Eine elsässische Reederei bietet ein Stück Luxus auf Flusskreuzfahrten über Garonne, Dordogne und Gironde. Letzte Station ist der Weinort St. Émilion.

Ein dünner Wasserfilm umschmeichelt die erhitzten Füße. Die Welt scheint kopfzustehen. Zwar darf hier, am Ufer der Garonne, zur blauen Stunde dunkelroter Bordeaux die Gläser füllen, den Gaumen verwöhnen und die Gemüter anfeuern, aber das Zerrbild mit dem leichten Wellenschlag hat einen anderen Grund: Die klassizistische Stadtkulisse von Bordeaux spiegelt sich in einem fußballfeldgroßen Areal.

Benötigt man für gute 100 Flusskilometer ein Schiff? Nein, aber es ist ein Stückchen Luxus, so wie der abendliche Rotwein, das Käsebrett nach dem Dessert und die Kreuzfahrt an sich. Die elsässische Reederei CroisiEurope hat eines ihrer Schiffe in Bordeaux platziert. Von hier aus unternimmt die "Princesse d'Aquitaine" mehrtägige Rundreisen und lehrt ihre internationalen Gäste die ungeschriebenen Gesetze des französischen Savoir-vivre.

130 Passagiere aus vielen Ländern Europas haben sich eingeschifft. Obgleich die Prinzessin den Bug dem Atlantik zuwendet, muss sie gegen die Strömung kämpfen: Die Atlantik-Tide drückt das Wasser stromaufwärts.

+++Unterwegs auf dem Fluss mit Genuss+++

Pouillac, der erste Stopp. Uralte Steinwände in warmem Ocker reflektieren die Nachmittagssonne. Außerhalb der Stadt kündigt ein Türmchen, das über den nächsten Hügel lugt, ein Chateau an. Derer gibt es viele, prächtige Landsitze, auf denen Wein gekeltert wird. Zwischen ihnen liegen Rebstöcke, so weit das Auge reicht. Touristen sind auf den Weingütern gern gesehene Gäste. Ein Rundgang durch das Kellerparadies unendlich scheinender Weinfässer weckt den Wunsch, eine Nacht hier gefangen zu sein. Zur Verkostung werden einige Fässer direkt angestochen. Bordeaux at its best - Pardon: dans les meilleures conditions.

Beim Dinner zeigt die "Princesse d'Aquitaine", wie elsässische Küche ihre Gäste verwöhnt. Ohne feste Sitzordnung im Restaurant findet man sich zu lockeren Tischgesellschaften zusammen, um frische Salate, ein Häppchen Quiche, Poulardenbrust, Merengue und Roquefort zu naschen. Sieben gute Weine sind inkludiert und werden augenzwinkernd nachgeschenkt. Da ist sie wieder, die Reduktion aufs Wesentliche: Brotteller sind nicht aufgedeckt, aber knusprig frisches Baguette steht bereit. Man behilft sich mit einer zweiten Serviette. Nicht wenige Franzosen kramen freundlich ihr Englisch hervor, um zu fragen, woher ihr Tischnachbar kommt. Und der Unglücksrabe aus Deutschland, der im Bus aus Versehen einer Französin den Platz wegnahm und einen Rüffel einsteckte, erlebt ein ganzes Defilee von Mitreisenden, die bitten, den Fauxpas zu entschuldigen, und die "Amitié franco-allemande" - die Freundschaft - beschwören.

Am Ufer gegenüber liegt Blaye. In dem winzigen Hafen, der bei niedrigem Wasserstand trockenfällt, liegen Motorboote, Yachten und Fischkutter. Darüber thront eine mächtige Festung. Die Krone ihrer schroff zum Ufer abfallenden Mauer ist der beste Aussichtspunkt auf den Fluss. Dordogne und Garonne haben sich zu dem mächtigen Strom Gironde vereint. Die "Princesse d'Aquitaine" liegt an einem Schwimmponton weit draußen im Fluss. Dort bleibt sie bis zum Morgengrauen. Zeit, in einer gemütlichen Bar zwischen alten Männern beim Kartenspiel und der Dorfjugend am Flipperautomaten einen guten Rotwein zu trinken.

+++Sinnlichkeit zwischen Welterbe und Weinkultur+++

Später, nach der Rückkehr an Bord, erzählt Kreuzfahrtdirektorin Sandrine begeistert von der Crew-Show. Die haben die späten Landgänger verpasst. "Macht nichts! Hauptsache, es war schön", freut sich Sandrine. Savoir-vivre kennt keine Regularien. Vielleicht ist das der Grund, dass nicht jeden Tag ein gedrucktes Tagesprogramm auf der Kabine liegt?

Die Landschaft hat sich verändert. Die überhängenden Bäume am Ufer scheinen zum Greifen nahe. Die gepflegten Wiesen vor den Chateaux fallen ab bis ans Ufer. Weiße Sprossenfenster zwischen altem Bruchstein, Veranden und Laubengänge zieren das Anwesen. Die Prinzessin ist eingebogen in den Lauf der Dordogne, schmaler als die Garonne bei Bordeaux. Wieder sind Weinstöcke die einzige Bepflanzung dazwischen. Ein Reisender aus dem Rheintal steht an der Reling und schaut sie staunend an, denkt er doch an die steilen Hänge in den Weinbergen daheim. Zur Abwechslung kommt kein Chateau, sondern ein kleines, feines Landhaus. "Dat is nur en Schatö'chen", bemerkt der Rheinländer trocken.

Die "Princesse d'Aquitaine" dreht gekonnt vor dem Anleger von Libourne. Ein Ausflug bringt die Reisenden tiefer in das Tal, das die Dordogne ausgeschnitten hat, und schließlich nach St. Émilion. Ein Weinort, wie man ihn sich vorstellt: Kopfsteinpflaster und Treppen, Weinpressen hinter uralten Holztüren. Merlot und Cabernet-Sauvignon werden direkt verkauft. Die Rebstöcke stehen, von niedrigen Steinwällen gehalten, an steilem Hang. Für den letzten Abend an Bord wird noch reichlich eingekauft.

Das Sonnendeck ist gesperrt, zu eng streichen die schweren, eisernen Straßenbrücken darüber hinweg. Glutrot lugt die Sonne durch ihre Pfeiler. Die Passagiere drängen sich auf der Außenpromenade, das gleißende Abendlicht spiegelt sich in den Scheiben des Salons und gibt dem Bordeaux in den Gläsern ein unwirkliches Funkeln. Im Steuerhaus schaut man nervös auf die Uhr. Der steigende Pegel droht die Brückenpassagen zu verhindern. Die Passagiere nehmen es gelassen. Für sie beginnt die Zeitrechnung erst morgen wieder.