Das Blut pocht, der Körper vibriert: An jedem Dienstagabend wird in der Altstadt Salvador da Bahias - dem Pelourinho - kräftig gefeiert.

Der Duft saurer Limetten gemischt mit der Süße von braunem Zucker liegt in der Luft. Zwei kleine Jungen spielen Fangen in den Wirren der Menschengruppen, die sich auf dem kleinen Platz verteilen. Aus der Dunkelheit strömen immer mehr Menschen hinein in das Geschehen, auf der Suche nach einem freien Plastikstuhl. An Essensständen verteilen üppige Frauen vergnügt ihre frittierten Speisen, während vom anderen Ende des Platzes Trommelklänge und Gitarrenzupfen herüberfegen.

Die Musik ist wie das Essen, wie die Menschen, wie der Glaube, wie alles im Pelourinho - ein Schmelztiegel der Kulturen, eine bunte Vielfalt zwischen Amerika, Europa und Afrika, ein Abbild Bahias.

Der Pelourinho ist die Altstadt von Salvador, der 2,8-Millionen-Einwohnermetropole, die gute zwei Flugstunden nördlich von Rio liegt. Als Sklavenmarkt Salvadors war er die erste Station von rund fünf Millionen Westafrikanern, die in der Kolonialzeit nach Brasilien verschleppt wurden. Was heute bleibt, ist eine Kombination von mehr als 800 Stadthäusern vorwiegend aus dem 17. und 18. Jahrhundert in allen Farben. Bepflanzte Plätze aus Pflastersteinen und barocke Kirchen ringsherum, deren Goldverzierungen einem den Atem verschlagen. Der Legende nach sind es 365 an der Zahl - eine für jeden Wochentag. Die größte unter ihnen, die Igreja São Francisco de Assis, verteilte traditionell dienstagabends Brot an die Armen. "Terça da Benção" - auf Deutsch Segens-Dienstag - nennen sie seit jeher das Geschehen, bei dem religiöse Andacht und weltliche Ausgelassenheit sich verflechten. Für die lebensfrohen Baianos kein Widerspruch.

Die Menschen treiben auf die Plätze der Altstadt, nutzen jedes Stück geschichtsträchtigen Bodens, um zu feiern. Rund um den lautesten Platz des Pelourinho, den Largo Terreiro de Jesus, mixen junge Frauen und Männer Caipirinhas, verteilt auf Plastikbecher und im Geschmack ganz unverfälscht. Inzwischen löst der Wodka oft den Cachaça ab, und die Limette tauscht mit der Erdbeere. Was bleibt, ist das Pochen im Blut, das Vibrieren im Körper.

Mit den ersten Geräuschen von der kleinen Bühne mit Holzboden und Zeltabdeckung drängen die Menschen nach vorne. Fünf junge Typen aus Bahia treten ins Licht, stellen sich als Na Varanda vor. Einer trommelt, elektronische Beats kommen dazu, alle singen, es ertönt eine Trompete. Samba verschmilzt mit Hip-Hop, Jazz mischt sich unter Töne aus dem fernen Afrika. Scharen von Frauen in knappen Shorts lassen sinnlich ihre Hüften kreisen und ziehen die Blicke auf sich. Am Rand steht eine Gruppe Jungs mit dunklem Teint, einige haben Dreadlocks. Sie tragen kurze Hosen, lachen und werfen sich verschmitzte Blicke zu. "Nach dem Training komme ich gern hierher", sagt Caio Vieiras und nippt an seinem Bier. Er spielt Fußball für eines der örtlichen Teams. "Ich beobachte die Leute, genieße die Musik, schaue mir die Mädchen an und ziehe mal eines aus der Menge." "So sind wir Baianos", sagt er und grinst. Wem die Bilder noch nicht zu Kopf gestiegen sind, der lässt sich von dem Duft des heißen Palmöls leiten. Darin frittieren die Straßenverkäuferinnen ihre "Acarajés" - die Bällchen aus schwarzem Bohnenmus und Zwiebeln isst man aufgefüllt mit Shrimps und Tomatensalat. Daneben spielen Kokos, Fisch und Okraschoten eine wichtige Rolle in der bahianischen Küche. Der Einfluss aus Afrika spiegelt sich klar wider.

Zwischen den Tischen und Stühlen aus Plastik huschen Straßenkinder umher - ohne Schuhe, aber mit einem Lachen im Gesicht. Beinahe unbemerkt binden sie den Menschen kleine bunte Bändchen mit drei Knoten um die Handgelenke. "Jeder Knoten steht für einen Wunsch. Wenn das Bändchen abfällt, sind die Wünsche in Erfüllung gegangen", erklärt ein Straßenjunge von sechs Jahren. "Lembrança do Senhor do Bonfim" steht auf den Bändchen. Der Senhor do Bonfim ist Jesus Christus mit Oxalá, dem höchsten Gott der Naturreligion Candomblé, beide vereint in einer Instanz.

Der Straßenjunge lacht und streckt die Hand aus. Unter dem sternenklaren Himmel und der lauen Luft überschlagen sich die Eindrücke. Alles wirkt. Die gelb, blau und orange getünchten Fassaden umseitiger Bauten, der Schlag der Trommeln, der Duft von Palmöl und Kokos. Der Cachaça pocht im Blut - die Limette kitzelt in der Nase. Der Abend ist noch nicht vorbei.