Matti Steinmann weiß, dass er beim Hamburger Sportverein als großes Talent gilt. Der 17-Jährige will die hohen Erwartungen erfüllen.

Bargteheide. Matti Steinmann möchte nicht auffallen. "Ich bin kein Lautsprecher", sagt er über sein Verhalten auf dem Fußballplatz. Oder meint er damit seine Art zu kommunizieren? Er redet leise und bedacht. Es liegt ihm fern, sich in den Mittelpunkt zu rücken.

Der 17-jährige Bargteheider wohnt seit einem Jahr im Internat des Hamburger Sport-Vereins in Norderstedt. Im Juli spielte er im Freundschaftsspiel gegen den FC Barcelona 45 Minuten lang - vor 57 000 Zuschauern. Seine ruhige Art überträgt er auf die Mannschaft, er ist ballsicher und in der Lage, das Spiel zu gestalten.

Als Bindeglied zwischen Abwehr und Angriff bekleidet er die wohl wichtigste Position des modernen Fußballs. Dass er in den vergangenen Wochen vermehrt in der Zeitung gelobt wurde, relativiert er, sagt: "Das wurde alles hoch gekocht." Dabei hält Thorsten Fink in der Tat große Stücke auf ihn. "Wir haben mit Matti Steinmann ein sehr großes Talent in unserem Nachwuchs. Er ist zwar erst 17, aber wir werden ihn dazu nehmen", begründete der Cheftrainer der Bundesligamannschaft die Nominierung des defensiven Mittelfeldspielers für die gesamte Saisonvorbereitung.

In Schweden nahm Steinmann an der außergewöhnlichen Teambuilding-Maßnahme teil. Im sogenannten Überlebenscamp fing er Fische mit René Adler und machte Feuer mit Heiko Westermann. Im österreichischen Zillertal lernte er die harten Abläufe im Alltag einer Profimannschaft kennen. Er versuchte, mit den erfahrenen Spielern mitzuhalten und freute sich über einige Testspieleinsätze. In Südkorea wohnte er mit Tomás Rincón auf einem Zimmer. Von der Reise kehrte er mit Eindrücken eines für ihn bis dahin unbekannten Kontinents zurück. Was andere Nachwuchsspieler schnell ins Schwärmen bringen würde, beschreibt Steinmann in seiner nüchternen Art: "Es war eine neue Erfahrung, das Training mit den Profis hat mir weitergeholfen. Nun muss ich mich aber wieder auf den Alltag konzentrieren".

Alltag bedeutet für ihn neben den Einsätzen in der zweiten Mannschaft, in der er von Trainer Rodolfo Cardoso für diese Saison als Stammspieler eingeplant ist, Schule und Training. Er geht auf das Heidberg-Gymnasium, einer Partnerschule des HSV, Unterrichtszeiten werden an die Fußball-Termine angepasst. Gut in Mathe sei er, nicht so sehr in Deutsch. "Ein ganz normaler Durchschnittsschüler eben", sagt er und verleiht seiner Stimme dabei ungewöhnlich viel Nachdruck. Nicht herauszuragen, das ist ihm auch auf der Schule wichtig.

Bis zur D-Jugend schnürte er für den TSV Bargteheide die Fußballschuhe, viele seiner damaligen Mannschaftskameraden spielen noch immer an der Alten Landstraße. Bargteheide sei "seine Stadt." So oft es ihm möglich ist, besucht er die alten Freunde oder fährt mit ihnen ans Meer. Dann erzählen sie Geschichten, von Urlaub und Partys. Steinmann hat spätestens um 22 Uhr im Internat zu sein. Für eine Freundin hat er keine Zeit, wie er sagt. Kommt manchmal Wehmut auf? "Ich vermisse das nicht. Mein Leben ist der Fußball und danach richte ich alles aus", versichert er. "Man will sich nicht in zehn Jahren eingestehen müssen, nicht alles gegeben zu haben."

2008 wurde er beim "Young Talents Day" erstmals entdeckt. Nach der vom SV Eichede ausgerichteten Scouting-Veranstaltung sprachen ihn Beobachter an, luden ihn zum Probetraining beim HSV ein - er lehnte ab. "Ich wollte lieber noch mit meinen Freunden zusammen spielen", sagt er. Als er ein Jahr später wieder die Chance erhielt, habe er nicht widerstehen können. Seitdem reife in ihm der unbändige Wunsch, Profifußballer zu werden. Nun sei er bereit, dafür Opfer zu bringen. "Natürlich hat man wenig Freizeit, aber man weiß ja, wofür man so hart arbeitet", sagt er und vermeidet dabei wie so oft das Wort "ich". Sämtliche Zeit in einen Wunsch zu investieren, den von vielen Seiten ausgeübten Leistungsdruck als etwas Positives anzusehen und täglich bis zur Erschöpfung zu arbeiten formuliert er nebensächlich wie eine allgemein gültige Formel. "Man versucht halt, sein Bestes zu geben."

Auch wenn er die Frage, ob er im Umgang mit den Medien geschult werde, verneint; Steinmann formuliert auffallend professionell. Auch Selbstkritik, wie sie heutzutage besonders von jungen Spielern erwartet wird, hat er parat. "Ich bin nicht der Schnellste, muss an meiner Spritzigkeit arbeiten", sagt er. Im defensiven Zweikampf sei er noch nicht robust genug. Er gibt sich bescheiden, zurückhaltend, kontrolliert. "Man versucht halt, nichts Falsches zu sagen." Man mag ihm seine unverbindlichen Antworten als Floskeln auslegen. Doch er arbeitet auf die Erfüllung seines Traums hin. Auf seine Art. Er steuert auf eine Laufbahn als Profifußballer zu und will sich dabei nicht von der Außenwelt ablenken lassen. Von einer Freundin, für die er keine Zeit habe nicht, und erst recht nicht von den Medien, die schnell alles hochkochten.

Wenn der HSV am heutigen Sonnabend gegen den FC Nürnberg sein erstes Saisonspiel bestreitet, wird Matti Steinmann mit der Zweitvertretung beim ETSV Weiche Flensburg in der Regionalliga auflaufen. Eines Tages jedoch will er sein erstes Bundesligaspiel bestreiten. Und den 57 000 Zuschauern im Hamburger Stadion auffallen.