Die Galapagosinseln bieten eine zauberhafte Kuriositäten-Show der Natur. Damit der Archipel seinen Zauber bewahrt, muss der Tourismus reguliert werden.

Natürlich schwindelt er ein wenig. Als ob man hier, 177 Jahre nach dem Besuch von Charles Darwin, mal eben en passant noch eine neue Art entdecken könne. Oder als ob eine Fahrt ins Ungewisse anstünde, voller Gefahren. "Das ist keine normale Reise", sagt Socrates Tomala bei der Begrüßung seiner Gäste, "wir sind hier auf einer Expedition." Der Naturkundler ist Chef-Guide der Luxusyacht "Isabela II" und trägt den stolzen Titel "Expedition Leader". Ganz die Unwahrheit sagt er aber nicht. Die Tour der Passagiere findet zwar im komfortablen Kokon statt: Nach den Inselausflügen warten Drinks und eine klimatisierte Kabine. Doch auf den Galapagos darf sich jeder Besucher noch heute als Entdecker fühlen.

"Islas encantadas" nennen Schwärmer den Archipel, "verwunschene Inseln" in der Weite des Pazifiks. In den Korallenwäldern unter und den Kakteenwäldern über Wasser, in den Vulkankratern und Lagunen, an den Stränden und in der Luft gibt die Natur eine Freak-Show, 365 Tage im Jahr. Direkt am Äquator watscheln Pinguine neben Flamingos über Lavafelder. Beim Schnorcheln erschrecken einen die Kobolde der Finsternis: pechschwarze Meerechsen mit scharfen Krallen, die zum Frühstück allerdings keine Hammerhaie verschlingen, sondern als Vegetarier nur Algen abweiden.

Ein selbstbewusster Blaufußtölpel balzt, weil er anscheinend die Schnürsenkel der Wanderschuhe ziemlich sexy findet. Dinosauriergleich starren einen später Drusenköpfe an, Landleguane, die furchterregend aussehen, aber selbst ohne Furcht sind. Respekt hat einzig die Art Homo sapiens, wenn plötzlich ein paar junge Seelöwen angerobbt kommen, die vielleicht nicht nur spielen wollen. War Charles Darwin ähnlich aufgeregt, als er 1835 mit der HMS "Beagle" eintraf?

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Er hatte zumindest nicht so viel Gesellschaft wie die heutigen Besucher. 2011 kamen 185 000 Touristen, wieder einmal ein neuer Rekord. Um sich das Logo des Galapagos-Nationalparks in den Pass stempeln zu lassen, muss man keine Luxuskreuzfahrt mehr buchen: Auf den vier bewohnten Inseln gibt es Zimmer mit Klimaanlage und Bad schon für 15 Dollar - da können auch Backpacker mit knappem Budget einige Zeit ausharren. Der Außenposten Ecuadors ist demokratisch geworden. Steigen die Besucherzahlen weiter wie bisher, werden in acht Jahren 400 000 Touristen die Inseln besuchen - zehnmal mehr als 1990. Und die Ecuadorianer folgen: Inzwischen leben 26 000 Menschen permanent auf dem Archipel - in den 50er-Jahren waren es nur ein paar Hundert.

Die Unesco hatte den Tourismusboom schon vor Jahren kritisiert und die Galapagos für einige Jahre auf die Rote Liste des bedrohten Welterbes gesetzt. Inzwischen ist die Zahl der Kreuzfahrer begrenzt. Darüber hinaus sind auf dem Wasser auch die Vorschriften streng. Auf der Brücke der "Isabela II" hat Kapitän Richard Robalino die Uhr ständig im Blick: Seine Gäste müssen stets pünktlich wieder an Bord sein, dann geht es weiter zur nächsten Station. "Die Nationalparkverwaltung schaut uns genau auf die Finger: Wir werden per Satellit überwacht, ob wir Route und Zeitplan einhalten." Fürs ganze Jahr ist seine Tour durch den Archipel exakt geplant: Er darf denselben Ort innerhalb von 14 Tagen nur einmal besuchen. So betreten immer nur so viele Besucher die Inseln, wie es das jeweilige Ökosystem verträgt.

Die Nationalparkguides nennen vor dem Landgang die klaren Regeln: "Kein Essen mitnehmen, nichts anfassen, nichts mitnehmen - und immer auf dem Weg bleiben." Alle Galapagos-Schiffe tanken schwefelarmen Schiffsdiesel und fahren nicht mit Schweröl. "Wir haben eine Kläranlage für das Abwasser an Bord. Gerade haben wir sogar unsere Lampen ausgetauscht, um nachts weniger Insekten anzuziehen", sagt Kapitän Richard Robalino. Wer gegen das Regelwerk verstößt, verliert die Lizenz. Dabei leisten alteingesessene Gesellschaften sogar mehr, als sie müssten. Mit Naturschützern und dem Nationalpark haben sie Methoden zur Trennung von Müll und Verwertung von Altöl erarbeitet.

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Schwieriger ist es dagegen, den boomenden Tourismus an Land zu kontrollieren. Heute gibt es doppelt so viele Betten auf den Inseln wie auf dem Wasser. Doch die Gemeinden haben weder eine verlässliche Trinkwasserversorgung noch flächendeckende Kläranlagen. "Wir reinigen unser Abwasser. Es ist danach so sauber, dass wir es für die Bewässerung des Gartens nutzen können", sagt Roque Sevilla, dessen Firma Metropolitan Touring das Schiff "Isabela II" betreibt und das Finch Bay Eco Hotel in Puerto Ayora besitzt. "Bei fast allen anderen fließt das Abwasser ungeklärt in die Erde - und irgendwann ins Meer."

250 Nationalparkmitarbeiter wachen inzwischen übers Wohl des Ökosystems - das Eintrittsgeld der Touristen ist die Haupteinnahmequelle. Washington Tapia, Nationalparkdirektor für Naturschutz, bereitet der wachsende Besucherstrom trotzdem Probleme. 1642 eingeschleppte Arten bedrohen die heimische Tier- und Pflanzenwelt. "Erst hatten wir Probleme mit verwilderten Rindern, Ziegen und Hunden - das waren Hinterlassenschaften der ersten Siedler. Mit großem Aufwand konnten wir die Tiere einfangen und einige Inseln in ihren Urzustand zurückversetzen", sagt der Direktor. Sein Job ist nun ungleich schwieriger. "Wie sollen wir ankämpfen gegen eingeschleppte Feuerameisen, die Vögelküken auffressen? Wie sollen wir Pinguine schützen, die plötzlich an Malaria sterben?" Zwar bemüht sich der ecuadorianische Staat: An Airports und Häfen werden Gepäck und Fracht kontrolliert - doch meist nur mit einem flüchtigen Blick. Effektive Kontrollen wie in Australien und Neuseeland gibt es noch nicht auf den Galapagos.

Tierpfleger Fausto Llerena arbeitet in der Charles-Darwin-Forschungsstation von Puerto Ayora und trägt eine schwarze Schleife am Hemd - jüngst ist sein Schützling Lonesome George gestorben. Llerena hatte 1971 an einer Expedition auf die Insel La Pinta teilgenommen und dort die Riesenschildkröte entdeckt. Über 20 Jahre lang hat der 72-Jährige das berühmte Reptil, das letzte Exemplar der Unterart Abingdoni, mit dessen Lieblingsblättern gefüttert. "Er war ein ruhiges Tier, weniger aggressiv als andere Riesenschildkröten", sagt Llerena mit leiser Stimme. "Mich hat er immer sofort erkannt."

"Der Tod von Lonesome George ist ein Symbol für das Artensterben und sollte alle Zuständigen aufrütteln", sagt Washington Tapia. "Wir müssen gemeinsam eine nachhaltige Strategie für die Galapagosinseln entwickeln." Erste Schritte werden schon diskutiert: Noch produzieren Dieselgeneratoren den Strom für die Inseln - bald schon könnten Solarzellen und Windräder die nötige Energie liefern. Auf der Insel San Cristóbal gibt es inzwischen die erste moderne Kläranlage, weitere sind bereits in Planung. Reiseveranstalter und Hoteliers fordern schärfere Regeln zum Wohl der Umwelt - und überlegen sogar, ob eines Tages der Zugang zu den Inseln beschränkt werden könnte, wie es der Kleinstaat Bhutan praktiziert. "Die Inseln sind ein Laboratorium der Evolution", sagt Roque Sevilla. "Jetzt müssen wir aus ihnen wieder ein Laboratorium machen und zeigen, wie Tourismus und Naturschutz Hand in Hand gehen können."