Singapur ist nicht nur ein boomender Handelsplatz mit imposanter Skyline. Die grünste Metropole Asiens zählt mehr als 300 Parks und Gärten.

Die hölzernen Fächer an der Decke sind zwar ständig in Bewegung, dienen aber mehr zur Dekoration. Für erträgliche Luft in der legendären Long Bar des Hotels Raffles sorgt längst eine Klimaanlage. Gut so, denn draußen ist es - wie fast jeden Tag - 30 Grad heiß, und die Luftfeuchtigkeit erreicht mal wieder Höchstwerte. Da kommt eine Erfrischung gerade richtig. Die gute alte Kolonialzeit wird lebendig, wenn die Besucher in den Rattansesseln Platz nehmen und beim Kellner zumeist eines bestellen - den Singapore Sling, der hier schon vor Jahrzehnten in die Cocktailgeschichte einging. Gin und Brandy, Zitronensaft, Grenadine und ein Spritzer des Bitterlikörs Angostura kommen ins Glas, dazu Kirschen und Ananasstücke. Die übrigen Zutaten sind streng gehütetes Geheimnis des Barkeepers. Und noch eines hat Tradition: der Griff in die Erdnussbox auf dem Tisch. Denn auch das ist gepflegter Brauch hier. Die Schalen lässt man einfach zu Boden fallen, sie werden von den Gästen beim Verlassen der Bar unter den Schuhsohlen zerkleinert und spät am Abend vom Personal zusammengekehrt.

Auf den Straßen Singapurs wäre so etwas undenkbar - oder in der Konsequenz extrem teuer. Weltweit eilt dem Stadtstaat vor der Südspitze Malaysias der Ruf voraus, mit drakonischen Strafen gegen Einheimische und Touristen vorzugehen, die Zigarettenkippen oder Kaugummis auf dem Straßenpflaster entsorgen. "Das kostet hier umgerechnet 500 US-Dollar. Wenn der Richter einen guten Tag hat, auch mal nur 300 Dollar", weiß der einheimische Tourguide Danny Lorenzo zu berichten, der ein fast perfektes Deutsch spricht. Wo er das gelernt hat? Ausgerechnet in Hamburg, erzählt der 52-Jährige. Als junger Erwachsener hat er sich Ende der 70er-Jahre auf den Weg gen Europa gemacht. Zunächst mit dem Schiff nach Indien, dann als Tramper weiter mit dem Lkw bis an die Elbe. Eigentlich hatte die Tour bis nach Schweden gehen sollen. In Hamburg allerdings war das wenige Geld endgültig ausgegeben, die erste Nacht hat er unter freiem Himmel im Innocentia-Park geschlafen, später in einer kleinen Wohnung am Mittelweg gewohnt, wie er stolz berichtet.

Als Reiseleiter hat er später seine Brötchen verdient, im Winter in der Schweiz, zur warmen Jahreszeit am Mittelmeer. Nach 20 Jahren ist er dann doch in die Heimat, nicht weit entfernt vom Äquator, zurückgekehrt. Und ist natürlich gerade bei den deutschen Gästen (2011 immerhin mehr als 220 000) ein gesuchter Dolmetscher, Vermittler und Organisator. Anfang dieses Jahres nutzte auch TV-Produzent Wolfgang Rademann die Kontakte des Mannes. Schließlich ging es darum, für die nächste Reise des ZDF-"Traumschiffs" wieder einige attraktive Drehorte auszugucken. Das ist in der Fünf-Millionen-Metropole, die flächenmäßig fast genauso groß wie Hamburg ist, nun wirklich kein Problem. Weltweit anerkannte und berühmte Architekten wie Sir Norman Foster haben dem Stadtbild ihren Stempel aufgedrückt. Imposante Bauten sind entstanden, Museen im Lotusblüten-Stil ebenso wie hypermoderne Glaspaläste. Und natürlich hat sich Asiens mittlerweile größtes und umsatzstärkstes Bankenviertel hier ein Denkmal in Stahl und Beton gesetzt. Meistfotografiertes Motiv der Stadt ist seit knapp zwei Jahren aber das Marina Bay Sands, eines der spektakulärsten Hotels der Welt.

Der aus drei tragenden Säulen bestehende Komplex mit seinen mehr als 2500 Zimmern trägt in 200 Meter Höhe als Dachkonstruktion ein angedeutetes Surfbrett. Und wer als Hotelgast mit dem Expresslift in gefühlten zehn Sekunden die 57. Etage erreicht hat, steht vor einem palmengesäumten Swimmingpool im XXL-Format. Wo sonst schwimmt man in dieser Höhe mit einem solch spektakulären Blick auf die Skyline einer Millionenstadt? Den gleichen Ausblick genießt man ein paar Schritte vom Pool entfernt beim Mittagessen im Restaurant Sky on 57 mit den großen Glasfronten rundherum. Das Drei-Gänge-Businessmenü kostet 48 Singapur-Dollar (umgerechnet ca. 28 Euro) - allein das Panorama ist dieses Geld schon wert.

Apropos Geld: Das wird in erster Linie im Untergeschoss des Marina Bay Sands verdient, beim Glücksspiel. Die Tatsache, innerhalb kürzester Zeit zu einem der umsatzstärksten Kasinos der Welt geworden zu sein, verdankt man dem regen Zuspruch sogenannter "High Roller" vorwiegend chinesischer Herkunft. Die spielfreudigen Millionäre setzen über Tage hinweg Riesensummen beim Roulette, Würfel- oder Kartenspiel - und werden entsprechend hofiert. Sie werden auf Wunsch mit hoteleigenen Maschinen eingeflogen und können die Luxussuiten des Hotels (Normalpreis: umgerechnet knapp 5000 Euro pro Nacht) kostenlos nutzen. Und dürften kaum einen Blick dafür übrig haben, was wenige Meter entfernt im angegliederten ArtScience Museum zu bestaunen ist. Dort konzentriert man sich auf weltweit bedeutende Ausstellungen. Noch bis Ende April läuft im Tiefparterre beispielsweise die zuvor auch schon in Hamburg gezeigte "Titanic"-Ausstellung, bei der aus dem Wrack im Nordatlantik geborgene Originalteile gezeigt werden.

Aus den Tiefen des Museums zurück in den quirligen Feierabendverkehr. Da ergeht es Singapur nicht anders als den übrigen Metropolen der Welt. Trotz mehrspuriger Highways, einer staatlich reglementierten Obergrenze von 300 000 Fahrzeugen sowie exorbitant hohen Luxussteuern auf Fahrzeuge ist der allabendliche Verkehrskollaps auf den Hauptstraßen der Stadt offenbar nicht zu vermeiden. Eine gute Gelegenheit für Autofans, den Luxusmobilen dieser Welt aus nächster Nähe zu begegnen. Rolls-Royce, Bentley und Lamborghini sind hier deutlich häufiger vor den gut sortierten Shoppingmeilen zu entdecken als in unseren Breiten.

Und Tourguide Danny weiß sogar zu berichten, dass Singapur die größte Dichte an Ferrari-Besitzern weltweit aufweisen kann. Die auch hier zumeist rot lackierten PS-Träume werden aber überwiegend nachts aus der Garage geholt. Zu später Stunde ist es offenbar leichter, das Spurtvermögen der Italo-Renner auf den tempobegrenzten Straßen auszuprobieren.

Nur einmal im Jahr sind dem Geschwindigkeitsrausch (und der dazugehörigen ohrenbetäubenden Lärmkulisse) keine Grenzen gesetzt: wenn Sebastian Vettel und Co. in ihren Formel-1-Rennern auf dem rund fünf Kilometer langen Stadtkurs bei Flutlicht unterwegs sind. In diesem Jahr ist der Grand-Prix-Zirkus am 23. September zu Gast, bis zu 90 000 Zuschauer säumen dann wieder die Strecke, und mancher kann das Rennen direkt vom Balkon seines Hotelzimmers verfolgen.

Oder von einer der vielen Dachterrassen der Stadt. Die sind ohnehin an jedem Abend des Jahres der ideale Ort, um bei dann endlich erträglicheren Temperaturen und leichtem Wind den nahenden Sonnenuntergang zu erleben. Beispielsweise auf dem Dach des Fullerton Bay Hotels, direkt am Singapore River gelegen. Gegen 19 Uhr wird es schwer, einen der begehrten Plätze an der Bar oder in Sitzecken zu finden. Die kleine Snack-Karte hat Extravagantes zu bieten: In Trüffel-Öl frittierte Pommes beispielsweise. Eine Stunde später, es ist inzwischen dunkel über der Stadt, das optische Highlight der anbrechenden Nacht: Gegenüber am Marina Bay Sands beginnt die allabendliche Laser-Show, die gebündelten Lichtstrahlen werden von Dach und Fassade des Hotels gen Himmel geschickt.

Das anschließende Abendessen im Restaurant einnehmen oder ganz einfach mitten auf der Straße den Hunger stillen? Danny plädiert für die ursprüngliche asiatische Küche unter freiem Himmel und hat dafür den Lau-Pa-Sat-Markt ausgesucht. Der existiert täglich nur von 20 bis 24 Uhr und ist in den übrigen Stunden eine ganz normale Straße. Abends aber werden hier blitzschnell Tische und Stühle aufgestellt, zahlreiche Garküchen öffnen, auf dem Grill werden Hähnchen- und Garnelenspieße gegrillt, und es sind Fisch, Gemüse und Reis für kleines Geld zu haben. Das Bier wird aus großen Glaskrügen nachgeschenkt, Softdrinks in Dosen gereicht. Und die ganze Straße ist in den feinen Qualm der zahlreichen Feuerstellen gehüllt. Zu später Stunde nähert sich schon die Müllabfuhr aus den Seitenstraßen. Um Mitternacht ist die Open-Air-Speisung wieder Geschichte, denn gleich rollen hier die Autos. Und in den frühen Morgenstunden beginnt in den Läden rundherum wieder der Geschäftsbetrieb.

Doch Singapur ist durchaus mehr als Bankenzentrum und internationaler Handelsplatz, hat bei allem Bau-Boom das Thema Umwelt- und Klimaschutz nicht aus den Augen verloren. Laut einer Studie ist sie die grünste Großstadt Asiens und verweist nicht ohne Stolz auf 300 Gärten und Parks. Doch damit noch nicht genug: Obwohl schon jetzt 47 Prozent des Stadtgebietes aus Grünflächen bestehen, will man zu einer "Stadt im Garten" werden und investiert derzeit umgerechnet rund eine Milliarde Euro in den Ausbau der botanischen Gärten. Auf drei Landstreifen, rund um eine künstliche Bucht im Meer angeordnet, entstehen gerade die "Gardens by the Bay". Mit rund 100 Hektar Fläche ein gigantisches Erholungsgebiet und ein Freizeitpark für Einheimische und Touristen. Mit eigenen Themenparks, Bäumen und Pflanzen aus allen Kontinenten, teilweise in riesigen Glashallen wie dem neuen Flower Dome untergebracht. Ein Ausflug in luftige Höhen gefällig? Bis zu 50 Meter hohe stählerne Bäume, Supertrees genannt, tragen Orchideen und Kletterpflanzen und sind mit Fußgängerbrücken untereinander verbunden. Abgerundet wird das Projekt von einer Freilichtbühne, bis zu 30 000 Zuschauer können dort Musikveranstaltungen in grüner Umgebung lauschen.

Noch ist "Gardens by the Bay" teilweise eine Baustelle. Bis zum Sommer dieses Jahres, so versprechen Planer und Architekten, werden die ersten Abschnitte der botanischen Weltausstellung für die Besucher geöffnet.