Auf der Insel Brac in Kroatien, bekannt durch den Export weißen Marmors, gibt es ein einmaliges Phänomen - das Goldene Horn.

Und sie bewegt sich doch. Die Spitze des Strandes von Bol an der Südküste der Insel Brac in Kroatien. Nein, das könne er kaum glauben, sagt der junge Urlauber aus Deutschland und schüttelt energisch den Kopf. Ein Strand, der wie von Geisterhand mal mehrere Meter nach links, dann wieder nach rechts verschoben werde? "Alles fauler Zauber", sagt er, "wir sind doch hier nicht bei Harry Potter." Doch Tonci Lalic bestätigt das weltweit wohl einmalige Phänomen. In gutem Deutsch erklärt der Tourismusdirektor des kleinen, aber feinen Badeortes: "Meistens ereignet sich dieser ungewöhnliche Vorgang in der Nacht und dauert etwa sechs Stunden. Strömung, Wellen und Wind treiben dieses verwirrende, geheimnisvolle Spiel mit der Spitze der Landzunge. Es ist aber unmöglich, die Richtung vorherzusagen."

Das Goldene Horn, in der Landessprache "Zlatni rat" genannt, gilt als der beliebteste Strand Kroatiens. Er ragt wie eine Zunge einen halben Kilometer hinaus ins kristallklare Wasser und besteht aus kleinen, runden Kieselsteinen. In Jahrhunderten entstand durch Ablagerungen die etwa 160 Meter lange Spitze, die unruhig hin und her züngelt. Messungen ergaben, dass sie jedes Jahr um ein paar Zentimeter länger wird. Ein touristisches Highlight für jeden Urlauber, der den Süden Dalmatiens in Kroatien besucht. Brac gehört zu den mehr als 1000 Inseln vor der kroatischen Küste. Sie ist die drittgrößte: 40 Kilometer lang, 13 Kilometer breit. Ihr Klima ist äußerst angenehm. Die Sonne scheint 2700 Stunden im Jahr. Und die Badesaison dauert von Mai bis Ende Oktober.

Die Fahrt von Split zum Fährhafen von Supetar, dem Hauptort der Insel Brac, dauert knapp 50 Minuten. Das Wasser ist ruhig. Eine leichte Brise sorgt für angenehme Abkühlung. In Split hatten wir die Altstadt und das imposante Gemäuer des Diokletianspalastes durchstreift. Der römische Kaiser Diokletian baute ihn um 300 nach Christus und nutzte ihn als Altersruhesitz. Noch heute leben etwa 2000 Menschen in den teils restaurierten Wohnungen des antiken Gebäudes. Palast und Altstadt wurden 1979 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt. Das moderne Split mit seinen 220 000 Einwohnern gilt heute als die heimliche Hauptstadt Dalmatiens. Studenten und Touristen bestimmen das Bild der City.

+++Die Toskana Kroatiens - Auf Trüffelsuche an der Adriaküste+++

Schon im Hafen von Supetar spüren wir den radikalen Wechsel von der Hektik der Großstadt zur beschaulichen Welt des Insellebens. Im Schneckentempo rollt unser Kleinbus über die Rampe von der Fähre. Bereits zehn Minuten später sind wir im Vier-Sterne-Hotel Waterman Supetrus Resort - eine moderne Ferienanlage umgeben von üppiger Vegetation, Wäldern und Olivenhainen, direkt am Wasser der Adria gelegen. Ein kleines Paradies, aber auch ein idealer Ausgangsort für eine Inseltour.

Gleich hinter Supetar geht es steil bergauf ins Gebirge zum Gipfel Vidova Gora. Wie ein Buckel wölbt sich die Landschaft zwischen den Küsten. Die Vegetation ist üppig. Pflanzenfreunde werden ihren Gefallen daran finden. Macchia-Gestrüpp, blühender Ginster und Steineichen wechseln sich ab, und über allem liegt der Duft von Rosmarin, Oregano, Thymian und Wacholder. Auch für Wanderer ein ideales Gelände. Etwa drei Stunden dauert die Tour über einen alten Eselsweg bis zum Gipfel. 778 Meter hoch, der höchste Berg der kroatischen Inseln.

Von hier gibt es einen herrlichen Ausblick auf die Küste der gegenüberliegenden Insel Hvar. Sie gilt als eines der zehn schönsten Eilande auf der Welt. Duftende Lavendelfelder verwandeln die Landschaft in ein silbergraues, violettes Blütenmeer. Ein Hauch von Hollywood scheint herüberzuwehen. Zahlreiche Weltstars ankern hier mit ihren Yachten in der Bucht: beispielsweise die Hollywood-Schauspieler George Clooney und Kevin Spacey, Bill Gates, zweitreichster Mann der Welt, Modedesigner Giorgio Armani und Formel-1-Rennfahrer Michael Schumacher. Wer die Prominenz live erleben möchte, muss zurück nach Split. Von hier aus geht eine Fähre nach Hvar.

+++Kroatien macht sich immer feiner+++

Doch wir bleiben auf unserer Urlauberinsel, die uns Emilija so sehr ans Herz legt. Die 41-jährige Kroatin ist Reiseleiterin. Brac war schon immer bei den Menschen sehr beliebt. Im frühen Paläolithikum, also in der Altsteinzeit, existierten auf der Insel bereits menschliche Gemeinschaften. Später, in der Antike, wurde Brac von den Stämmen der Illyrer besiedelt. Im Laufe der Zeit kamen die Slawen dazu. Rasanter ging die Entwicklung in der Neuzeit: Erst gehörte die Insel zu Jugoslawien, seit 1991 zu Kroatien, das für kommendes Jahr in die Europäische Union strebt. Doch damals wie heute ist das Eiland in der Adria dünn besiedelt. Aktuell hat es 15 000 Einwohner.

Emilija führt uns in die einstige Insel-Hauptstadt nach Nerezisca, heute ein kleines Dörfchen mit 700 Einwohnern in der Inselmitte. Der Ort galt als der sicherste auf Brac, weil er weit weg von Meer war. Die Bewohner fühlten sich geschützt vor unerwünschten Eindringlingen und Piraten. Aus diesem Grund ließ sich bis zum Ende der venezianischen Herrschaft 1797 hier jede Regierung regelmäßig nieder. Noch heute erinnern einige repräsentative Bauten an die Vergangenheit. Das bekannteste Gebäude ist die Heilige-Petrus-Kapelle aus dem 14. Jahrhundert. Aus ihrem Dach wächst eine kleine Kiefer, sie ist 200 Jahre alt.

Wenige Kilometer hinter Nerezisca lässt Emilija den Fahrer plötzlich vor einem alten Gemäuer halten. Dies sei ein Schloss aus dem 16. Jahrhundert, erläutert sie uns. In dem halb verfallenen Gebäude betreibt die 72 Jahre alte Witwe Rayka einen kleinen Weinhandel. Besonders gut sei auch das kalt gepresste Olivenöl, betont Emilija. Wir probieren und müssen feststellen: Wein und Öl sind wirklich von guter Qualität.

Von höchster Qualität ist auch der schneeweiße Kalkstein, der "Marmor von Brac". Seit der Antike ein unvergänglicher Zeitzeuge der Insel. In vielen Mauern geschichtet, umschließt er die Zentren von Reichtum und Macht: den Diokletianpalast in Split, das Reichstagsgebäude in Berlin, das Weiße Haus in Washington, das Parlament in Wien und viele prunkvolle Paläste in Venedig. In Pucisca an der Nordküste gibt es seit 1909 eine Steinmetzschule, eine der wenigen in Europa. Die 90 Schüler werden hier noch immer mit den traditionellen römischen Techniken vertraut gemacht. Ein Teil ihrer Arbeiten findet nebenan in einem Kiosk am Hafen als Souvenirs regen Absatz.

Zurück in den Süden der Insel nach Bol, der ältesten Stadt an der Küste. Der Ort war bereits in der Antike besiedelt. Aus der Römerzeit gibt es noch Überreste einer alten Zisterne. Das Dominikanerkloster aus dem 15. Jahrhundert, in dem heute noch drei Mönche leben, liegt auf der Halbinsel Glavica zwischen zwei Kieselstränden. Im Kloster werden in einem Museum jahrhundertealte Manuskripte, Bücher, Dokumente, Münzen und Kirchensilber aufbewahrt.

Bei einer kleinen Weinprobe berichtet Tourismusdirektor Tonci Lalic, dass Bol auch für die Zukunft keinen Massentourismus anstrebt, sondern nur auf Qualität setzt. Die beiden Viersternehäuser sollen zu Fünfsternehotels umgebaut werden. Außerdem gibt es noch zwei weitere Hotels (drei Sterne), kleine Unterkünfte und Ferienhäuser. In den nächsten fünf Jahren soll ein Yachthafen mit 200 Liegeplätzen entstehen. Insgesamt kommen 70 000 Besucher jährlich nach Bol. Sie finden in dem ehemaligen Fischerdorf bereits heute alles, was das Urlauberherz begehrt: einen gepflegten kilometerlangen Strand, Surf-, Segel- und Tauchschulen, Tennis- und Fitnesszentren und im Ort 28 Restaurants, die auf ihren Karten das beste Lammfleisch und den frischesten Fisch der Region anbieten. Als besonders gut gilt der trockene Weißwein der Insel, der etwa 90 Prozent der Weinproduktion ausmacht.

Kurz vor der Abfahrt der Fähre hinüber zum Festland besteht Emilija noch auf einem kleinen Abstecher. Wir fahren zum Garten der Dankbarkeit ins Dörfchen Selca, eine ehemalige Hirtensiedlung. Hier oben, genau 114 Meter über dem Meeresspiegel, stehen die Büsten vieler bekannter Persönlichkeiten, unter ihnen Leo Tolstoi, Papst Johannes Paul II. und Hans-Dietrich Genscher. Der langjährige deutsche Außenminister habe sich um die Unabhängigkeit Kroatiens verdient gemacht, heißt es. Dies hier sei ein Dankeschön an Deutschland.