Zum sechsten Mal ging es beim größten Turnier Norddeutschlands um die Michel-Pokale. 669 Startmeldungen

Glinde. Bis hinaus auf den Parkplatz ist das rhythmische Klatschen zu den Klängen des Dschungelbuch-Klassikers „I Wanna Be Like You“ zu hören. Dort wo die Musik herkommt, wirbeln Paare über das Parkett. Am Rand des Raumes stehen schnell atmende Männer im Frack und fächern Luft in ihre stark geschminkten Gesichter. Sie haben Pause. Einige sprechen dänisch, andere berlinern oder sächseln.

Zum mittlerweile sechsten Mal hatte die Tanzsportabteilung des TSV Glinde zu den Standard-Wettbewerben um die Michel-Pokale geladen. Rund 450Paare aus ganz Deutschland sowie Dänemark und Österreich folgten der Einladung. Viele nahmen an mehreren der 40 verschiedenen Wettbewerbe teil, sodass der TSV 669 Meldungen verzeichnete. An zwei Tagen wurde im TanzCentrum von 9 bis 21 Uhr getanzt. Insgesamt kamen rund 500 Zuschauer. Zahlen, die in ganz Norddeutschland, wo Turniere oftmals wegen mangelnden Zuspruchs abgesagt werden müssen, ihresgleichen suchen.

Seit 2009 haben es die Organisatoren geschafft, das Turnier zu einer Institution zu machen. Die Tanzpaare schätzen die gute Organisation, die Atmosphäre – und schlichtweg, dass sie sich mit so vielen anderen Teilnehmern beim Langsamen Walzer, Tango, Wiener Walzer, Slow Foxtrott und Quickstep messen können. Nur wer sich gegen viele Konkurrenten durchsetzt, sammelt wichtige Punkte für den Aufstieg in die nächste Klasse.

Um diese Punkte ging es auch für die Lokalmatadoren Nadine Beyer und Jan Petersen. Sie haben es bislang in die zweithöchste Klasse geschafft. Bei ihrem „Heimturnier“ traten die beiden 31-Jährigen in mehreren Wettbewerben an. Ihre beste Platzierung feierten die amtierenden Hamburger Vizemeister am ersten Wettkampftag mit Platz drei in der Hauptgruppe II A.

Anderthalb Minuten Quickstep sind so kraftraubend wie ein 1.000-Meter-Lauf

Um mittelfristig den Aufstieg zu schaffen, trainieren Beyer und Petersen zwei- bis dreimal in der Woche. „Für uns steht der Spaß im Vordergrund“, sagte Petersen, „es bleibt ein Hobby.“ Ein kostspieliges allerdings. Beyers blau-pinkes Kleid hat fast 2.000 Euro gekostet. Als Betreiber einer Randsportart haben sie immer wieder mit denselben Klischees zu kämpfen. „Gerade als Mann wird man schon oft belächelt“, so Petersen. Beyer ergänzte: „Die meisten glauben auch nicht, dass es sich um echten Leistungssport handelt.“ Dabei ist eine 90-sekündige Quickstep-Einlage in etwa so kraftraubend wie ein 1.000-Meter-Lauf. Und wenn die Paare bei den Turnieren zum Quickstep antreten, haben sie schon vier andere Standardtänze hinter sich gebracht.

Dasselbe anstrengende Programm spulten Mathias Bauch, 43, und Sandra Dörsing, 33, ebenfalls vom TSV Glinde, ab – und triumphierten. In der Klasse Senioren I A belegten sie den ersten Platz. „Das war bislang unser größter Erfolg überhaupt“, sagte Bauch. Beide waren erst vor einem Jahr bei ihrer ersten Teilnahme in Glinde in die Klasse aufgestiegen – und wechselten danach vom VfL Lüneburg nach Stormarn. „Hier sind die Trainingsbedingungen besser“, so Bauch. Angesprochen auf das Turnier geriet er gar ins Schwärmen: „Die Organisation ist spitzenmäßig. Das ist bei vielen Turnieren anders. Bei den Hamburger Meisterschaften gab es drei Stunden Verspätung.“

Fast auf die Minute genau wurde dagegen der Zeitplan bei dem unter anderem von Abteilungsleiter Walter Otto organisierten Turnier eingehalten. Der 75-Jährige, der die Sparte 1980 mitbegründete, zeigte sich überhaupt hochzufrieden mit dem Ablauf. „Ich hatte immer den Eindruck, dass alles geordnet ablief“, sagte er. In den letzten Tagen hatten die Vorbereitungen einem Fulltime-Job geglichen. Einer der 120 Helfer nahm gar eine Woche Urlaub, um regelmäßig dabei sein zu können. Für die Musik sorgten am ersten Tag Michael Bortels und am zweiten Tag Holger Schumann – indem sie jeweils 13 Stunden fast ununterbrochen die passenden Titel auswählten.

Auch Norman Ritter, 26, der Latein im TSV Glinde tanzt und Kerstin Jühlke, 34, vom Mitausrichter Club Saltatio Hamburg gehörten zu den Helfern. „Direkt nach dem Turnier beginnt eigentlich schon wieder die Vorbereitung auf das nächste Jahr“, so Jühlke. Ritter sagte: „Es hat sich inzwischen ein Kern von etwa 13 Leuten gefunden. Die Zusammenarbeit wird von Jahr zu Jahr besser.“

Einige Stunden nachdem der letzte Quickstep getanzt ist, haben sich die Teilnehmer aus Österreich für eine letzte Nacht auf die Hotelzimmer zurückgezogen, die Teilnehmer aus Berlin sind wahrscheinlich bald schon zu Hause angekommen. Die Aufräumarbeiten im Glinder TanzCentrum neigen sich dem Ende, es wird norddeutsch gesprochen. Die Musik ist verklungen. Am 28.Februar und 1. März 2015 wird sie wieder bis auf den Parkplatz zu hören sein.