Skischulen bieten spezielle Kurse für Wiedereinsteiger an. Ein Erfahrungsbericht.

Ich hätte den Skistars nicht so sehr auf den Hintern schauen sollen. Im übertragenen Sinne. Hätte mir nicht so viel bei Bode Miller oder Anja Pärson abgucken sollen. Deren Hauruck-Fahrstil - mit weit nach hinten verlagertem Körperschwergewicht - ist nur etwas für Pistencracks mit stählernen Oberschenkeln und Zeitdruck auf der Strecke. Aber nichts für Gelegenheitsskifahrer. Nichts für Wiedereinsteiger. Also nichts für mich.

"Po rein, Körper leicht talwärts beugen, dabei etwas in die Knie gehen", korrigiert Thomas meine Haltung. Weil ich die Hänge im sauberen Carving-Stil hinunterwedeln will, finde ich mich im Skigebiet Brauneck-Wegscheid im bayerischen Lenggries wieder - freiwillig degradiert auf den Übungshang. Mit Skilehrer Thomas und anderen Teilnehmern, die es wieder wagen wollen.

Zwischen knallbunten Kobolden und Clowns, zur Motivation der ganz Kleinen aufgestellt, übe ich Pflugfahren und den parallelen Grundschwung. Den richtigen Stockeinsatz, das kurze Aufrichten vor den Kurven und den gekonnten Notsturz, in Fachkreisen auch "Arschbremse" genannt. Erstmals in meinem Leben auf Carving-Ski. Zuvor bin ich mehrere Winter lang auf ultrakurzen Snowblades und mit holpriger Learning-by-doing-Technik schneebedeckte Hügel heruntergefahren. Besser gesagt, heruntergekommen.

Auf Skiern, die länger als eins siebzig sind, stand ich das letzte Mal als Kind, Mitte der Siebzigerjahre. Da waren taillierte Ski noch eine absolute Seltenheit. Ich hatte Pflug- und Stemmschwung gelernt, auf elendig langen Latten. Leichtes, genussvolles Carven kannte ich nur vom Hörensagen.

Meine größte Angst beim Wiedereinsteigerkurs: Dass sich die Skier wie beim ersten Skikurs ständig verkeilen und überkreuzen. Dass ich mehr falle als fahre. Dass ich auf einem knallharten, vereisten, steilen Skihang stürze und ungebremst talwärts rutsche.

Sturzangst, Höhenangst, Angst vor Geschwindigkeit und vor Kontrollverlust. Thomas kennt sie alle. Die modernen Ski erfordern auch eine ganz andere Technik, als sie mancher gelernt hat. "Wir deinstallieren jetzt die alte Software in euren Köpfen und spielen ein neues Programm drauf", sagt der Skilehrer. Bei manchem Teilnehmer genüge ein Update. "Je nachdem, was jeder von euch mitbringt", sagt Thomas und versucht gar nicht erst, seinen oberbayrischen Dialekt zu verbergen.

Das Konzept für die Wiedereinsteigerkurse ist denkbar einfach: Möglichst wenig Theorie, aber viel praktische Übungen. Außerdem kleine Gruppen, damit individuelle Schwächen gezielt beackert werden können. Mit viel Erfahrung und Einfühlungsvermögen spielt Thomas auf der Skilehrerklaviatur - und trifft immer den richtigen Ton. "Du hast ein bisschen mit der Rückenlage herumexperimentiert", urteilt er in ermunternder Pädagogenart, als mein Po wieder zu weit nach hinten drängt. Die höfliche Wortwahl eines Dienstleisters auf Skiern. Auf Oberbayrisch hieße seine Kritik: "Den Körper weiter nach vorne, kruzifix!"

Thomas ist ein alter Spezl von Michaela Gerg, der früheren Skirennläuferin aus Lenggries, die hier alle Michi rufen. Vor drei Jahren eröffnete die mehrmalige Weltcupsiegerin und Besitzerin einer Bronzemedaille eine Skischule am Brauneck, dem Hausberg von Lenggries. Hier unterrichtet auch Thomas, im Hauptberuf Inhaber eines Malergeschäfts. Er hat schon so mancher verblassten Skitechnik zu neuem Anstrich verholfen. Auf die Idee mit den Wiedereinsteigerkursen kamen er und Michi Gerg durch die Mamis und Papis, die ihre Kinder zu Kursen anmeldeten, um dann stundenlang an der Talstation auszuharren - halb steif gefroren.

"Viele davon sind früher selbst auf den Skiern gestanden", sagt Michi Gerg, "aber trauen sich es nicht mehr zu." Stress, Bewegungsarmut, Zipperlein - "die typischen Ausreden eben", grinst Michi Gerg. Doch der prominente Name und ein charmantes Lächeln helfen so manchem Bürohengst wieder auf die Sprünge, beziehungsweise Schwünge.

Etwa Eike aus dem Thüringer Wald. "Ich war nur im Bürostuhldrehen aktiv", gesteht er. Doch Eike zeigt Talent und Fortschritte. "Ausbaufähig", urteilt Thomas pädagogisch geschickt - und schickt mich und Eike am zweiten Tag ins Gelände. Zu den Könnern. Weg von Clowns und Kobolden. In die Nähe von blutroten und pechschwarzen Pisten. "Meinst du echt?", fragt Eike. "Scho!", sagt Thomas. Später verrät er: "Ich spüre den Zeitpunkt, wann Teilnehmer für den nächsten Schritt bereit sind, auch wenn sie es selbst noch nicht wissen."

Oben angekommen tut sich nicht nur ein herrlicher Blick aufs Karwendelgebirge und die Zugspitze auf - vor uns tun sich auch Abgründe auf. Eike steht vor der ersten roten Piste seines Lebens. Und die ist gleich im oberen Teil verdammt steil. Mit geschultem Blick bemerkt Thomas die geweiteten Pupillen und herunterhängenden Mundwinkel von Eike. "Öha, locker bleiben", sagt Thomas und zeigt uns, wie wir sicher die Piste hinunterkommen. Zuerst langsam, dann immer schneller - bis wir gar nicht mehr genug bekommen können und am dritten Tag das ganze Skigebiet erkunden wollen.

Mit rund 34 Pistenkilometern zählt das Skigebiet Brauneck-Wegscheid zu den kleineren Revieren, doch das Terrain ist sehr abwechslungsreich. "Wer Brauneck gut meistert, kann auf der ganzen Welt fahren", meint Thomas. Wohl nicht zufällig ist Lenggries der Ort mit den meisten Skiweltmeistern weltweit: Martina und Andreas Ertl sowie Hilde, Annemarie und Michi Gerg. Sie alle haben das Skifahren am Brauneck gelernt. Super Perspektiven für mich!