Das Kreuzfahrtschiff, solide und überschaubar, bedient ein gutbürgerliches Publikum. Erfahrungen bei einer Reise von den Kanaren zu den Kapverden.

Kreuzfahrers Freud: leichter Seegang, gerade so viel, dass man spürt, auf einem Schiff zu fahren. An Deck liegen, den Krimi zu Ende lesen, den Cocktail des Tages schlürfen: Mai Tai oder Piña colada. Hin und wieder aufs Meer schauen, an die Reling eilen, wenn ein Rudel Delfine die Eskorte gibt. Schwierige Entscheidungen treffen: Dart-Wettbewerb, Bingo, Weinprobe – oder doch mal wieder zu einem Vortrag in die Lounge gehen (heute: „Was macht Inseln so besonders?“)...

Kreuzfahrers Leid: Der Dampfer rollt, stampft und schaukelt. Hohe Wellen, lange Dünung, die volle Dröhnung. Im Restaurant bleiben viele Tische leer, nur mittschiffs, am Captain’s Table, wird fröhlich gegessen und gefeiert, als sei alles normal. Aber es ist schon einiges los, Windstärke zehn bis elf mindestens, und noch drei Tage später liefern die stürmischen Stunden Stoff für Gespräche unter Opfern einerseits, die sich die Pillen gegen Übelkeit noch nach Mitternacht im Pyjama an der Rezeption geholt haben, und kernigen Seebären andererseits, die angeblich nichts bemerkt haben wollen.

Die „Hamburg“, die nächste Woche erstmals am Hafengeburtstag im Konvoi der Einlaufparade mitschwimmen wird, ist ein Schiff für alle Fälle: Sie gleitet bei schönem Wetter so gelassen übers Meer wie ein Segler, sie reitet aber auch Stürme locker ab wie kürzlich zwischen Gran Canaria und La Gomera, sie lässt sich, versichert Kapitän Philipp Dieckmann, ein sympathischer Berliner, „butterweich navigieren, eine feine Schiffsdame im fast schon reifen Alter, ohne Starallüren“. Dieckmann, 48 Jahre alt, hat Seefahrt von der Pike auf gelernt und langjährige Erfahrung in allen Revieren „80-mal Antarktis, unzählige Male Amazonas und Nordwestpassage, was soll mich da noch erschüttern.“

Die gutbürgerlichen Passagiere lieben Schiffe, die noch wie Schiffe aussehen

Ein knappes Jahr ist es her, dass Hamburgs Bürgerschafts-Präsidentin Carola Veit mit einem geglückten Flaschenwurf aus der „Columbus“ von Hapag-Lloyd, die 1997 in Wismar gebaut worden war, die MS „Hamburg“ von Plantours machte. Mehr als 40 Jahre mussten vergehen, bis ausgerechnet eine Bremer Reederei wieder ein Kreuzfahrtschiff dieses Namens auf Weltreise schickt. Die legendäre „Hamburg“, 1968 bei Howaldt gebaut, war nach der Pleite der Deutschen Atlantik-Linie noch lange als „Maxim Gorki“ unterwegs.

Die neue „Hamburg“ bedient, ähnlich wie die ehemalige „Columbus“, eine klassische Kreuzfahrer-Klientel: gutbürgerliches Publikum, das Schiffe liebt, die noch wie Schiffe aussehen, Schiffe von überschaubaren Dimensionen, mit höchstens 400 Passagieren an Bord (meistens sind es zwei, drei Dutzend weniger), mit gut geschnittenen Kabinen und ausreichend großen Bädern, mit einem Angebot an Unterhaltung und Gastronomie, das so solide und reell wie der ganze Dampfer ist. In Hamburg nennt man so ein Ambiente gern gediegen.

Die Mannschaft, im Service vielfach aus Russland und den Philippinen, aus Indonesien und Indien stammend, in der Kabine mehrheitlich aus der Ukraine, wächst langsam zusammen. Kapitän Dieckmann, derzeit im Urlaub in seiner neuen Heimat USA, wird demnächst wieder seinen Ersatzmann João Simões ablösen, einen Portugiesen, der fleißig Deutsch lernt, um künftig im Wechsel mit Dieckmann das Schiff zu führen.

Eine Konstante im Bordalltag bleibt das Arzt-Ehepaar Wiesner im geradezu nobel ausgestatteten Bordhospital. Alexander Wiesner und Dr. Irene Wiesner sind seit dem ersten Tag auf der „Hamburg“ im Einsatz. Plantours-Stammgäste kennen die beiden Mediziner von der „Vistamar“, dem früheren Flaggschiff der Bremer Reederei, auf dem sie fünf Jahre unterwegs waren. Ein Labor und neueste Ultraschall-Möglichkeiten helfen ihnen bei der Diagnostik; OP-Einrichtungen, Defibrillatoren und anderes modernes Gerät stehen für Notfälle bereit.

Es dauert nicht lange, bis sich auch die Neulinge auf diesem Schiff zurechtfinden. Spätestens am zweiten Tag ist der Weg zum Palmgarten, zum Pool- und Sonnendeck oder zur Muckibude auf Deck sechs gefunden, zu den Computern und der kleinen Bibliothek auf Deck fünf oder zu Svenja, der Friseurin und Kosmetikerin, die ihren Salon auf Deck eins hat. An Olga von der Wolga, der resolut-fröhlichen Ausflugsleiterin auf drei, dem Einstiegsdeck, kommt niemand vorbei. Olga ist eine prägende Figur an Bord, vor und bei Landgängen und auch sonst die Seele vom Ganzen, eine russische Seele, versteht sich, patent und unvergesslich: „Meine Liebben“, so pflegt sie vor Überraschungen zu warnen, zum Beispiel neulich, kurz vor dem ersten Kapverden-Hafen, „meine Liebben, wir sind morgen in Afrika, da müssen Sie auf alles gefasst sein, auf Busse ohne Klimaanlage, auf staubige Pisten, eben auf alles... Aber es wird wunderscheen, kennen Sie mir glauben...“

Abends, nach Abenteuern, die eher gemäßigt ausfallen, singen, tanzen und zaubern Künstler von respektablem Niveau, aber keine Stars. Als solche entpuppen sich hingegen einige Talente aus der Crew. Applaus braust durch die Lounge, wenn Alberto, Aufwäscher aus der Küche, den Elvis macht oder Genadi aus der Ukraine, ein bis dahin eher als schüchtern wahrgenommener Decksteward, Michael Jackson imitiert. Höhepunkt der vorletzten Mannschafts-Show war der inzwischen abgemusterte Kreuzfahrt-Direktor Ernie Nölle mit einem Playback vom Feinsten: Pavarotti, wie er singt und lacht.

Solche Nummern machen schnell vergessen, wenn die „Hamburg“ bei kabbeliger See auf Reede liegt und gleich zwei Inseln nicht angelaufen werden können, weil das Tendern mit den Rettungsbooten dem Kapitän zu unsicher erscheint. Safety first, das leuchtet allen ein. Man geht zur Tagesordnung über, trifft sich zur Skatrunde oder bei Frau Dr. Wiesner, die, wenn es niemanden zu verarzten gibt, auch Kavitation anbietet: Ultraschall, mit dessen Hilfe sich angeblich Fettpölsterchen auflösen. Das Angebot wird vorwiegend gegen Ende der Reise genutzt, wenn sich die kulinarischen Freuden einer Kreuzfahrt bemerkbar machen.

Chefkoch Stefan Berndt, als Berliner eher aus der Art geschlagen, ist ein introvertierter Mann, der mit ausholenden Schritten über Deck und durch den Speisesaal eilt, ohne nach links und rechts zu schauen. Wahrscheinlich hat er immer die Menüs der nächsten Tage im Blick, und die sind schmackhafter und frischer als auf manch berühmterem Schiff. Wo dort nicht selten für Monate im Voraus gebunkert wird, schauen sich Berndt und seine Mannen auf den Märkten an der Route um, kaufen in Funchal Madeiras Schwarzen Degenfisch und auf den Kapverdischen Inseln die tropischen Früchte der Saison.

Alle freuen sich, wenn die „Hamburg“ zum Hafengeburtstag Hamburg anläuft

Auf Hamburg und den Hafengeburtstag freuen sich nicht nur die Passagiere, die im Moment noch auf dem Weg von Lissabon an die Elbe sind. Auch Olga von der Wolga und Elena aus Odessa, eine blonde Cocktail-Mixerin, sind gespannt auf die Stadt, deren Namen ihr Schiff trägt. Nur Vincente aus Manila, ein Steward, der jeden Abend mit neuen Servietten-Tricks seine Gäste überraschte, denkt viel weiter über den Horizont hinaus; er hofft auf eine Weltreise, bei der die „Hamburg“ dann auch mal seine Heimat anläuft.

Plantours-Geschäftsführer Oliver Steuber will solche Ziele nicht ausschließen: „Ungewöhnliche Routen gehören zu unserem Konzept. Wir werden demnächst den Anker an Deutschlands Küsten werfen, vor Helgoland, Borkum und Sylt, aber bald darauf geht es ab nach Grönland, ins Mittelmeer und rund um Afrika“.

Steuber wird seiner „Hamburg“ am Freitag übrigens mit der U-Bahn entgegenfahren. Der Bremer Reedereichef wohnt im Stadtteil St. Georg.