Die dalmatinische Küste, reich an alten Bauten und schöner Natur, soll wieder Top-Reiseziel an der Adria werden. Für einige ist sie das schon heute

Auf dem Marktplatz von Dubrovnik hat sich eine festliche Hochzeitsgesellschaft versammelt. Immer wieder nimmt der Bräutigam seine junge Frau auf den Arm und schwenkt sie verliebt im Kreis. Der meterlange Brautschleier wirbelt durch die Luft, und jedes Mal, wenn er die grauen Quadersteine des Marktplatzes streift, flattern Hunderte von Tauben auf, um sich gleich darauf wieder vor dem Brautpaar niederzulassen. Für die Händler an den Gemüse- und Souvenirständen ist es plötzlich unwichtig, ob sie ihre Waren verkaufen, und auch die Touristen vor den Cafés und Restaurants haben ihre Plätze verlassen und bilden nun einen Kreis um das Hochzeitspaar. Fotoapparate klicken, Händeklatschen, Hoch- und Bravorufe erklingen.

Die fröhliche Stimmung zwischen der Kathedrale und dem Rektorenpalast von Dubrovnik scheint auszudrücken, was in diesem Sommer in ganz Kroatien zu spüren ist. So wie eine Hochzeit Happyend und Neuanfang zugleich bedeuten kann, so fühlen auch die Kroaten, dass ihr Land seinen Platz als eines der beliebtesten Urlaubsziele am Mittelmeer wieder eingenommen hat. Rund zehn Millionen ausländische Besucher kamen 2009 in das kleine Land an der Adria (knapp zwei Millionen davon aus Deutschland), und wenn am Ende dieser Saison Bilanz gezogen wird, werden die Gästezahlen noch höher liegen. Damit hat Kroatien eine Marke erreicht, die einst für ganz Jugoslawien galt, bevor der Balkanstaat Ende des vergangenen Jahrhunderts in Teilrepubliken zerbrach und kriegerische Auseinandersetzungen den Tourismus auf den Nullpunkt sinken ließen.

"Leider gibt es immer noch Vorurteile gegen Kroatien", sagt Michael Stüwe aus Hannover, Produktmanager der TUI für die Küstenregion zwischen Slowenien und Montenegro. "Viele Urlauber, die früher nach Jugoslawien reisten, haben die Bilder von damals im Kopf - von den Urlaubergettos mit geometrisch angeordneten Bettenburgen aus der Tito-Zeit, mit überfüllten Campingplätzen und schlechten Straßen."

Sehr zu Unrecht, wie Michael Stüwe meint. Denn längst hat sich das Blatt gewendet. Stüwe: "Die Kroaten haben die Zeichen der Zeit erkannt. Sie sind kritisch und selbstbewusst geworden und wissen genau, was die Urlauber heute erwarten. Überall entstehen neue Hotels. Komfort und Luxus sind an der dalmatinischen Küste heute so selbstverständlich wie edle Restaurants."

Wie in Split, der größten Stadt Dalmatiens. Auch wenn die Skyline aus Hochhäusern am Stadtrand auf den ersten Blick das Schlimmste befürchten lässt - die Industrie von Split existiert nicht mehr, seit mit der Teilung des Landes auch die Handelswege ins serbische Hinterland gekappt wurden.

"Split ist dabei, wieder das zu werden, was es einmal war - der kulturelle und künstlerische Mittelpunkt des Landes. Früher gab es hier mehr Kaffeehäuser als in Wien, unzählige kleine Theater, Musik- und Literaturklubs. Da möchten wir wieder hin." Der junge Mann, der das sagt, hat die Zeit nicht selbst miterlebt: Ivica Grigic ist gerade mal 30 Jahre alt, er hat in Deutschland studiert und arbeitet als Reiseführer in seiner Heimatstadt. Wir bummeln zusammen über die Hafenpromenade, heute wieder Treffpunkt der Reichen und Schönen. Unter Palmen und Markisen stehen Cafés und Restaurants, Eisdielen und Boutiquen, und davor - an der Kaimauer - dümpeln schnittige und teure Segelyachten. Weiter draußen im Fahrwasser wimmelt der Schiffsverkehr: Motorboote, Fischkutter, große und kleine Fähren, die Split mit den unzähligen Inseln vor der dalmatinischen Küste verbinden, dazu Kreuzfahrtriesen, die auf ihren Mittelmeertouren neben Venedig und Triest immer häufiger die kroatische Hafenstadt ansteuern.

"Ja, Split ist wieder die touristische Metropole Kroatiens", sagt Ivica nicht ohne Stolz und weist auf die Baustelle am Ende der Uferpromenade, wo Baukräne ein vielstöckiges Luxushotel hochziehen - nahe der Porta Änea, die den Besucher mit wenigen Schritten siebzehn Jahrhunderte zurück führt - hinein in eine antike römische Palastanlage. Dass die gesamte Altstadt heute als Weltkulturerbe unter dem Schutz der Unesco steht, scheint die Stadtväter in ihrem Baueifer nicht zu stören, schließlich ist das Alltagsleben längst in die Mauern des Palastes eingezogen. Diokletian, römischer Kaiser von 284 bis 305, hatte sich die Residenz als Alterssitz bauen lassen - ein 90 000 Quadratmeter großes Areal. Jahrhundertelang war die Anlage vergessen, dann siedelten sich Händler und Handwerker in dem ehemaligen Palast an, renovierten die verfallenen Mauern und bauten Wohnungen zwischen die einstigen Privatgemächer des Kaisers. Heute können Urlauber dort gemütlich speisen oder ihren Espresso trinken - vielleicht genau an der Stelle, wo Diokletian sich einst von Sklavinnen verwöhnen ließ.

In endlosen Serpentinen schlängelt sich die Küstenstraße in Richtung Süden. Vorsicht beim Autofahren ist geboten, denn es fällt nicht leicht, sich bei so viel landschaftlicher Schönheit auf den Verkehr zu konzentrieren. Hunderte von Inseln sind der Küste vorgelagert - große und kleine, grüne und graue, glatte und felsige, flache und bucklige. Die genaue Zahl kennt niemand. "So um 1200 sollen es sein", vermutet Michael Stüwe. Und das bei einer Küstenlänge von nur rund sechshundert Kilometern Luftlinie zwischen Rijeka im Norden und der albanischen Grenze im Süden. Kobaltblau schimmert das Meer, überzogen von einem Netz silbern glitzernder Wellen. Es muss ein Paradies für Segler und Surfer sein. Wenn nicht gerade die Bora weht, der gefürchtete Wind, der wie aus heiterem Himmel kommt, plötzlich und unerwartet. Der binnen Minuten dunkle Wolken zusammentreibt und das Wasser peitscht, dass es sich in einen kochenden Schaumteppich verwandelt.

Heute ist von der Bora nichts zu spüren. Senkrecht steht die Sonne über der Adria. Es sind diese prallen Sonnentage, die das Meer wärmen - auf 25 Grad im Sommer, bis spät in den Oktober. Felsen und schmale Halbinseln bilden kleine Buchten, so eng und schmal, dass kein Hotel auf den Strand passt. Das würden die neuen Umweltschutzgesetze ohnehin nicht zulassen. Näher als 100 Meter zum Meeressaum darf nicht gebaut werden. Umso zahlreicher sind die Ausflugsschiffe, die überall in den schönsten Buchten ankern - zum Tauchen, Baden und Schnorcheln.

Dubrovnik - endlich! Die "Perle der Adria", jahrhundertelang freie Seefahrer-, Handels- und Patrizierrepublik. In dieser Zeit, in der die Stadt nie erobert wurde, wuchs sie zu einem Gesamtkunstwerk, zu einer marmornen Schönheit aus Gotik, Barock und Renaissance. Spiegelblank glänzen die Pflastersteine der Placa Stradun, blank gescheuert von den vielen Füßen, die schon über sie hinweg gewandert sind. Und es werden immer mehr. "Heute kommen fünfmal so viele Urlauber wie vor dem Krieg", sagt Mirjana Darrer von der Touristenzentrale Dubrovniks. Auf den Parkplätzen vor der Stadt drängen sich die Reisebusse und auf dem Meer zwischen der Insel Lokrum und der Stadtmauer die Kreuzfahrtschiffe. Rund 800 sind es, die pro Jahr vor Dubrovnik vor Anker gehen. Das spült Geld in die Kassen der Stadt, und das hatte Dubrovnik auch bitter nötig. Mehrere Monate lang war die Stadt 1995 von serbischen Truppen belagert und beschossen worden. Inzwischen ist von den Kriegsschäden nichts mehr zu sehen. "Dubrovnik ist wieder so schön wie früher", sagt Mirjana und fügt lächelnd hinzu: "Vielleicht sogar noch schöner ..."

Auch nachts, wenn die Kreuzfahrtschiffe die Anker gelichtet haben, kehrt keine Ruhe in den alten Mauern ein. Dubrovnik schläft nie. Discos und Restaurants, Bars und Musikkneipen sind beinahe rund um die Uhr geöffnet. Entfliehen kann man den Trubel nur auf den Elaphitischen Inseln - einem Archipel aus fünfzehn kleinen Eilanden vor der Küste, die sich nur durch ihre Winzigkeit den Zauber der Unberührtheit bewahrt haben. Drei Inseln sind bewohnt: Kolocep, Lopud und Sipan, drei grüne Perlen im Blau der Adria, autofrei und gesäumt von stillen Badebuchten mit kristallklarem Wasser. Kaufleute aus Dubrovnik haben sich dort im 18. und 19. Jahrhundert Sommervillen bauen lassen, die heute elegante Hotels sind - Fluchtpunkte für zivilisationsmüde Urlauber.