Die griechische Halbinsel Mani beeindruckt mit ihren historischen Wohntürmen. Einige wurden zu Hotels

Kalamitsi ist ein reizendes Fleckchen Attika. Aus einem weitläufigen Olivenhain ragen Haupthaus und Gästebungalows heraus, allesamt erbaut aus dem typischen Naturstein der Gegend. An rauen Mauern klettern rote Rosen empor. Aus großen Amphoren quellen Geranien und Bougainvilleas. Im Garten gedeihen Maulbeeren und Monsterzitronen. Eine winzige Hauskapelle mit Palmwedel vor meerblauer Tür bittet zur inneren Einkehr. Und über 78 Stufen steigt es steil ab zur hoteleigenen Badebucht. Mit ein paar Liegen auf hübsch gemaserten, von der Brandung rund geschliffenen Steinen.

Auf der Terrasse dieses netten Refugiums treffen wir Iris. Die junge Frau aus Kiel kennt jeden Stein in der Mani. Jener wilden Gebirgslandschaft, die von der Provinzhauptstadt Kalamata über den gesamten Mittelfinger des Peloponnes bis zum Kap Tenaro reicht - in der Antike war das der Eingang zum Hades.

Der Weg dahin ist weit und nicht ohne. Er führt über unzählige Serpentinen durch schroffe Berge mit Mega-Panoramen. Durch winzige, teils gespenstisch tote Dörfer, die mitunter nicht einmal ihren Namen verraten. "Manche Ortseingangsschilder sind zerschossen, manche beschmiert", hatte uns Iris lächelnd vorgewarnt. "Einige fehlen völlig, und meistens sind sie sowieso nur griechisch geschrieben. Wenn ihr also mal durch ein Dorf ohne Schild fahrt, dann dreht euch am Ausgang einfach um; vielleicht steht eines auf der anderen Seite."

Gewappnet mit solch praktischen Tipps ziehen wir los. Was es am Weg zu sehen gibt, hat Iris sorgfältig in der Straßenkarte markiert - ein Programm, das locker für zwei Tage reicht. Auftakt in Kardamyli. Das Tor zur Mani war einst Hafen des antiken Sparta und ist heute ein Zentrum des individuellen Tourismus an der Westküste der Halbinsel. Ein charmantes Örtchen, wie vor 15 Jahren auch Aussteigerin Barbara befand, die am Ende der Dorfstraße einen kleinen Laden mit maritimen Accessoires betreibt: "Was mich magisch anzog, war in erster Linie die Landschaft; wo sonst in Griechenland stehen zum Beispiel so hohe Berge so nah am Meer. Und dann war da auch noch diese seltsame Architektur. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen."

Was sie meint, ist in der Tat einzigartig für Griechenland: Neben besonders vielen Natursteinhäusern, Kopfsteinpflasterstraßen und byzantinischen Kirchen fallen in der Mani immer wieder rustikale und unverputzte Türme auf. Darin wohnten einst maniotische Familienclans, die sich hinter den meterdicken Mauern erfolgreich verschanzen und gegen Angreifer verteidigen konnten. Selbst die Türken bissen sich an den zähen Manioten in ihren Wohn- und Wehrtürmen die Zähne aus; in fast 300 Jahren Besatzung gelang es den Osmanen zu keinem Zeitpunkt, die Mani komplett zu kontrollieren.

Bis heute sehen sich die Manioten als legitime Nachfahren der antiken Spartaner. Dabei erinnerten ihre Bräuche lange Zeit eher an sizilianische Sitten. Nicht nur die gefürchtete Blutrache, sondern schon einfache Streitigkeiten um eine Ziege oder einen Sack Oliven konnten in dem bitterarmen Landstrich zu jahrelangen Geschlechterfehden und Familienkriegen führen, denen nicht selten Hunderte Angehörige eines Clans zum Opfer fielen.

Erst nachdem Griechenland seine Unabhängigkeit erlangt hatte, ließen die Manioten allmählich vom blutigen Brauchtum ab. Doch was die inneren Fehden nicht erreicht hatten, das vollbrachte der Einbruch der neuen Zeit: Keine andere griechische Region litt seither so stark unter Abwanderung und Entvölkerung wie die Mani.

Die Menschen gingen, ihre Türme blieben. In Kitta, Nomia, Mina und anderen Dörfern, vor allem aber in Vathia, dem Postkartenmotiv der Mani schlechthin. Nirgendwo sonst drängen sich die mächtigen Turmruinen so dicht aneinander wie auf diesem Plateau hoch über dem Meer, wo sich Wind und Wetter ungehindert austoben können. Und nirgendwo sonst ist die Ähnlichkeit zu den toskanischen Geschlechtertürmen wie in San Gimignano derart frappierend wie hier.

Faszinierend auch, was Nikomas Demagelos seit seinem 15. Lebensjahr zusammengetragen hat. Sein privates Mani Museum im 100-Seelen-Ort Thalamos offenbart ein unglaubliches Sammelsurium: Gewehre, Pistolen, dick mit Olivenöl eingefettete Messer und Säbel, Werkzeuge, Haushaltsgegenstände, Schmuck, Landkarten, Fotos und Krimskrams aller Art. Eine irre Rumpelkammer, durch die der pensionierte Soziologe gern auch auf Deutsch führt - er hat mal in München studiert. Eine gute Gelegenheit jedenfalls, um ins Gespräch zu kommen: über die Mani und ihre Perspektiven, über Griechenland und seine aktuellen Probleme, über Olivenöl und Honig - zwei der erstklassigen hauseigenen Produkte, die Nikomas vor Ort verkauft.

Dass der Tourismus die vielleicht einzige echte Chance bietet, die Mani nach vielen Jahren Tiefschlaf zu reanimieren, hat man in Griechenland bereits vor geraumer Zeit erkannt. So wurden inzwischen einige der historischen Wohntürme saniert und zu stilvollen Hotels umgebaut wie zum Beispiel in Areopoli und Gerolimenas; besonders aber boomt der Neu- und Ausbau von Gästehäusern, Appartements und Ferienwohnungen. Mit oftmals beeindruckend gelungenem Ergebnis.

Die größte touristische Attraktion der Mani befindet sich allerdings gar nicht auf, sondern unter der Erde: die Vlychada-Höhle von Pyrgos Dirou. Eine wahrhaft zauberhafte stalagtitisch-stalagmitische Urzeitwunderwelt mit Sälen, Tunneln und Galerien, die so poetische Namen tragen wie "Palast des Poseidon", "Riff der Träume", "Große Drachenhöhle", "Schiffbrüchigenmeer", "Wassernixenbett" oder "Pazifischer Ozean".

Der Clou: Per Kahn geht es eine knappe halbe Stunde lang annähernd lautlos über einen 1300 Meter langen See durch dieses Tropfstein-Labyrinth, das an manchen Stellen so eng und schmal ist, dass Boot, Köpfe und Schultern nur um Haaresbreite durch die gezackten Münder der Höhlenwände passen. Definitiv nichts für Klaustrophobiker und auch nicht ganz billig. Aber absolut spektakulär.

Video: Die Tropfsteinhöhle bei Pyrgos Dirou