Rheinsberg in Brandenburg feiert in diesem Jahr gleich zwei Jubiläen: den 300. Geburtstag Friedrichs II. und 250 Jahre Keramikproduktion.

Friedrich als Prinz. Friedrich als Träumer. Friedrich als Philosoph. Friedrich als General. So weit, so gut! Nichts Aufregendes, möchte man meinen, wo in diesem Jahr doch alle Welt mit großem Buhei den 300. Geburtstag des Großen Fritz begeht. So natürlich auch Rheinsberg: Im malerisch am Grienericksee gelegenen Schloss hatte der Kronprinz von 1736 bis 1740 nach eigenem Bekunden schließlich die glücklichsten Jahre seines Lebens verbracht.

Der Clou an den vier zierlichen Friedrich-Podestvasen: Sie sind allerliebst ausgeführt in feinstem Achat-Porzellan und verbinden so auf künstlerische Art das eine große Jubiläum mit einem zweiten. Denn 1762 gründete Prinz Heinrich von Preußen, der jüngere Bruder des Königs, in dem brandenburgischen Ackerbürgerstädtchen eine fortan prosperierende Fayence-Manufaktur - der Auftakt für 250 Jahre Keramik- und Steingutproduktion in Rheinsberg.

+++Ein Keramikbecher verändert das Weltbild+++

Wie kaum ein anderer kennt sich Hendrik Schink in diesem Metier aus. Zum Ersten, weil er selbst ein Könner ist und in eigener Porzellanwerkstatt neben klassischen Formen auch fantasievolle Figuren wie die Friedrichköpfe erdenkt, entwirft, formt, glasiert und brennt. Zum Zweiten, weil er als Gründer, Betreiber und Leiter des Rheinsberger Keramikmuseum so tief in der Materie steckt, dass er zu wirklich jedem seiner 600 Exponate eine Geschichte in petto hat und nachhaltig bedauert, aus Zeitgründen nur Fragmente davon an die Besucher bringen zu können. Auf seinem amüsanten und ungemein lehrreichen Parforceritt erfährt man zum Beispiel, dass mit Napoleons Kontinentalsperre der Siegeszug von Rheinsberger Teegeschirr auf dem englischen Markt begann. Welchen Anteil der junge Humboldt daran hatte, dass die Manufaktur zur modernsten und leistungsfähigsten Steingutfabrik in Preußen wurde. Oder welch fatale Folgen Mitte der 1960er-Jahre ein Parteibeschluss hatte, demzufolge von Weltklasse-Design wie bis dahin nun auf billige Massenware für die schnelle Westmark umgestellt wurde.

Im einstigen Spritzenhaus wimmelt es von Raritäten aus drei Jahrhunderten: Teekannen mit Stahldruckdekor, Walzenkrüge, Kakaokannen, Zierkeramik mit Golddruck, Zwiebelmuster, Schattenriss - oder Schwämmeldekor. Art-déco-Stücke und Designer-Keramik aus den 1920er-Jahren, ja sogar einen keramischen Bettwärmer gibt es hier, der über zwei Kontakte direkt an der Steckdose "heiß" gemacht wurde. Der Klassiker - das in alle Welt exportierte braune Teegeschirr mit den zwei markanten gelben Streifen - animiert Schink zu einem Exkurs zum Thema Galgendrehverfahren, womit Stückzahlen von 800 Teekannen pro Tag hergestellt werden konnten.

Anhand einer Fayence erzählt er die Geschichte vom französischen Kriegsgefangenen Jean, dem 1944 die Flucht aus der Zwangsarbeit in einem mit Tassen und Stroh vollgepackten Waggon gelang. Und die Tortenplatte eines Kaffeegeschirrs erinnert ihn an eine alte Dame, der nach dem Krieg angesichts des guten Stücks jedes Mal das kalte Gruseln kam. Denn je mehr von der dekorativen Platte zu sehen war, desto weniger Kuchen war übrig für die hungrigen Kinder.

Keramik wird in Rheinsberg noch immer in großem Stil hergestellt. Platzhirsch Carstens-Keramik mit über 100-jähriger Tradition produziert heute in beachtlichen Stückzahlen für den deutschen und skandinavischen Markt - vor allem die Teekannen und Namenstassen in typischem Rheinsberger Blau gehen dort weg wie warme Semmeln.

+++Speisen mit Friedrich und baden mit Fontane+++

Bei einer Werksführung kann man erleben, wie Pressen und Stanzen den Ton zu Bechern, Schüsseln und Tellern formen. Wie für Hohlgussteile wie Kannen, Krüge und Stövchen flüssige Masse in Gipsformen gegossen und gehärtet wird. Wie geübte Hände gegossene Henkel an gestanzte Tassen fügen, filigrane Muster zaubern, transparente Glasuren auftragen. Kurzum: wie viel Geschick, Arbeit und Zeit nötig sind, um aus einer Stange Ton eine schöne Keramik herzustellen.

Auf hochwertiges Steinzeug hat sich ein paar Ecken weiter die Keramik-Manufaktur Dornbusch spezialisiert. "Steinzeug ist gut, Steingut ist Zeug", begrüßt uns Geschäftsführer Hans-Jürgen Naundorf mit einem zünftigen Spruch und erklärt sogleich auch die Unterschiede. Sein Qualitäts-Feinsteinzeug nämlich wird bei über 1200 Grad aus speziellem Ton gebrannt. Bei diesen hohen Temperaturen sintert das Material extrem dicht zusammen. Ergebnis: ein außerordentlich fester Scherben, bei dem es auch keinerlei Glasurrisse gibt.

Neben einer reichhaltigen Palette an 250 Formen und mehr als 30 Dekoren punktet Naundorf mit Deutschlands erstem und einzigem Keramikhotel - mit der Rezeption im Verkaufsraum und 35 Zimmern über der Manufaktur, die mit verschiedenen keramischen Accessoires bestückt sind. Frühstück gibt es selbstverständlich auch auf hauseigenem Keramikhotel-Geschirr, das manchem Gast so gut gefällt, dass er es sogleich in seinen Besitz überführt. Immerhin bleibt das Prunkstück des Hotels von solch frevelhaften Attacken verschont. Es wiegt nämlich 45 Kilo, fasst 90 Liter Wasser und ist nicht mehr und nicht weniger als die größte funktionsfähige Teekanne der Welt.

Einem ganz anderen Keramik-Universum begegnet man bei Karl Fulle. In seiner kleinen Galerie wird deutlich, wie weit sich ein wahrer Virtuose von traditionellen Vorstellungen über Keramik lösen und Fantasien materialisieren kann. Seine Objekte sind asymmetrisch, seine Gefäße verspielt, seine Figuren in Bewegung, seine Farben überaus leuchtend. Eine aufwendige Kiste, wie der freundliche Mann erklärt. Ganze viermal zum Beispiel muss aufgrund der komplizierten Glasur die auf trippelnden Füßchen stehende Teekanne mit himmelwärts aufragender Tülle und geringeltem Henkel gebrannt werden. Ein Klassiker, der hochkarätige Sammlungen und Ausstellungen ziert.

Zum Keramik-Jubiläum sind in Rheinsberg übrigens eine Reihe von Einzelprojekten und Extras geplant. So arbeitet Hendrik Schink zum Beispiel derzeit mit Hochdruck an einer großen Ausstellung zum Thema, so fertigt Hans-Jürgen Naundorf derzeit viele blaue Teekannenreliefs, die als Bodenwegweiser einen keramischen Pfad durch Rheinsberg markieren. Und dann wird es auch noch ein paar Überraschungen geben. Zu Friedrich, zur Keramik und zu beidem zusammen.