Im Schatten von Dubai will auch diese junge arabische Monarchie von der Welt wahrgenommen werden. Einmal im Jahr, wenn der internationale Formel-1-Zirkus hier gastiert, gelingt das bereits.

Ein Taliban boxt. Blitzartig schnellt die Rechte hervor und trifft Uncle Sam frontal. "Gut so! Gib's ihm", ruft einer aus der Menge, die den Kampf beobachtet. Doch Sam schlägt zurück. "Jawohl, mach diesen Schlächter fertig! Er hat's verdient!", bezieht ein anderer Partei. Der Rest der Runde beobachtet den Kampf mit Humor. Schließlich hat ein junger Tamile die beiden Kämpfer in der Hand - in Form von Puppen. Der Puppenspieler will vor allem eines: mit den Polit-Figuren Umsatz machen. Deshalb bekommt bei diesem Show- und Verkaufskampf im Souk, dem Basar im Zentrum von Manama, der Hauptstadt von Bahrain, jeder gleichmäßig seine Prügel. Die Zuschauer und Kunden sollen erheitert und nicht verprellt werden. Der Tamile weiß, dass die Stimmung im Land gespalten ist. Zum einen tritt jeder Bahraini für seine Glaubensbrüder ein, aber gleichzeitig brauchen sie Uncle Sam als Beschützer: heutzutage ein Drahtseilakt, nicht nur für den jungen Tamilen.

Im Hafen von Manama ist die 5. Flotte mit 3000 US-Seeleuten stationiert. Keiner hat etwas dagegen. Im Gegenteil: Die USA als Schutzmacht im Rücken zu wissen, lässt in Bahrain alle besser schlafen. Jeder Bahraini erinnert sich noch an 1957, als der Iran den Inselstaat als seine 14. Provinz deklarierte, und an 1981, als ein iranischer Versuch scheiterte, die Einwohner Bahrains zum muslimischen Fundamentalismus zu bekehren. Im Großen und Ganzen lebt man schließlich nach westlichem Vorbild in Bahrain. Auf den breiten Highways rollen gemächlich dicke Limousinen und noch dickere Jeeps. In klimatisierten, riesigen Shopping-Malls frönen Mann und Frau dem Konsum. Und in Drive-ins werden Burger bestellt, als sei man in den Staaten. Wären da nicht die langen weißen Dishdashas für die Männer sowie die schwarzen Hejab-Umhänge und Abaya-Kopfverschleierungen für die Frauen, könnte man manchmal meinen, gar nicht in Arabien zu sein ...

Bahrain - erst seit 1971 unabhängig - ist ein traditioneller Handelsstaat, hat sich in den letzten Jahren auch als Finanzzentrum etabliert und gilt als eines der liberalsten Länder im Mittleren Osten. Der Inselstaat zählt knapp 750 000 Einwohner, und die größte Insel unter den 33 Eilanden hat nur 160 Kilometer Küstenlänge. Der internationale Handel im Großen hat so manche kleine Freiheit begünstigt. Und die Liberalität Bahrains hat sich herumgesprochen. Sie beschert dem Land Einnahmen durch regelmäßige Invasionen aus dem Nachbarland Saudi-Arabien. Drei Millionen Fahrzeuge rollen pro Jahr über den 25 Kilometer langen King Fahd Causeway, der Bahrain und Saudi-Arabien über das Meer hinweg verbindet. Vorzugsweise an Donnerstagen, dem Beginn des muslimischen Wochenendes, kommen die Saudis scharenweise über die Brücke. Glücklicherweise gibt es keine 1001 Visionen, wie sie weiter östlich in Dubai umgesetzt wurden und damit das Emirat an den Rand des Bankrotts trieben. Aber es gibt Kinos, Klubs und Kneipen, die Alkohol ausschenken, und osteuropäische Damen, die für andere Vergnügungen sorgen. Bauchtänzerinnen und Wasserpfeifen gibt es schließlich auch bei den Saudis zu Hause. Die mitgereiste saudische Damenwelt wird indessen in Einkaufszentren oder im Gold-Souk ruhig gestellt.

Bahrain ist flach, sandig, mit Pipelines überzogen und hat den größten Friedhof der Welt: mit 85 000 Burial Mounds, in Zuckerhutform aufgeschüttete Gräber, in denen die Toten und ihre Habseligkeiten beerdigt wurden. Besonders gut zu sehen am Ortsrand von A'ali: Die Grabkegel erreichen dort Höhen bis 45 Meter. Öl und Gas haben der Region Reichtum beschert. Winzige Urwesen, die sich vor 500 Millionen Jahren in Unmengen zu Schlamm und schließlich zu Kohlenwasserstoff, dem Grundbaustein von Erdöl, verwandelten, sind der Stoff, aus dem die Moderne gemacht wurde. Einheimische müssen weder Steuern zahlen noch medizinisch notwendige Kosten übernehmen. Allerdings gilt das nur für die Bahraini, nicht für Gastarbeiter. "Mir geht's zehnmal schlechter als den Bahraini", sagt ein pakistanischer Taxifahrer, "aber mir geht's auch zehnmal besser als früher in Karachi."

Das Öl ist knapp geworden, auch das Gas reicht nur noch etwa bis 2015. Der ersten Ölquelle weltweit, die am 1. Juni 1932 zu sprudeln begann, ist längst das schwarze Gold ausgegangen. Der Emir hat die Situation erkannt und 2002 mit zur Wahl gestellten demokratischen Reformen und Liberalisierungsprogrammen die Weichen für die Zukunft gestellt: Handel, Banken und Tourismus sollen Bahrain im 21. Jahrhundert ernähren. 94,8 Prozent der Bahraini - erstmals auch die Frauen - stimmten für Reformen und Liberalisierung. Man könnte nun behaupten, dass sich der Emir wie zur Belohung die Freiheit nahm, die Verfassung zu ändern und sich als König auszurufen. Aber stimmiger dürfte sein, dass ein Königreich, unabhängig von möglichen fundamentalistischen Bewegungen, mehr Stabilität nach außen signalisiert - für Investoren, Banker und Touristen, gerade in diesen krisengeschüttelten Zeiten. Bahrain ist seit Februar 2002 eine konstitutionelle Monarchie - nach dem Vorbild in Großbritannien, der ehemaligen Kolonialmacht - und gleichzeitig das jüngste Königreich unter den 19 Königsländern, die souveräne Staaten sind.

Schon 2004 gelang König Sheikh Hamad bin Eissa bin Salman Alkhalifa - auch auf Drängen des Motorsport-begeisterten Kronprinzen - der erste große touristische Coup. Durch die Formel 1 bringt er Bahrain einmal im Jahr überall auf der Welt ins Rampenlicht. Mit einer Investition von 150 Millionen Euro für die Rennstrecke und gemunkelten 20 Millionen an Beratung und Protektion hat Bahrain dem damals noch agilen Dubai ein Schnippchen geschlagen. Die Bahraini sind vom Kamel ab- und in den Ferrari umgestiegen: Bahrain wurde als erstes Land der Region auserkoren, Formel-1-Rennen auszurichten. In diesem Jahr findet das Rennen am 14. März statt. 40 000 Zuschauer auf den Rängen und Millionen in allen Erdteilen an den Fernsehgeräten werden das Eröffnungsrennen der neuen Saison mit Michael Schumacher im Silberpfeil verfolgen.

Selbst die traditionelle Falknerei ist dem modernen Motorsportfieber gewichen. Der Kronprinz jagt seinen Porsche oder eines der anderen 15 Sportgefährte mit bis zu 550 PS über die F-1-Rennstrecke, die dann für ihn gesperrt wird. 16 000 BiDis Gebühr kostet der Spaß. BiDi ist die Abkürzung für Bahrain Dollar, der eigentlich Dinar heißt und etwa mehr als 1,80 Euro wert ist. Ab 165 BiDi darf aber auch jedermann an den offenen Tagen auf die Weltmeisterschaftsstrecke und sich mit seinem Auto austoben. Oder man steigt auf einen Hummer um und bewältigt auf dem Kamelhügel am Rande der Grand-Prix-Strecke ein Offroad-Programm, das vor allem die Saudis gerne buchen. Die Wüste ist in Bahrain zum Spielplatz geworden.

Der junge Tamile hat inzwischen seinen Boxkampf beendet, preist nun das singende Kamel und den Moschee-Wecker an, der einen mit grell tönendem Suren des Morgens aus dem Schlaf wecken soll. Auch der Schneider vis-à-vis der improvisierten Boxarena will sich ein paar Kunden angeln: "Die Dishdasha ist luftig und bequem. Nur 15 BiDi!" Und im Parfümladen wird über Chanel, D&G und Jil Sander befunden wie in einem westlichen Kaufhaus, aber eben in schwarzer Vollverhüllung. Wie meinte Rudyard Kipling einst? "Der Osten ist und bleibt der Osten. Der Westen ist und bleibt der Westen. Und beide Seiten werden wohl nie zusammenfinden."