Auf einer Tour durch Botswana, mit dem Boot oder zu Fuß, ist das Nachtlager immer dabei und der Wake-up-Call pünktlich - dafür sorgt die Tierwelt.

Botswana. Stefan Scholvin ist ein ausgesprochen mutiger Mensch. Ein Typ Mann, wie er vor Jahren in Deutschland ausgestorben ist: kahlköpfig, mit sicherem Lächeln, der Kippe im Mundwinkel. Ein Bilderbuchmacho, der auf alles und jede Situation eine Antwort hat und noch immer nach John Wayne lebt: "Mut ist, wenn man Todesangst hat, sich aber trotzdem in den Sattel schwingt." Geboren ist er in Namibia, ein Kind Afrikas also, und für die kommenden Tage unser Guide. Man mag ihn nicht auf Anhieb, fühlt sich aber in seiner Gegenwart wohl, weil er Sicherheit ausstrahlt. Auf einer Camping-Safari durch Botswana.

Die Gruppe: vier Männer, sechs Frauen - und Stefan. Dazu Richard und Captain, unsere Bootsführer. Sie holen uns in Maun ab, dem Einfallstor zum Okavango-Delta. Wir beladen die Boote mit Zelten, Schlafsäcken, Brennholz, Wasser, Bier, Steaks, einfach allem, das wir benötigen könnten, denn es geht in eines der letzten großen Tierparadiese Afrikas, in die Wildnis des Okavango.

Das Delta liegt im Nordwesten Botswanas. Mit mehr als 15 000 Quadratkilometer Fläche ist es das größte Binnendelta der Welt. Der Okavango entspringt dem Benguela-Plateau im Hochland Angolas und fließt 1430 Kilometer, bis er irgendwo in der Kalahari versickert.

+++Botswana - Der ganze Zauber Afrikas+++

Wir fahren Richtung Norden, alle in einem Boot, im anderen thront Stefan hoch oben auf den zusammengerollten Schlafsäcken, er hält uns den Rücken frei und seinen dabei schön weich. Wie die Wahrheit hat auch das Delta zwei Gesichter. Das sanfte mit seinen Seerosen, weißen wie lilafarbenen, nach gut einer Stunde Fahrt das raue mit meterhohem Schilf. Die Wasserstraße wird immer enger mit Abzweigungen in alle Richtungen, kein Navi, nur die Erfahrung hilft einem hier wieder heraus.

Je weiter wir nach Norden vordringen, desto schwieriger wird es mit dem Motorboot. An manchen Stellen ist das Wasser gerade noch eine Handbreit tief. Immer wieder bleibt die Schraube im Schlamm stecken. Von rechts beobachtet uns eine Hippo-Familie. Einer taucht ab, und Captain gibt eilig Gas. Vor Nilpferden haben selbst Einheimische großen Respekt. Wenn sie tauchen, droht Ungemach.

Zwei Tonnen, vier Meter, scharfe Schneidezähne. So niedlich die Kolosse auch aussehen, wenn nur Augen und Ohren aus dem Wasser blitzen - sie sind ungemein gefährlich. Streng achten sie darauf, dass niemand in ihr Revier eindringt. Tut man es doch, greifen sie ohne jede Vorwarnung an. Besonders gefährdet sind Boote wie unseres, die mühelos umgekippt werden können. Jedes Jahr werden im südlichen Afrika mehr Menschen von Hippos getötet als von allen anderen Tieren zusammen.

+++Büffel, Elefanten, Löwen: Mehr Auslauf für Afrikas Wildtiere+++

Langsam geht die Sonne unter, wir sind fast sieben Stunden unterwegs, als Captain das Boot auf eine kleine Landzunge zusteuert. "Dort drüben ist unser Camp!" Eine der Frauen sagt: "Camp? Ich sehe nichts." Beim Ausladen der Sachen sagt Stefan: "Hier vorne kommt die Küche hin, ansonsten könnt ihr eure Zelte aufstellen, wo ihr möchtet." Einigen wird erst jetzt bewusst, worauf sie sich eingelassen haben, manche werden nervös. Zumal Stefan sagt: "Hier sieht der Mensch nur zehn bis 20 Prozent der Tiere, von denen er gerade gesehen wird." Das Abenteuer hat begonnen.

Mittlerweile ist es stockdunkel, wir sitzen mit Stirnlampen an einem langen Tisch und kämpfen mit Ungeziefer. Ein ungleicher Kampf, denn die Tiere sind deutlich mehr, raffinierter und mit der Dunkelheit vertrauter als wir.

+++Captain Mikes afrikanisches Traumschiff+++

Stefan hat auf einem Rost über dem Lagerfeuer Lammkoteletts gebraten und einen Salat zubereitet. Die wilde Romantik leidet ein wenig unter den ungewohnten Geräuschen aus der Ferne. Angst entsteht im Garten der Dunkelheit, und wir sitzen in diesem Augenblick mittendrin. Immer wieder muss einer von uns wenigen Männern eine der Damen zum Klo begleiten. Stefan hatte ein Loch in die Erde gegraben, eine echte Toilette daraufgestellt, daneben einen Eimer Sand. Dann schlug er ein schmales, hohes Zelt darum auf.

Wir sind extrem mutig in dieser ersten Nacht, nicht unbedingt jeder für sich, aber alle zusammen. Mut und Emotion liegen eng beieinander. Auch wer zugibt, dass er Angst hat, ist auf seine Art mutig. Also ist es auch Angela, eine zierliche Frau, die ihr Zelt bis auf wenige Zentimeter an meines gebaut hat, fast wie eine Doppelhaushälfte.

Die Nacht endet kurz nach fünf mit lautem Geschrei. Paviane sind in Afrika so etwas wie Hähne bei uns. Sie werden Wake-up-Call genannt, weil sie mit Sonnenaufgang anfangen zu toben. Sie rennen und springen umher, kreischen, rütteln an Ästen. Bis auf einen von uns, der am Vorabend seine Angst mit Rotwein abgetötet hat, werden alle wach. Wir frühstücken und machen uns auf den Weg ins Dorf Xaxaba. Von den ehemals 350 Einwohnern sind noch 150 geblieben, der Rest zog in die Stadt. Den Kindern zuliebe, denn Xaxaba verfügt über keine Schule, nur eine Bar. Die jungen Männer im Dorf lernen jagen, Boote bauen, einen Acker bestellen, einen Feuerplatz herrichten und trinken. Dann sind sie erwachsen und können eine Familie gründen.

+++Dieses Haus ist ganz aus Bambus gebaut+++

Elefanten lieben die Früchte des Schakalbeerenbaumes - irgendwann reißen sie den Stamm um, und der Mensch baut daraus ein Einbaumboot. Für den Bau eines solchen Mekoros braucht ein starker Mann etwa zwei Monate. Wir gleiten darin ein paar Kilometer das Delta hinab, hinein in eine atemberaubende Stille. Ich empfinde den Moment der Ruhe wie einen geistigen Striptease. Hinter mir im Wasser liegen meine Gedanken wie Hemd, Jacke und Hose. Jedes Wort wäre jetzt ein Wort zu viel. Irgendwo hinter dem Schilf liegt Land, wir legen an. Fußsafari - und John, ein junger Mann aus Xaxaba, der uns führt, sagt: "Wenn wir Löwen treffen, schön eng zusammenbleiben. Sie werden durch unsere vielen Gerüche verwirrt und verlieren das Interesse. Nur wenn wir auf Hippos oder Büffel treffen, rennt bitte alle los und klettert auf den nächsten Baum." John ist unbewaffnet. Kein Gewehr, keine Machete, nur die Weisheiten seines Vaters, Großvaters, Urgroßvaters in der Tasche. Auf gefährliche Tiere treffen wir an diesem Tag nicht. Dafür haben drei Elefanten unsere Camp-Küche zu ihrer Toilette gemacht. Als wir zurückkehren, knabbern sie nur ein paar Meter entfernt Blätter von den Bäumen.

Wer sich als Abenteurer versuchen will, der wird von einer Camping-Safari fasziniert sein. Man erlebt Mensch, Tier und Natur in einer seltenen Ehrlichkeit. Wer gläubig ist, wird sich Gott so nah fühlen wie nie zuvor. Wer mit anderen reist, wird meinen, sie nach wenigen Tagen besser zu kennen als langjährige Freunde. Man beschäftigt sich mit einfachen Dingen und hat den Kopf frei. Das Schönste aber bleiben nach Einbruch der Dunkelheit die Millionen Glühwürmchen über dem Okavango.