Dramatische Einbrüche bei Nil-Kreuzfahrten, Zurückhaltung am Roten Meer – wie deutsche Veranstalter die aktuelle Lage vor Ort einschätzen.

Für Besucher ein Genuss – für die Bevölkerung eine Katastrophe: Weder Ausflugsbusse noch Menschenmassen versperren die Sicht aufs Tal der Könige und jahrtausendealte Tempel. Keine Armada von Schiffen, die dicht an dicht festmachen, erschwert den Ausstieg in Luxor, Edfu, Kom Ombo und Assuan. Nur noch 30 von 300 Nilschiffen sind im Einsatz. Die übrigen dümpeln rostend im Abseits. Ungenutzt seit der Revolution vor fast vier Jahren.

Stand die Fahrt auf den Spuren des Krimis „Tod auf dem Nil“ von Agatha Christie als Sehnsuchtsziel weit oben auf der Liste, bekommt der Titel jetzt eine ganz andere Bedeutung. Tod des Tourismus am Nil, könnte es heißen.

Denn noch immer spricht das Auswärtige Amt eine Teilreisewarnung aus. Zwar bestünden gegen Reisen zu den archäologischen Sehenswürdigkeiten im Niltal zwischen Luxor und Assuan/Abu Simbel und für Nilkreuzfahrten südlich von Kairo keine Bedenken, doch scheint die Botschaft bei den Urlaubern noch nicht angekommen zu sein.

Rund 620.000 Deutsche reisten in den ersten neun Monaten 2014 ins Land der Pharaonen, sagt der ägyptische Tourismusminister Hisham Zaazou, fast 60 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2013. „Für 2015/16 erwarten wir Zahlen wie vor der Revolution – 1,3Millionen oder darüber“, prophezeit der Minister. Darauf habe er sogar Wetten angenommen: „Ägypten ist stabil. In allen touristischen Regionen können sich Urlauber wieder sicher fühlen.“

Dafür sollen auch starke Militär- und Polizeipräsenz sorgen. Sichtbar und unsichtbar. „Spezialkräfte haben hinter den Bergkuppen des Tempels der Hatschepsut Stellung bezogen“, sagt Luxors Sicherheitschef Montaser Abo Elyazeed. 1997 hatte ein Anschlag auf den Tempel den Tourismus lahmgelegt. „Das könnte heute nicht noch einmal passieren“, beteuert der Offizier.

Allein in Luxor, das Gouverneur Tarek Saad El Din mithilfe von Solarenergie in eine Green City verwandeln möchte, gibt es vier Stationen der Touristenpolizei. Auch bei Busausflügen ist immer Security mit an Bord. Wie auf der MS „Iberotel Crown Empress“, wo ein Polizist in weißer Uniform und mit geschulterter Kalaschnikow als Begleitschutz auf der Brücke steht.

Florian Fleischer, Ägypten-Experte der TUI: „Sicherheit hat in Ägypten traditionell einen hohen Stellenwert. So werden unsere Hotels und Schiffe durch staatliche oder private Sicherheitsdienste geschützt. Die Beurteilung der Sicherheitslage obliegt dem Auswärtigen Amt, an dessen Empfehlungen wir Reiseveranstalter uns orientieren. Luxor und der Nil können problemlos bereist werden, gleiches gilt für die Badegebiete am Roten Meer. In Hurghada, dem mit Abstand beliebtesten Reiseziel deutscher TUI-Gäste, gab es seit dem touristischen Bestehen keine Vorfälle. Wir glauben an Ägypten und stocken deshalb für Sommer 2015 unsere Flugkapazitäten um 50 Prozent auf.“

Auch Elia Gad von FTI als größtem Ägyptenveranstalter in Deutschland zeigt sich zuversichtlich: „Aktuell liegen wir im Vergleich zum Vorjahr hoch zweistellig im Plus, wobei alle Regionen des Landes wieder gut gebucht werden. Nur nach Taba bieten wir wegen des Hinweises des Auswärtigen Amts aktuell keine Reisen an.“

Die Region Hurghada ist der Schwerpunkt von Thomas Cook. Kommunikationschef Mathias Brandes: „Wir sind mit unseren Kollegen vor Ort und den Behörden in Kontakt und informieren unsere Gäste über alle aktuellen Entwicklungen.“

Auch Studiosus-Sprecher Dr. Frano Ilić betont: „Selbstverständlich verzichten wir bei unseren Ägyptenreisen auf alle Gebiete, von deren Besuch das Auswärtige Amt abrät. Dies gilt besonders für Mittelägypten und den Sinai.“

Für 2015 hat MSC Kreuzfahrten zwei Routen nach Alexandria im Programm: „Natürlich werden wir die politische Entwicklung in Ägypten beobachten und gegebenenfalls reagieren“, heißt es vonseiten der Reederei.

Vor dem Karnak-Tempel versuchen ein paar Händler, Ansichtskarten, Kaftane und Pashima-Schals zu verkaufen, zwei Stück für fünf Euro, ein Verzweiflungspreis an Touristen, die die traurige Situation durch beinhartes Handeln schamlos ausnutzen. Nur einen Euro pro Kartenset verlangt jetzt Saber Ahmed Ali. Vor fünf Jahren waren es noch fünf Euro gewesen. Ali ist einer von vier Millionen Ägyptern, die vor der Krise direkt und indirekt vom Tourismus lebten. Hunger leide er aber nicht, sagt der 42-Jährige. „Wir haben Hühner, ein Lamm und werden ein wenig von der Regierung unterstützt.“

Deutsche Urlauber in dem Badeort Hurghada haben keine Bedenken

Besser geht es den Händlern in Hurghada, wo sich hauptsächlich Russen und Deutsche sicher fühlen. Wie Anke und Jürgen Taubitz aus Hamburg, die für zwei Wochen im Makadi Beach entspannen und seit zehn Jahren zum Tauchen ans Rote Meer kommen. „Wir hatten überhaupt keine Bedenken“ sagt der Wasserzöllner, „wegen des Streits um die Rote Flora wurden doch auch in Hamburg schon Autos angesteckt.“

Als Investition in die touristische Zukunft kündigt der Tourismusminister bereits für die nächsten Tage einen täglichen Direktflug von Scharm al-Scheich und Marsa Alam am Roten Meer nach Luxor am Nil an. Vielleicht erwacht der Karnak-Tempel dann auch tagsüber wieder zu neuem Leben. Im Augenblick erzählen in einer nächtlichen Sound & Light Show die Säulen von der einstigen Betriebsamkeit in der größten Tempelanlage des Nahen Ostens. Aber das war vor 2000 Jahren.