In der Provinz Dhofar im Süden Omans ziehen “kühle“ 25 bis 28 Grad und Dauer-Nieselregen Urlauber an. Jedes Bergdorf hat hier eine Asphaltstraße.

Oman. Es gibt in Oman mehr Kamele als Menschen. Sagt man. In einem Land, das fast so groß wie Deutschland ist, aber nur drei Millionen Einwohner hat, von denen etwa 25 Prozent ausländische Gastarbeiter aus Indien, Pakistan und Bangladesch sind, mag das vielleicht gar nicht so abwegig sein. Manche Omaner halten Herden von 600 Kamelen und mehr. Sie lieben ihre Tiere, bewundern ihre Stärke und Ausdauer, auch wenn Kamele als Lasttiere längst ausgedient haben. Heute weiden sie auf saftig grünen Wiesen und liefern ihren Herren Milch und Fleisch.

Grüne Wiesen im Wüstenstaat Oman? Das ist kein Märchen. Die südliche Provinz Dhofar ist die einzige Region auf der Arabischen Halbinsel, die vom Südwestmonsun gestreift wird, welcher ihr einige Monate lang eine üppige Vegetation beschert. Als wir mit einem japanischen Geländewagen zum Plateau des Jebel Samhan hinauffahren, des mit 1800 Metern höchsten Bergs des Dhofar, sehen wir große Herden grasender Kamele, die mit lang gereckten Hälsen wie Giraffen an Büschen und dicht belaubten Bäumen knabbern. Auf samtgrünen Hängen weiden Kühe - einmalig in Arabien.

Oben auf dem Plateau ist der Boden kahl und bräunlich. Bis dahin reichen die Wolken des Monsuns nicht. Auf einem Felsvorsprung steht unser Fahrer Issa Almashan in seiner weißen Dishdasha, dem traditionellen knöchellangen, langärmeligen Gewand, und zündet sich eine Zigarette an. Seinen Kopf hat Issa kunstvoll mit einem Tuch umwickelt, von dem eine nach Weihrauch duftende Quaste herabhängt. Dann zieht er ein Handy hervor und telefoniert, ein typischer Omaner.

Er sei 30 Jahre alt und noch nicht verheiratet, erzählt er. Weil eine Hochzeit zu viel Geld koste. 7000 Rial (in Euro etwa doppelt so viel) müsse er als Mitgift für die Braut zahlen, sein Vater müsse die Feier ausrichten. Da komme viel zusammen, was die Familie jetzt für seinen älteren studierenden Bruder brauche, es sei üblich, dass alle Familienmitglieder füreinander einstehen. Seine drei Schwestern, fügt er hinzu, seien schon verheiratet. "Wir sind eine kleine Familie", sagt er lachend, "normal sind sieben bis neun Kinder."

Kein Wunder, dass die Hälfte der Omaner Kinder und Jugendliche sind und das Durchschnittsalter der Bevölkerung bei 19 Jahren liegt. Sie haben die Zeit vor 1970, als es in Oman keine Straßen, Schulen, Krankenhäuser gab, als die Menschen Not litten und früh starben, nicht mehr erlebt. Alles änderte sich mit Sultan Qabus. Der populäre Alleinherrscher nutzte die Entdeckung von Erdöl, um im großen Stil in die Infrastruktur zu investieren. Er ließ bis in entlegene Bergdörfer Asphaltstraßen bauen, führte die Schulpflicht, kostenlose Bildung und medizinische Versorgung ein, schenkte Fischern und Beduinen neue Häuser, Elektrizität und Wasserversorgung und den Frauen Gleichberechtigung und Wahlrecht. Auch die Geburtenrate sinkt jetzt Jahr für Jahr. Wie kaum ein anderes Land auf der Welt hat sich das dünn besiedelte Sultanat Oman in atemberaubendem Tempo entwickelt. Und immer wieder hören wir, wie stolz die Omaner darauf sind.

Auch Issa sagt es, als wir mittags im Wadi Darbat picknicken, einer immergrünen Oase mit einem Süßwassersee, gespeist von Wasserfällen aus den Bergen. Ein 200 Jahre alter Tamarindenbaum spendet Schatten. Am Ufer liegen noch die bunten Tretboote, mit denen sich Urlauber aus den Golfstaaten in der Monsunzeit, der sogenannten Kharif-Saison von Ende Juni bis Anfang September, bei Dauer-Nieselregen auf dem See vergnügen. Durchnässt zu werden, bei "kühlen" 25 bis 28 Grad, wenn in Muskat, Dubai oder Riad das Thermometer auf mehr als 40 Grad steigt, ist für die Bewohner der Arabischen Halbinsel das schönste Wetter, und dafür kommen sie von weit her.

Salalah, die Provinzhauptstadt, zieht sich viele Kilometer am Arabischen Meer entlang, gesäumt von tropischen Obstplantagen, wo wir im Schatten von Kokospalmen, Mango- und Papayabäumen umherspazieren und uns fühlen wie in der Karibik. In kleinen Verkaufsständen sind exotische Früchte aufgetürmt, die Cherimoya, Sappodilla, Guave oder Jackfruit heißen. 16 verschiedene Bananensorten werden hier angebaut, erklärt der Verkäufer, übrigens ein Bangladescher, während wir den Saft aus frisch gekappten Kokosnüssen schlürfen.

Salalahs City mit der prachtvollen Sultan-Qabus-Moschee liegt im Norden der Stadt, weit entfernt vom Meer. Außerhalb des Zentrums dehnen sich verstreut neue Viertel mit modernen Wohnkomplexen und Shoppingmalls. Noch gleicht Omans zweitgrößte Stadt mit mehr als 170 000 Einwohnern einer Ansammlung verzweigter Siedlungen.

Im ältesten Viertel Al-Hafah findet man noch ein paar übrig gebliebene Kalksteinhäuser nahe dem Weihrauchsouk, wo die Händlerinnen in ihren traditionellen Abayas von Kopf bis Fuß schwarz verhüllt sind. Aus bunt bemalten Tongefäßen steigt Rauch auf und verbreitet himmlischen Duft. In dämmrigen Gassen hocken Beduinenfrauen am Boden und sortieren Weihrauchbrocken, schütteln sie in Metallschalen hin und her, ein Scheppern, das sich mit gedämpften Stimmen und leiser Musik vermischt. Am Stand einer Händlerin, die freundlich aus ihrem schmalen Augenschlitz blickt, bleiben wir stehen. "Die Qualität ist unterschiedlich, je nach Farbe und Größe", erklärt sie. Je heller, desto besser. Grünlich-weiße Harzstücke seien zu schade zum Verbrennen. Über Nacht in Wasser eingelegt, trinke man die milchige Flüssigkeit morgens gegen Krankheiten und für ein gutes Gedächtnis. "Fast alle Omaner", sagt die Händlerin kichernd, "nehmen es täglich als Aphrodisiakum."

Weihrauch gehört zu Omans Süden wie die Kamele und das explodierende Grün. Nur in den Trockentälern des Dhofar, im Grenzgebiet zwischen Sommermonsun und Wüste, gedeihen die empfindlichen, knorrigen Weihrauchbäume. Schon vor Jahrtausenden wurde auf der Weihrauchstraße Handel mit dem kostbaren Harz bis nach Ägypten und Rom getrieben. Weihrauch war damals so wertvoll wie Gold, ein mythischer Stoff, dessen Herkunft den Abnehmern ein Rätsel blieb.