Branchenexperten sind sicher: Ihrem Ruf als Weltmeister im Reisen werden die Deutschen auch in diesem Jahr gerecht - trotz der Euro-Krise

Die Deutschen werden ihrem Ruf als Weltmeister im Reisen auch 2012 gerecht - davon gehen Experten im Vorfeld der Messe Reisen Hamburg (8. bis 12. Februar) aus. "Ich rechne mit einem Wachstum von rund vier Prozent beim internationalen Tourismus", sagt Andreas Sakkas, Präsident des Corps Touristique, der ausländische Tourismusorganisationen in Deutschland vertritt. "Früh buchen ist in. Mittelmeerländer wie Spanien, Griechenland und die Türkei werden wieder ganz vorne in der Gunst der Deutschen stehen. Auch Fernreisen bleiben gefragt, besonders die USA, die Karibik und Südostasien", sagt Sakkas über die Reisetrends.

"Wir stehen erneut vor einem sehr guten Reisejahr", schätzt Prof. Martin Lohmann von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. (F.U.R.). Nach seinen Prognosen werden Urlaubsreisen im eigenen Land mit etwa 30 Prozent den ersten Platz der Hitparade einnehmen, gefolgt von Spanien, der Türkei, Italien und Österreich. Nur 23 Prozent sehen laut Prof. Lohmann finanzielle Barrieren, die ihnen eine Urlaubsreise unmöglich machen. Auch die momentane Euro-Verunsicherung spielt bei der Planung fast keine Rolle.

"Urlaub bleibt auch 2012 die populärste Form des Glücks", sagt Prof. Ulrich Reinhardt von der B.A.T.-Stiftung für Zukunftsfragen. "Eher schränken sich die Bundesbürger im Alltag ein, verkürzen die Reisedauer und die Urlaubskosten, als dass sie die besten Wochen des Jahres daheim verbringen."

Allerdings wird nach Meinung des Freizeitforschers auch 2012 nur gut die Hälfte der Bundesbürger unterwegs sein. Das Budget wird laut Prof. Reinhardt eher für den Haupturlaub verwendet als in mehrere Kurztrips aufgeteilt. Wochenend- und Kurzreisen bleiben eine Ergänzung und keine Alternative. Wer es sich zeitlich und finanziell jedoch leisten kann (vor allem kinderlose Paare und Jungsenioren), macht beides: einen langen Sommerurlaub und zusätzlich noch eine Städtereise, einen Kurztrip oder Eventbesuch.

Eine Studie von Travelzoo, dem weltweit größten Herausgeber von Reiseangeboten im Internet, ergab, dass eine Kurzreise pro Person zwischen 200 und 400 Euro kosten darf, eine lange Reise zwischen 1000 und 2000 Euro.

Nach einer Studie der Commerzbank AG dürften die Reiseausgaben im Ausland um zwei Prozent auf 62 Milliarden Euro steigen. Allerdings gingen wegen des ungünstigen Frankenkurses die Urlaubsausgaben in der Schweiz 2011 um drei Prozent zurück. Elf Prozent weniger deutsche Gäste reisten zwischen Mai und Oktober ins Nachbarland. Das wird sich voraussichtlich auch in diesem Jahr nicht ändern. Dagegen bleiben in Österreich die Preise weitgehend stabil - zumindest bei den Reiseveranstaltern.

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings trotz der guten Prognosen: Der gestiegene Ölpreis lässt den Sommerurlaub teurer werden. So erhöhen Thomas Cook und Neckermann (Halle B7, Stand 613 und 621) ihre Preise für Fernreisen um durchschnittlich drei Prozent, für Thailand sogar um sechs Prozent. Nah- und Mittelmeerziele wie Mallorca, Griechenland, Bulgarien und Kroatien werden im Schnitt zwei Prozent teurer, die Türkei und die Kanaren vier Prozent. Einzig Ägypten und Tunesien werden durchschnittlich um drei Prozent billiger, um den Tourismus dort wieder anzukurbeln. Dagegen bleiben in Polen die Preise weitgehend stabil, ebenso in Kuba und auf den Malediven. Auch Deutschlandurlauber dürfen sich auf ein unverändertes Preisniveau freuen. Ein Plus von vier Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum durfte das Reiseland Deutschland mit 346,5 Millionen Übernachtungen laut Statistischem Bundesamt von Januar bis Ende Oktober 2011 verzeichnen. "2012 rechnen wir sogar mit weiteren Zuwächsen", sagt Claudia Gilles, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Tourismusverbandes (DTV).

Den Grund für die Beliebtheit der eigenen Heimat sieht der DTV darin, dass der Deutschlandtourismus "mit einer hervorragenden Infrastruktur, einem ausgewogenen Preis-Leistungs-Verhältnis und vielseitigen Angeboten für jeden Geldbeutel auf einem soliden Fundament steht".

Dass Deutschland als Reiseziel noch Zuwächse erwarten kann, glaubt auch Prof. Reinhardt von der B.A.T. "Bei europäischen Destinationen heißt es vor allem: Sonne, Strand und Meer." Davon profitieren laut Reinhardt die Ferien-Destinationen rund ums Mittelmeer. Fernreisen sind laut seinen Untersuchungen zwar beliebt, aber die Realisierung können sich nur wenige leisten: "Die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Gewinner und Verlierer setzt sich auch im Urlaub fort."

Trotz des Unglücks der "Costa Concordia" im Januar hält der Boom für Seereisen zumindest hierzulande wohl an. Werner Steinemann, Geschäftsführer von der "Astoria Kreuzfahrten Zentrale" in Osnabrück, einem der führenden Kreuzfahrtenbüros in Deutschland: "Die Buchungen aus Deutschland sind weiterhin konstant, selbst was Schiffe der Reederei Costa Kreuzfahrten betrifft. Die Passagiere sind heutzutage aufgeklärt und wissen, dass es sich in diesem Fall um menschliches und nicht um technisches Versagen gehandelt hat. Ich persönlich hätte mehr Angst, in den nächsten Flieger zu steigen, als auf das nächste Schiff."