Stilvoll, aber unaufdringlich chauffiert der wieder belebte “Tren Al Andalus“ Reisende zu neun südspanischen Städten. Maximal 64 Passagiere dürfen mitreisen.

Acht Uhr am Morgen. Alejandro Serrano greift zur Glocke und macht sich auf den Weg durch die schmalen Gänge der sieben Schlafwagen des "Al Andalus". Alejandro ist Bord-Mechaniker. Doch von montags bis freitags übernimmt er auch den Weckdienst für die maximal 64 Passagiere des Touristenzuges, der auf seiner 800 Kilometer langen Rundreise durch Andalusien neun Städte ansteuert. Sevilla, Bahnhof Santa Justa. Die 15 neu renovierten beige-weinroten Waggons, die von zwei Diesellokomotiven gezogen werden, rollen auf Gleis 12 ein. "Tren Al Andalus" prangt in goldfarbenen Buchstaben über den Fenstern. Den Hauch von Luxus und Nostalgie spüren die Gäste erst im Innern des Zuges. Doch eigentlich ist alles ganz leger - das Personal genauso wie die Passagiere.

Während die Reisenden ihre Kabinen beziehen, sind die Köche Carlos und Angel mit der Zubereitung der ersten Mahlzeit an Bord beschäftigt. Außer zum Frühstück wird nur viermal im Zug gespeist. Ansonsten gibt es landestypische Mehrgängemenüs in ausgewählten Restaurants. Denn bei dieser Rundreise durch Andalusien geht es nicht nur um Landschaft und Kultur, sie ist auch ein kulinarisches Fest.

+++Wo der Blick bis nach Afrika reicht+++

Der "Al Andalus" wirkt gediegen, aber nicht plüschig. Die Wände sind mit unterschiedlichen Hölzern - Kirsche, Platane, Zeder - getäfelt, die beiden Restaurantwagen und die Bar Giralda in dunkelroten Farben möbliert, der Teesalon Medina Azahara, der TV und kostenlosen Internetzugang bietet, ist in Blautönen gehalten. Von den Decken und Wänden glitzern Chromverzierungen und Art-déco-Lampen. "Die vier Waggons stammen aus den Jahren 1928 und 1930", erzählt Zugchef Marcelino Cortés Martínez: "Sie wurden in Frankreich gebaut. Die britische Königsfamilie reiste darin einst von Calais ans Mittelmeer." Irgendwann wurden die Wagen nach Spanien verkauft. Eine private Gesellschaft betrieb den "Al Andalus" schon einmal von 1985 bis 2006. Dann standen die Räder einige Jahre still. Seit 2011 ist er im Besitz des Unternehmens FEVE. "Dies ist eine staatliche Schmalspurbahngesellschaft, die im Norden Spaniens bereits die Ein-Meter-Spurzüge 'El Transcantabrico' und 'La Robla' betreibt", erklärt Cortés.

+++Das Oktoberfest Spaniens: Die Feria de Abril in Sevilla+++

Córdoba ist nach Sevilla und Málaga die drittgrößte Stadt Andalusiens. Die Puente Romano mit 16 Brückenbögen führt über den Fluss Guadalquivir ins Stadtviertel Judería (Judenviertel) und zur "Moschee-Kathedrale" Mezquita. "Die maurischen Kalifen entwickelten Andalusien ab dem achten Jahrhundert zu einem Zentrum der muslimischen Welt. Ein Zeugnis dieser Zeit ist die Mezquita", erläutert Reiseleiterin Mercedes. Die Weiterfahrt ist erst für den nächsten Morgen geplant. Über Nacht bleibt der Zug immer in den jeweiligen Bahnhöfen, was den Schlafkomfort eindeutig erhöht. Die beiden Kabinenkategorien unterscheiden sich in Größe und Ausstattung. Die Luxus-Abteile sind geräumig und mit einem Doppelbett - tagsüber zum Sofa umfunktioniert - sowie einem hellen Badezimmer ausgestattet. Die Standardräume sind kürzer und dunkler. Sie verfügen über zwei getrennt stehende Betten. Das Bad ist nicht so großzügig gestaltet wie in der gehobenen Klasse.

Der Zug durchquert die Provinz Jaén. Olivenbäume erstrecken sich entlang der Bahngleise bis zur Bergkette am Horizont. Die Region gilt als weltgrößter Olivenölproduzent. Die Städte Baeza und Úbeda präsentieren ihre Renaissance-Bauten aus dem 16. Jahrhundert. Im Museo da la Cultura del Olivo dreht sich alles um die ovale Frucht. "Von November bis Dezember werden die zum direkten Verzehr geeigneten Oliven geerntet. Danach bis Februar diejenigen, die zum 'andalusischen Gold' und anderen Produkten weiterverarbeitet werden", sagt Mercedes.

+++Tanz mit mir in den Morgen+++

Der dritte Tag ist Granada, deren Namenspatron der Granatapfel ist, gewidmet. Hoch über der Stadt thront das Meisterwerk islamischer Architektur in Spanien, die Alhambra mit ihren weitläufigen Gartenanlagen, für deren Pflege über 100 Gärtner zuständig sind. Vom Restaurant San Nicolás im ältesten Stadtteil Albeicín aus betrachtet, wirkt die rote Festung im Abendlicht wie ein Gemälde.

Ronda, die Stadt mit der ältesten Stierkampfarena des Landes, wird am nächsten Morgen zu Fuß vom Bahnhof aus erkundet. Blutige Spektakel gibt es inzwischen nur noch zweimal im Jahr auf der Plaza de Toros aus dem 18. Jahrhundert. Stattdessen trägt der Wind sanfte Gitarrenklänge herüber. Sie stammen von Eugen, einem bekannten andalusischen Gitarristen, den es vor Jahren aus Weißrussland nach Ronda verschlug. Am Nachmittag ändert sich die Landschaft. Olivenbäume lassen Gersten- und Weizenfeldern den Vortritt. Cadíz am Atlantik ist erreicht. Jetzt an Bord des Zuges zu bleiben wäre ein Fehler, denn das Fischmenü im El Faro mundet vorzüglich. Die besten heißen Garnelen gibt es jedoch am folgenden Tag am Ufer des Guadalquivir in Sanlúcar de Barrameda in der Casa Bigote. Am Abend folgt die letzte Gelegenheit, im Barwagen Giralda die im Laufe der Reise angefutterten Kalorien zu Flamencoklängen abzutanzen.

Pünktlich um acht Uhr am nächsten Morgen lässt Alejandro dann ein letztes Mal die Glocke bimmeln. Zwei Stunden später rollt der beige-rote Lindwurm wieder in Sevilla ein.