Die Wasserstraße Panamas ist Touristenmagnet und Motor für Wohlstand und Wachstum - an den Ufern aber geht es bunter zu, als mancher denkt.

Man nehme moderne Architektur, feuchten Dschungel, multikulturelle Bevölkerung - und, natürlich, den Kanal. Diese Zutaten vermischt ergeben das vielfältige Panama. Und wenn man auf den Geschmack gekommen ist, eröffnen sich noch viele weitere Nuancen, die Besuchern weitgehend unbekannt sind.

"Touristen, die noch nie in Panama waren, denken immer nur an die Wasserstraße. Dabei hat das Land so viel mehr zu bieten", sagt Reiseleiterin Ana bedauernd. Wenn sie Fremden das Land zwischen Costa Rica und Kolumbien zeigt, versucht sie, ihnen auch die anderen Teile Panamas schmackhaft zu machen. Aber den Kanal wollen trotzdem alle sehen. "El canal" ist ein gewaltiger Wirtschaftsmotor. Auf gut 80 Kilometern verbindet er als eine der bedeutendsten Routen der Welt den Pazifik mit dem karibischen Teil des Atlantiks. Wie bunte Legosteine sind die Container auf den Schiffen gestapelt - darunter auch rote Metallquader mit der weißen Aufschrift "Hamburg Süd". Sie transportieren Güter von Südamerika bis zu uns nach Hamburg. Und das lassen sich die Panamaer gut bezahlen.

Im Jahr 2010 durchfuhren rund 12 600 Schiffe die Wasserstraße. Dem Staat bescherten sie Einnahmen von etwa 1,5 Milliarden Dollar. Panama profitiert erst seit Ende 1999 von dem immensen Gewinn, den der Kanal abwirft. Bis dahin hatten die USA die Hoheit über das Bauwerk und das es umgebende Gebiet. Dieses Privileg hatten die Vereinigten Staaten inne, nachdem sie der jungen Republik geholfen hatten, sich 1903 während des Panamakonflikts von Großkolumbien abzuspalten. Zwischen 1904 und 1914 errichteten Ingenieure der US Army den Kanal.

Auf der pazifischen Seite ist das historische Konstrukt eindrücklich zu bestaunen. Trauben von Touristen drängen sich an den Aussichtsplattformen der Miraflores-Schleusen. Jeder möchte sehen, wie die großen Pötte in mehreren Stufen auf bis zu 26 Meter angehoben werden, um dann die kontinentale Wasserscheide zu überwinden. Elektrische Loks auf Schienen parallel zum Kanal bringen die Schiffe in Bewegung. Oft trennen Rumpf und Schleusenwand nur wenige Zentimeter.

Beeindruckend ist diese Technik aus dem letzten Jahrhundert - dennoch macht das Land keinen Hehl daraus, dass es für diese Errungenschaft einige Opfer bringen musste. Im Kanal-Museum bei den Miraflores-Schleusen wird deutlich, wie beschwerlich der Bau des Kanals war. Das Klima stellte die Arbeiter vor große Herausforderungen - Hitze und hohe Luftfeuchtigkeit machten ihnen zu schaffen, Massen von Moskitos übertrugen Tropenkrankheiten. Rund 25 000 Menschen starben während der Arbeiten.

20 Prozent der Containerschiffe passen heute nicht mehr durch die Wasserstraße - bis 2014 sollen größere Schleusen in Betrieb genommen werden. Berge aus Schutt und Hunderte von Baufahrzeugen zeugen von den Arbeiten. Der Aufwand lohnt sich: Die Passierabgaben ab 74 000 Dollar für kleinere Schiffe steigern sich bedeutend, berechnet wird nach Gewicht und Größe - ein gutes Geschäft.

Am deutlichsten sieht man den noch jungen Reichtum des Landes in Panama-Stadt. Im Anflug auf die Stadt schweift der Blick über Wolkenkratzer und Glaslandschaften. Am Boden säumen internationale Markenshops die großen Boulevards, über die neue SUVs und Pick-ups rollen. Die Stadt wächst und gedeiht. Auch aus dem Ausland strömen viele zur Ciudad de Panamá, um hier zu arbeiten. "Panama ist ein Paradies für alle, die gutes Geld verdienen möchten. Man sucht nach Fachkräften im Bank- und Dienstleistungswesen und lässt Arbeiter an dem Gewinn teilhaben", sagt Ana. Sie selbst stammt aus dem wirtschaftlich schwächeren Guatemala und hat sich in Panama bis zur Reiseleiterin hochgearbeitet.

Bei einem Besuch der Casco Viejo, der Altstadt, bekommt man ein Gefühl für die Stadt. Verwitterte Kolonialstilbauten reihen sich aneinander, selten höher als drei Stockwerke. In Parks sitzen alte Panamaer und schwatzen, die gepflasterten Straßen sind enger als in der Innenstadt. Es gibt kleine Geschäfte mit Souvenirs oder Lebensmitteln. Das Viertel wirkt wie ein Museum, das die Atmosphäre der Gründerzeit konserviert hat. Aber der Wandel macht auch vor diesem Teil der Stadt nicht halt. Häuser werden modernisiert und stehen zum Verkauf. "Der Charme des Viertels wird bald nicht mehr bestehen", sagt Ana. Durch die Modernisierung würden die Mieten für die Bevölkerung unerschwinglich. Gentrifizierung gibt es auch in Panama.

Ein ähnlicher Prozess könnte dem Gatun-See widerfahren - nicht durch Stadtplaner, sondern durch den Tourismus. Der Stausee ist die höchste Stufe zwischen dem Pazifik und dem Atlantik und bildet ein großes Reservoir für konstanten Wasserstand des Kanals. Am Ufer und auf zahlreichen kleinen Inseln hat sich eine vielfältige Vegetation mit artenreicher Tierwelt erhalten. Mit Schnellbooten können Touristen zu Gebieten fahren, wo Brüllaffenfamilien im Baum hängen, Faultiere den Flechten auf ihrem Fell beim Wachsen zuhören und Kapuzineräffchen auf Bootsdächer springen. Der See ist eine tropische Idylle, bisher haben nur wenige Hotels sich hier angesiedelt. Doch die Massen an Touristen werden wohl nicht mehr lange auf sich warten lassen. Zu hoffen ist, dass Panama sich ein Beispiel am Nachbarland Costa Rica nimmt, das erfolgreich auf Ökotourismus setzt.

So artenreich die Natur, so vielfältig die Bewohner Panamas. Auf den Straßen der Stadt flanieren spanischstämmige Nachfahren aus Zeiten, als das Land noch Kolonie war. Auch dunkelhäutige Menschen, Töchter und Söhne von Einwanderern aus der Karibik, leben hier. Und vereinzelt sind Kuna-Frauen anzutreffen. Sie gehören zu einem der wenigen Indianervölker weltweit, die es geschafft haben, ihre Kultur weitgehend zu erhalten. Etwa 70 000 Indigene leben in Panama, vornehmlich auf den vorgelagerten Inseln des Landes. In Panama-Stadt bieten einige von ihnen farbenfroh bestickte Textilien, Molas, zum Verkauf an. Alles in allem eine bunte Mischung, die so viel mehr ist als nur der Panamakanal.