Urlauber können vor den Profis die Pisten testen: Im größten Skigebiet Nordamerikas sind ab Ende November die Lifte in Betrieb.

Vancouver. In Vancouver und Whistler Mountain werden vom 12. bis 28. Februar 2010 die Olympischen Winterspiele ausgetragen. Skiurlauber können schon vor den Profis die Pisten testen: Ab Ende November laufen die Lifte, alle olympischen Austragungsstätten sind fertig und schon jetzt ist der olympische Geist zu spüren.

Das größte Skigebiet Nordamerikas mit gut 1600 Metern Höhenunterschied besteht eigentlich aus zweien: Blackcomb und Whistler Mountain. Alles ist hier groß, ja gigantisch. Bis zu neun Meter Schnee fallen pro Saison, und wer im Sessellift sitzt, der hat das Gefühl, bis in die Wolken zu fahren - so lang ist das Seil, kein Ende am Horizont in Sicht. Wenn man dann oben ankommt, führt die Abfahrt ebenfalls ins Unendliche - solche Dimensionen ist der europäische Skifahrer nicht gewohnt.

Seit letztem Winter gehört ein weiterer Superlativ hinzu: die "Peak to Peak Gondola" - eine Verbindung zwischen den beiden Skigebieten. Für rund 35 Millionen Euro ist hier die höchste Luftseilbahn der Welt entstanden, die in elf Minuten beide Berge - Whistler und Blackcomb - miteinander verbindet. Auf nur vier Türme ist die mehr als vier Kilometer lange Seilbahn gestützt. Drei Kilometer verläuft das Seil frei tragend - in einer Höhe von bis zu 436 Metern.

Bevor es morgens auf die Bretter geht, stärkt man sich mit einem Frühstück auf der Gipfelstation. Es wird auf Klapptischen angeboten, es gibt Rührei, Speck und Würstchen, Toast und Pfannkuchen, dünnen Kaffee und Orangensaft. Die Atmosphäre gleicht einer Uni-Mensa. Alpenländische Hüttengemütlichkeit sucht man vergebens. Aber darauf kommt es hier nicht an. Niemand würde auf die Idee kommen, sich stundenlang mit Bier oder Glühwein in die Sonne zu setzen. Es geht ums pure Skivergnügen.

38 Lifte verbinden die Strecken unterschiedlichster Schwierigkeitsgrade. Von der flach abfallenden "Family Zone" bis zur äußerst anspruchsvollen olympischen Herrenabfahrt, dem Dave Murray Downhill, benannt nach einer kanadischen Skilegende. Dave Murray war einer der berühmten Crazy Canucks, die in den 1980er-Jahren den Weltcupzirkus aufmischten mit ihrem Motto "win or crash". Die Kanadier haben eine Vorliebe für lustige Namen: Und so nennen sie die Pisten etwa "Toilet bowl" (Toilettenschüssel), Fischauge oder Eselsweg. Auch "Siebter Himmel", "Paradies" oder "Sunset Boulevard" sind typische Bezeichnungen.

Erst in den 1960er-Jahren wurde das Skidorf Whistler Mountain gegründet. Anders als in anderen Skiorten sieht man hier keine riesigen Hotelburgen. Das Motto heißt: Naturmaterialien statt Beton - Holz dominiert das Ortsbild. Autos wurden aus dem Zentrum komplett verbannt. Die verwinkelte Fußgängerzone ist gesäumt von kleinen Boutiquen, jeder Menge Skigeschäften, Restaurants und Pubs. "Whistler Village will nicht wachsen, auch wenn die Versuchung durch Olympia natürlich groß ist", sagt Bretton Murphy von Tourism Whistler. "Whistler soll ursprünglich bleiben." Erklärtes Ziel ist es, den Skifahrer rundum zufriedenzustellen, alles bequem und praktisch zu organisieren. An jedem Lift findet sich deshalb auch eine "sniffle station" - eine Station zum Naseputzen: ein Papiertuchspender mit Abfallbox - selbstverständlich gratis. Ebenso wie das Trinkwasser, das es überall kostenlos gibt. Mehr als 200 Freiwillige - vom Studenten bis zum rüstigen Rentner - bieten ihre Dienste als "mountain host" an. Man kann einen Host für eine Stunde oder für einen ganzen Tag gratis buchen, allein oder in kleinen Gruppen bekommt man eine exklusive Führung durch das Skigebiet, angepasst an die eigenen Wünsche und Bedürfnisse. Natürlich kann man jederzeit auch nur eine Frage stellen, nach den besten Pisten, nach Verbindungsstrecken zu anderen Pisten, es gibt auch Schultafeln mit Kreide - hier hinterlässt man seinen Freunden eine Nachricht, vereinbart einen Treffpunkt oder wird für jeden lesbar seinen Kommentar über diese oder jene Piste los.

Alles kommt einem schon jetzt sehr olympisch vor, sehr international. Das mag an den "lifties" liegen, die aus aller Welt nach Whistler kommen, um meist für ein Jahr dort zu arbeiten und natürlich auch Ski zu fahren. Sie tragen ein Namensschild auf der Brust, auf dem auch ihr Heimatort vermerkt ist. Während Lucy aus Kentucky den Kaffee ausschenkt, steht Ryan aus Sydney am Lift. Beim Skiverleih bedient uns Matthias aus Zürich, die Einstellung der Ski übernimmt Naomi aus Japan.

1500 "lifties" - das ist der Oberbegriff für die Ein-Jahres-Jobber - kommen jeden Herbst nach Whistler. Ihr größtes Problem ist die Zimmersuche. Sie werden am meisten vom olympischen Dorf profitieren, 5000 Betten entstehen hier für die Sportler aus aller Welt. Und wenn die Athleten abgereist sind, dürfen die Saisonkräfte dort Quartier beziehen.