In Nyksund, einer ehemaligen “Geisterstadt“ in Norwegen, siedelte sich vor zehn Jahren auch ein Therapeut aus Celle an. Er eröffnete ein kleines Hotel.

Rund 2000 Kilometer Straße liegen zwischen Oslo und Nyksund. Wer heute von der norwegischen Hauptstadt zum kleinen Hafenort auf den Vesterålen fährt, benötigt für die Strecke fast einen ganzen Tag. Als Ingo Hammerich 1991 mit einem Wohnmobil zum ersten Mal auf die Nordatlantikinseln kam - die viele auch die Nordlofoten nennen -, musste er noch mehrere Reisetage bis Nyksund einplanen. Andererseits: So richtig geplant war der erste Besuch des gebürtigen Hamburgers in Nyksund nicht. "Wir wollten den Norden kennenlernen. Aber dass ich immer wiederkommen und dann sogar bleiben würde, konnte ich natürlich nicht ahnen", sagt der drahtige 52-Jährige.

Vor 20 Jahren hatte Nyksund vor allem hierzulande den Ruf einer "Geisterstadt". Bis Mitte des 20. Jahrhunderts war der Naturhafen an der Westküste der zweitgrößte Fischereiort auf den Vesterålen. Zur Dorschsaison von Januar bis April lebten dort Hunderte Fischer. In den 1960ern wurde der Hafen zu klein für die immer größeren modernen Trawler. Die Politik entschied sich für die Aufgabe zahlreicher kleiner Küstenorte und den Bau neuer, architektonisch schlichter Hauptorte - in diesem Fall das nahe gelegene Myre. Nyksunds Bewohner erhielten staatliche Umzugsprämien mit der Auflage, 30 Jahre nicht in ihr Heimatdorf zurückzukehren. 1972 wurde es still in Nyksund. Die gut ein Dutzend Fischerhäuser, teils schon seit Jahren nicht mehr gepflegt, verfielen zusehends.

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"Die Wende kam in den 80ern", sagt Hammerich. "Auf einer Urlaubsreise entdeckte ein deutscher Sozialarbeiter Nyksund. Nach und nach brachte er mit internationalen Jugend-Ferienprojekten wieder Leben in die alten Gebäude." So kamen zunächst wochen- und monatsweise Menschen zurück in den Ort nördlich des Polarkreises. Ab den 1990ern blieben dann die ersten Neu-Nyksunder ganzjährig. "Die erste Hippiegeneration", nennen die heute etwa 20 Einwohner diesen Neuanfang der meist aus Deutschland stammenden Aussteiger liebevoll.

Bis Ingo Hammerich in Nyksund blieb, vergingen zehn Jahre und ebenso viele Urlaube am Nordmeer. Die Gedanken an einen Umzug wurden immer stärker. Im Herbst 2002 gab der Psychotherapeut seinen Wohnsitz in Lüneburg und seine Praxis mit Schwerpunkt Kindertherapie in Celle auf, um Nysksunder zu werden. Er zog in eines der maroden Hafengebäude ein, die wegen ihrer Lage am Kai "Bryggen" heißen. Das nach einem Brand 1934 neu erbaute Haus diente einst als Kontorhaus der "Dampskipsekspedisjon" für den Export von Fisch nach ganz Europa.

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"Meine Freunde hielten mich für verrückt, dass ich das verfallene Gebäude wieder aufbauen wollte", sagt Hammerich heute. Gut fünf Jahre und ungezählte norwegische Kronen investierte der Norddeutsche zwischen 2003 und 2008 in sein Projekt. Heute präsentiert sich "Nyksund Ekspedisjonen" als Mini-Hotel mit Restaurant und Café für Besucher, die immer noch zehn Kilometer Schotterpiste überwinden müssen, um hierherzukommen. Immerhin 20 000 Neugierige tun dies jährlich, die meisten zwischen Juni und August. In Hammerichs "Ekspedisjonen" können sie in neun gemütlichen Zimmern mit insgesamt 19 Betten übernachten.

Doch die Abenteuerlust Ingo Hammerichs klingt nach der Vollendung seines Projekts "Ekspedisjonen" allmählich ab. Nach dem endlosen norwegischen Sommer mit seinen taghellen Nächten wird der Geisteswissenschaftler seine norwegische Wahlheimat Richtung Norddeutschland verlassen und sein Hotel übergeben.

Mehr Infos: Nyksund Ekspedisjonen, Postfach 502, N-8439 Myre/Nyksund, Tel. 0047/76 13 27 00, www.nyksund.biz