Die guten Tropfen sind weltberühmt. Viele Deutsche haben sich hier ihren Traum vom eigenen Gut erfüllt und spielen mit in der ersten Liga

Kapdoktor nennen sie hier den südarktischen Passatwind, diese frische Brise, die vom nahen Atlantik stetig herüberweht und die Reben ordentlich lüftet. Zusammen mit der Sonne und den mineralstoffreichen Böden sind es drei natürliche Zutaten, die eine ziemlich perfekte Basis bilden für die mittlerweile berühmte südafrikanische Weinkultur. Dann erst kommt der Mensch. Der muss natürlich wissen, wie der doch recht komplizierte Vorgang des "Weinmachens" funktioniert.

Als der gebürtige Hamburger Lars Maack Anfang der 90er-Jahre sich mit gerade mal Mitte 20 dazu entschloss, "Buitenverwachting" zu managen, anstatt nach seinem BWL-Studium einen gut dotierten Job in Singapur anzunehmen, hatte er, wie er sagt "null Ahnung von der Materie". Sein Vater Richard hatte das heruntergewirtschaftete Gut mit dem arrogant anmutenden Namen ("Buitenverwachting" heißt übersetzt nicht weniger als "über alle Erwartungen") im Anbaugebiet Constantia, etwa 15 Kilometer außerhalb der Kapstädter City an der Südflanke des Tafelbergs, bereits 1980 per Handschlag in einer Bier- und Whiskybar gekauft. Seine Frau war allerdings nicht so begeistert von den 180 Hektar roterdigem Brachland mit dem renovierungsbedürftigen Gebäude-Ensemble im kapholländischen Stil aus dem späten 18. Jahrhundert - einem Ort jedoch von gewisser historischer Bedeutung. Denn "Buitenverwachting" war einst das erste Weingut direkt am Kap, gegründet von einem gewissen Simon van der Steel.

In den ersten Jahren war "Buitenverwachting" denn auch das sprichwörtliche Fass ohne Boden - die Mutter zog es bald in ihre Heimat nach Schleswig-Holstein zurück. Der Vater musste ihr wohl oder übel folgen -, doch da existiert auch das berüchtigte "Kapstadt-Virus", gegen das wahrscheinlich die wenigsten Menschen resistent sind. "Hast du dich erst einmal damit infiziert", sagt Lars Maack, "kommst du immer wieder ans Kap zurück. Oder du bleibst gleich ganz da." Heute, mit Mitte 40, ist Maack, ein gelassener, hemdsärmeliger Typ und zweifacher Familienvater, mehr als nur froh über seine Entscheidung, sich auf das Abenteuer eingelassen zu haben. Unter seiner Führung und mit der Kompetenz seines Kellermeisters Hermann Kirschbaum, ist "Buitenverwachting" längst zu einer "Grande Dame" geworden; zu einer der ersten Adressen für Sauvignon Blanc und vor allem für die berühmte Bordeaux-Cuveé mit deutlicher Tabaknote und dem liebreizenden Namen "Christine". "Das Pseudonym meiner Mutter", lächelt Maack spitzbübisch, "sie konnte ihren echten Vornamen Sieglinde halt noch nie leiden."

Die Weine, die "Buitenverwachting" produziert, räumen in jeder Saison internationale Preise ab. "Buitenverwachting" war das erste Weingut Südafrikas, das den organischen Weinbau praktizierte. Die Weinstöcke werden nicht künstlich bewässert, und die Rinderhaltung dient zur Gewinnung von Dung. "Pro Hektar ernten wir so höchstens fünf Tonnen Trauben", erklärt der Chef, "doch das garantiert eine besonders hohe Aromakonzentration."

Im Schnitt fahren rund 400 Gäste täglich über die prachtvolle Eichenallee auf das Weingut, um sich durch die Rebensäfte zu probieren; vor allem aber kommen sie auch hier heraus, um zu essen, zu genießen, zu relaxen. Denn so ganz nebenbei beherbergt "Buitenverwachting" eines der berühmtesten und sicherlich auch besten Restaurants in Südafrika, wobei die Gerichte, vorzugsweise aus fangfrischen Meeresfrüchten aber auch Springbock, Kudu oder Strauß zubereitet, nicht nur Sternequalität besitzen, sondern darüber hinaus im internationalen Vergleich verblüffend preiswert sind, Flaschenweine inklusive. So tauchen auch regelmäßig Rucksacktouristen auf und nehmen neben leicht blasiert wirkenden älteren Damen, verliebten Paaren oder erkennbar erfolgreichen Geschäftsleuten Platz; entweder auf der von duftenden Blumen und Sträuchern umsäumten Terrasse oder auf den weißen Stühlen auf der schattigen Wiese vor dem Haupthaus.

"Buitenverwachting" ist nur eines von vielen lohnenswerten Zielen jetzt, zur Weinlese im heißen Spätsommer auf der Südhalbkugel. Erstaunlicherweise haben sich hier viele Deutsche mit einer eigenen Weinfarm ihren Lebenstraum erfüllt. Manche, wie Ingrid und Alexander von Essen ("Capaia"), der Strumpffabrikant Peter Falke ("Peter Falke Wines"), Raphael Dornier, Enkel des legendären Flugzeugkonstrukteurs ("Dornier Wines") oder der Hamburger Reeder Roland Seidel ("Seidelberg Estate"), konnten dabei von Anfang an hohe Investitionen tätigen, um das geschmackvolle Hobby so rasch wie möglich zum lukrativen Geschäft auszuweiten. Andere, wie das deutsch-südafrikanische Ehepaar Caroline und Stephane du Toit, beide zwar Rechtsanwälte, aber ohne erwähnenswerten Geldspeicher versehen, sind nach eigenem Bekunden "bloß verrückt, besessen, wahrscheinlich aber wohl beides gewesen, um sich einen solch arbeitsreichen Klotz ans Bein zu binden, der Weingut heißt", sagt die blonde Mittvierzigerin, die in Hamburg-Klein Flottbek neben dem Poloplatz aufwuchs und in der Hansestadt auch ihre juristischen Staatsexamen bestand, bevor sie für eine internationale Anwaltskanzlei ans Kap ging, wo sie ihren Ehemann kennenlernte. Dessen südafrikanische Familie mit hugenottischen Wurzeln besaß zwar schon seit dem Jahre 1691 Erfahrung im Weinanbau, aber das hieß ja noch lange nicht, dass auch alle nachfolgenden Generationen über diese Kenntnisse verfügten.

Ihr überschaubares Weingut "Mont du Toit", romantisch gelegen am Fuße des Hawequas Berges bei Wellington, etwa eine Autostunde östlich von Kapstadt, ist das Kontrastprogramm zu der großzügigen, teilweise industrialisierten Luxuswelt der großen Farmen. Ein Restaurant gibt es hier nicht, doch Besucher sind natürlich stets willkommen. Auch wenn die Anfangszeit mühsam war, konnten die du Toits ihre ambitionierte Vorstellung von qualitativ hochwertigem Rotwein ganz konsequent umsetzen - und landeten mit dem "Mont du Toit" einen Coup: Seit 2001 zählen die Jahrgänge weltweit zu den besten 50 Rotweinen in der Preiskategorie unter 20 Euro. Inzwischen produziert "Mont du Toit" mit "Louisa's Wineyard" einen weiteren Spitzenrotwein exklusiv für die Sylter "Sansibar" in Rantum - dort, wo Carolines Familie ein Haus besitzt und wo die Wahlsüdafrikanerin "mindestens einmal im Jahr hinmuss".

Alle Weinfarmen sind in der Region um Kapstadt sowie den Weinzentren Wellington, Paarl, Stellenbosch und Franschhoek gelegen. Das macht das "Wine-Hopping" für den Reisenden zu einer bequemen Angelegenheit. Die Entfernungen sind so kurz, dass es sich nicht lohnt, mehrfach das Quartier zu wechseln. Das Hotelangebot in Kapstadt ist sowieso kaum überschaubar, und auch in der Region selbst gibt es eine Fülle von Übernachtungsmöglichkeiten: von der kleinen, gemütlichen Pension wie der "L'Avenier Country Lodge" bis hin zu Fünf-Sterne-Häusern wie dem "Grand Roche", der "Kleine Zalze" oder dem "Golfhotel Steenberg". Ein Mietwagen ist trotz des Linksverkehrs sinnvoll, aber wer das Abenteuer liebt, kann sämtliche Weinstädte von Kapstadt aus auch mit der "Metrorail" erreichen. Die spottbillige, dafür aber keineswegs ruckelfreie Fahrt in renovierungsbedürftigen Großraumabteilen, ermöglicht tiefe Einblicke hinter die schönen Kulissen eines fantastischen Urlaubslandes, in dem noch längst nicht alles fantastisch ist.

"Südafrika ist ein sehr spannendes Land", sagt Rolf Zeitvogel, Winzer und Verwalter auf "Blaauwklippen" bei Stellenbosch, einem der spektakulärsten Weingüter im Konzert der Großen, das nicht nur mit seinen Erzeugnissen, sondern auch mit dem angeschlossenen Spitzenrestaurant "Barouche" punktet. Das Gut befindet sich im Besitz der Münchener Schörghuber-Stiftung. Die "Blauen Klippen" wurden erstmals im Jahre 1682 erwähnt. Zeitvogel und sein Team haben das Weingut am Helderberg, das "Home of Zinfandel", mit seinen 80 Hektar Rebland und den aufwendig restaurierten holländischen Kolonialbauten in neuen Glanz getaucht. Allein schon der Name ist ein Mythos und leitet sich - so die Legende - vom Lichtspiel des kleinen Baches ab, der durch "Blaauwklippen" dahinplätschert. Dort sollen die im Wasser liegenden Steine ein Mineral enthalten, das ihnen die bläuliche Farbe verleiht.

"Der Winzer führt nur aus, was die Natur begonnen hat", philosophiert Zeitvogel, der die Geduld beim Weinmachen zu seinem obersten Prinzip erklärt hat. Diese Geduld schlägt sich unter anderem darin nieder, dass die Kellermeister um den erst 32 Jahre alten Christo Hamam seit einigen Jahren nur die natürlichen Hefen der Reben für den Gärungsprozess verwenden.

Rolf Zeitvogel hat sich für die "südafrikanische Balance" entschieden, das Wechselspiel zwischen Beruf und Ausruhen vom Alltag. So könnte auch das Credo einer Weinreise durch Südafrika lauten: Im Schatten uralter Bäume einfach mal die Seele baumeln lassen. Und wenn nicht mehr in diesem, dann ganz bestimmt im nächsten Jahr.