Stormarner Verein erreicht in dieser Saison erstmals in seiner Geschichte Bundesliga-Endspiel und wird nach hartem Kampf deutscher Vizemeister

Grönwohld. Es ist eine Kindheitserinnerung, die viele Männer teilen: Das Ausbreiten einer verstaubten, grünen Plastikmatte, die sich sogleich wieder ein wenig zusammenrollt. Das Hineinfrickeln zweier kleiner Tore. Der schwarz-weiße, zwölfeckige Ball verursacht ein befriedigendes Zischen, wenn er endlich im Netz einschlägt. Schließlich hüpft er klackernd unter ein Sofa. Und der Fußballer aus Metall, der nur noch marginal seine einstige Trikotpracht aufweist, kippt um, sobald ihn eine menschliche Hand verlässt. Der Winter ist vorüber, das Tipp-Kick-Equipment landet wieder im Keller.

Mit all dem hat das, was Kai Schäfer und seine Mannschaftskameraden vom Tipp-Kick Verein Grönwohld teilweise seit Jahrzehnten betreiben, nur wenig zu tun. Sie sind fünf der besten Spieler der Republik, sie sind deutscher Vizemeister. In der Bundesliga behaupteten sich die Stormarner gegen Teams aus Frankfurt, Berlin und die Flinken Finger aus Fürstenfeldbruck. Als Tabellendritter zogen sie das dritte Mal in Folge in die Play-offs ein. In Kaiserslautern bezwangen Schäfer, Michal Zaczek, Marc Koschenz und Fabio de Nicolo (der fünfte Spieler Michael Hümpel war nicht dabei) im Halbfinale den TKC 71 Hirschlanden, unterlagen im ersten Endspiel der Vereinsgeschichte aber mit 15:17 Punkten dem Favoriten aus Hannover.

Schäfer, der in Trittau wohnt und dort bei der Gemeindeverwaltung arbeitet, ist das letzte noch aktive Gründungsmitglied des Vereins. 1984 gab er dem regelmäßigen Tipp-Kick-Spielen mit Freunden einen offiziellen Rahmen. Gelegentlich nimmt der 44-Jährige auch an Einzelturnieren teil, 2008 und 2009 gewann er sogar. Bis zu 100 Spieler vom Kind bis zum 60-Jährigen versammeln sich dann in einer großen Halle und treten in zweimal fünf Minuten gegeneinander an, jeder bedient einen Torwart und einen Feldspieler.

Die Atmosphäre auf diesen Veranstaltungen habe sich im Laufe der Jahre verändert, erzählt Schäfer. „Früher ging es da auch mal unfair zu, inzwischen sind wir eine große Familie.“ Die besten Tipp-Kicker nehmen ihren Sport trotzdem richtig ernst. „In den entscheidenden Spielen wird der eine oder andere schon mal laut“, sagt der Fan des FC St. Pauli, der früher als Rechtsverteidiger für die FSG Südstormarn auflief.

Um in Deutschland oben mitzuspielen, ist es nicht damit getan, dem metallenen Feldspieler kräftig auf den Kopf zu hauen oder das, laut Schäfer, besonders schwierige Torwartspiel zu üben. Wer etwas erreichen möchte, ist ständig auf der Suche nach Verbesserungen beim Spielermaterial. Die neueste Innovation sind mit einem Kugellager ausgestattete Beine. Kosten: Ab 100 Euro. „Damit hat das Schussbein kein seitliches Spiel mehr“, sagt Schäfer. Für Errungenschaften wie diese, für auf den perfekten Effetschuss zugeschnittene Spielfiguren und individuell gefeilte Edelstahl-Beine ist inzwischen ein kleiner Markt entstanden, auf dem sich Tüftler etwas dazuverdienen.

Das „ZEITmagazin“ beschrieb Tipp-Kick einmal als eine Mischung aus Billard, Tischtennis und Blitzschach. Als offizielle Sportart ist das Spiel auf der im Maßstab 1:100 einem Fußballfeld nachempfundenen Fläche aber nicht anerkannt – anders als etwa Tischfußball. „Wenn der Deutsche Tipp-Kick-Verband den Antrag stellen würde, würde dem inzwischen sicher stattgegeben werden“, sagt Schäfer.

Erst Mitte August geht es für den amtierenden Vizemeister weiter, bis dahin ruht der Spielbetrieb in der Bundesliga. Kai Schäfer und seinen Teamkameraden bleibt also mehr Zeit für sommerliche Ausflüge. Trotzdem: Das Tipp-Kick-Equipment landet ganz sicher nicht im Keller.