fährlinie mehrmals täglich nach Laboe ab. Die Überfahrt dauert fast eine Stunde.

Genug Zeit, um die Traditionssegler vor der Kulisse von Industrieanlagen zu bestaunen. Und das bunte Treiben auf der HDW-Werft am Ostufer. Gelegentlich kreuzen U-Boote den Wasserweg. Nach einem ersten Stopp am Sporthafen Reventlou, geht es weiter nach Bellevue. Dann setzt die Fähre zum Ostufer nach Mönkeberg über. Ein Schiff zieht vorbei und gibt den Blick auf den Nord-Ostsee-Kanal frei. Die meistbefahrene künstliche Wasserstraße der Welt verbindet Nord- und Ostsee und erspart den Schiffen den längeren Weg um die Nordspitze Dänemarks. Die große Schleusenanlage in Holtenau ist ein technisches Meisterwerk. Sie schließt den Kanal gegen die wechselnden Wasserstände von Elbe und Ostsee ab. Wie genau das funktioniert, darüber können sich Besucher in den Ausstellungen an der Anlage informieren. Ein wahrer Touristenmagnet.

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Weiter geht es nach Möltenort und Heikendorf, einem beliebten Ausflugsziel für schiffsbegeisterte Camper. Steigt man auf das Dach eines Wohnwagens, scheinen die Schiffe dort, wo die Förde am schmalsten ist, zum Greifen nah. Die Fähre setzt zum Westufer über, nach Friedrichsort mit seiner Bethlehemkirche, einer seemännisch eingerichteten, denkmalgeschützten Holzkirche. Von hier aus ist es nicht weit bis zum Falckensteiner Strand, an dem man wunderbar grillen und bei einem Bier den Sonnenuntergang bestaunen kann.

Doch unser Ziel heißt Laboe. Im Seebad gehen wir von Bord und am Strand entlang zum Marine-Ehrendenkmal. Das als Gedenkstätte für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Marinesoldaten errichtete Bauwerk wurde 1936 von Adolf Hitler eingeweiht. Heute hat man immerhin einen grandiosen Ausblick von der obersten Plattform des 85 Meter hohen Turms. Sind ja auch nur 341 Stufen hinauf. (Weniger Ausdauernde nehmen besser den Fahrstuhl.)

Am Strand gegenüber liegt U 995. Das U-Boot aus dem Zweiten Weltkrieg ist seit 1972 ein Museum. Hier bekommt man einen Eindruck davon, unter welchen beklemmenden Umständen die 52 Mann starke Besatzung damals gehaust haben muss.

Ganz in der Nähe befindet sich die Meeresbiologische Station. Bei stündlichen Führungen wird die Unterwasserwelt der Ostsee in 30 Aquarien gezeigt. Manch Meeresgetier darf angefasst werden. Ein besonderer Spaß für Kinder.

Auf der Promenade geht es zurück zum kleinen Hafen von Laboe. Hier liegen tatsächlich noch Fischkutter, und die versorgen kleine Restaurants wie Harrys Fischküche mit Fangfrischem. Bei Backfisch kann man das Treiben im Hafen beobachten. Gegenüber am Museumsstieg wird mit Kreideschrift auf einer Tafel dazu eingeladen, für zwei Stunden mitzusegeln. Leider nur Freitag und Sonntag. Kleiner Trost: Die Rückfahrt nach Kiel mit der Fähre.

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