Auf Nordstrand und der Hamburger Hallig bekommen Menschen und Schafe ab und zu nasse Füße. Watt soll's. Tipps für die schönsten Ausflüge.

Deiche und Köge überall. Wer über den Damm nach Nordstrand kommt, befindet sich danach in einem immer wiederkehrenden Auf und Nieder. Niedriges, dem Meer mühsam abgerungenes Land, darum ein hoher Deich. Achtmal geht das so, denn so viele Köge gibt es auf dieser nordfriesischen Halbinsel in der Nähe von Husum.

Auf einem dieser Deiche im Norden der Insel am Holmer Siel steht Momme Elsner. Neben ihm weiden Schafe, springen Lämmer umher. Hinter ihm erhebt sich die Halligwelt mitten im Wattenmeer. Doch der Landwirt hat dafür keinen Blick. Er schaut landeinwärts auf seinen Flecken Erde, seine Heimat. Denn für den 47-Jährigen gibt es kein schöneres Zuhause als den Elisabeth-Sophien-Koog. "Ich liebe die Natur hier, die weite Sicht, die einem ein Gefühl von Freiheit gibt - und die harte Luft", sagt er, während er sich gegen den Wind stemmt.

Wenn es einen Prototyp des Friesen gibt, dann muss es Momme Elsner sein. Hochgewachsen, kantiges Gesicht, trockener Humor und lupenreines Plattdeutsch. Vorsitzender des Heimatvereins, Deichgraf - und Neffe des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Peter Harry Carstensen. Dessen Land bewirtschaftet Elsner mit. Fruchtbarer Acker, wie alle Böden hier. Die Nordstrander waren nie ein Seefahrervolk, denn mit Schafhaltung und Landwirtschaft ließ sich immer genug Geld verdienen. Und die 35 Einwohner, die im Elisabeth-Sophien-Koog leben, haben noch ein bisschen mehr als die übliche Gemeinde von rund 2250 Menschen.

"Wir sind schon was Besonders", sagt Elsner ganz selbstverständlich. Dabei wären er und seine Familie 1976 fast abgesoffen - nach einer besonders harten Sturmflut lief der Deich über. "Mein Vater sagte nur, raus aus dem Haus, es wird ernst. Ich hatte panische Angst." Zum Glück für die Menschen und die niedrig liegenden Häuser stand ihr Koog nur wenige Stunden unter Wasser.

Aber die Geschichte ist typisch für die Region. Sturm und Flut, Angst und Trotz, Landgewinn und Landverlust gehören zu Nordfriesland. Die Menschen haben sich damit arrangiert, haben Wege gefunden, um die Natur, so gut es geht, zu beherrschen. So durchzieht ein Grabensystem ganz Nordstrand, das das Regenwasser sammelt und durch Siele ins Meer befördert. Und als weiteren Küstenschutz haben die Nordstrander in den 80er-Jahren vor dem Elisabeth-Sophien-Koog noch mehr Salzwiesen eingedeicht. Daraus ist der Beltringharder Koog entstanden, das größte Naturschutzgebiet auf dem Festland Schleswig-Holsteins, ein Paradies für Brut- und Rastvögel und Naturliebhaber. Vom Holmer Siel aus kann man auf dem Deich zu Fuß oder mit dem Rad mehrere Kilometer diese traumhafte Landschaft aus Feuchtwiesen, Süß- und Salzwasserbiotopen erleben.

Mit dem Auto geht es an der Deichstraße entlang, vorbei an reetgedeckten Häusern, nach Strucklahnungshörn. Ein kurzer Blick über den Deich bietet eine grandiose Aussicht auf das Wattenmeer. Von hier fahren die Fähren zu den anderen Inseln und Halligen. Ganz dicht ist Pellworm, das einst mit Nordstrand verbunden war. Das war vor den beiden "Groten Mandränken" (gewaltige Sturmfluten) aus den Jahren 1362 und 1634, die den Nordteil der Insel Alt-Nordstrand zerstörten.

Von den insgesamt 19 Kirchen hat auf Nordstrand nur eine die großen Sturmfluten überlebt. Denn als eines der wenigen Gebäude steht die Odenbüller St.-Vinzenz-Kirche auf einer Warft. Mit fast 900 Jahren ist sie das älteste Bauwerk auf der Insel und grenzt an den Hauptort der Insel Süden. Dort befindet sich im Gebäude der Kurverwaltung das Inselmuseum, das die wechselvolle Inselgeschichte sehr anschaulich beschreibt. Wolf-Dieter Dey, der ehemalige Schulleiter von Nordstrand, bietet gerne Führungen an.

Er ist kein gebürtiger Nordstrander, dennoch hat er sein Herz an dieses Land verloren. "Hier hat man ein Inselgefühl, ohne eine Fähre zu brauchen", sagt der 69-Jährige.

Eine weitere Attraktivität der Insel liegt kurz vor dem Nordstrander Damm. Rechts geht es ab zur Schäferei Baumbach mit ihrem Hofladen, wo es alles vom heimischen Schaf zu kaufen gibt, was man sich vorstellen kann. Neben Würsten und Fleisch werden im oberen Stock des Ladens Schaf-Kuriositäten wie Schafmilchseife und Staubwedel verkauft. Die Quelle all dieser wunderbaren Dinge blökt dann oben vom Deich herunter, Hunderte von Lämmern und Schafe springen dort herum - eine kleine Treppe führt hinauf. Ein zauberhafter Anblick.

Über kleine Straßen oder auf der B5 über Bredstedt erreicht man in etwa 20 Minuten die Hamburger Hallig, eine bildschöne Insel, etwa 4,5 Kilometer lang und acht Kilometer breit. Bewachsen mit Salzwiesen, so weit das Auge reicht - und einem Plattenweg, der das Festland mit den zwei Warften verbindet. Auch diese Insel gehörte ursprünglich zu Alt-Nordstrand. Zwei Hamburger Kaufleute, die Gebrüder Amsinck, hatten das Vorland im Nordosten zwischen 1624 und 1628 als Ackerland bedeicht, bis die Mandränke auch ihnen die Lebensgrundlage nahm. Von dem Koog blieb nur die Hallig. Inzwischen ist daraus ein Naturparadies geworden, denn nur die Hälfte der Salzwiesen wird von Schafen beweidet. "Auch wenn sie mit dem Festland verbunden ist, ist es eine richtige Hallig. Denn wir haben hier bei Sturm und Springtide 60-mal im Jahr Land unter", sagt Rainer Rehm, Landschaftspfleger des Nationalparks Wattenmeer. Die Hamburger Hallig ist sein Job und seine Leidenschaft. Er zählt Vögel, führt durchs Watt und informiert Besucher über die Eigenarten der Insel. So erfährt man von ihm, dass auf der Hallig der Halligfliederspitzmaus-Rüsselkäfer lebt und eine Strandwegerichgallrüssel-Käferlarven-Wespe auf der Insel ihr Unwesen treibt.

Fahrräder (1,50 Euro pro Tag) für den Besuch der Hallig vermietet das Amsinck-Haus, das direkt am Deich vor der Insel steht. Zwar lässt sich die Insel auch gegen eine Mautgebühr mit dem Auto befahren, doch das ungemein größere Naturerleben hat man auf dem Rad oder zu Fuß. Tausende von Brut- und Rastvögel erheben sich immer wieder über den Wiesen und dem Wattenmeer - im Frühjahr sind bis zu 70 000 von ihnen gleichzeitig auf der Hallig. Vor allem Nonnengänse, Austernfischer und Knutt-Vögel ziehen hier ihre Runden.

Nach etwa zwei Kilometern erhebt sich eine Nabu-Vogelbeobachtungsstation, benannt nach Claus-Jürgen Reitmann, einem Hamburger, der inzwischen Ehrenobervogelwart ist. Ehrenamtliche erklären hier den Besuchern die Vogelwelt.

Ziel der rund vier Kilometer langen Strecke ist jedoch der Hallig-Krog, eine hübsche reetgedeckte Gastwirtschaft, die von Hans-Hermann Lätari betrieben wird und sich auf Gerichte vom heimischen Salzwiesenlamm spezialisiert hat. Er beteiligt sich auch an den Nordfriesischen Lammtagen, die bis 31. Juli gehen ( www.lammtage.de ). Jeden Freitag wird hier dann Lamm gegrillt, ein kulinarisches Erlebnis, das nicht nur Einheimische anzieht. Die kommen auch gerne hierher, weil es hinter dem Krog eine schöne Badestelle gibt und bei klarem Wetter den wohl sensationellsten Blick auf die Halligwelt, den man sich vorstellen kann. Ein Grund, warum Wirt Lätari sich für die Arbeit auf der Hallig entschieden hat, "sind die fantastischen Sonnenuntergänge". Vor allem aber gehe der Herzschlag runter, sobald er über den Deich auf die Insel fahre. Und es stimmt, die Lunge ist mit frischem Sauerstoff gefüllt, der Blick geht in die Weite, das Herz sagt: Hier herrscht pures Insel-Feeling.

Lesen Sie morgen: Im Oldenburger Münsterland kommen Sie in Fahrt bei einer Tour mit der Moorbahn.