Oststeinbeks Michael Weiß spricht über verfehlte Personalpolitik und unnötige Proteste

Als er vor zweieinhalb Jahren aus Schwaben zum Oststeinbeker SV wechselte, wurde Michael Weiß schnell zu einer festen Größe bei dem Stormarner Fußball-Oberligaklub. Inzwischen ist er Mannschaftskapitän und eine der wenigen Konstanten in einem Team, dessen Personal der Verein vor dieser Saison beinahe komplett austauschte. Allzu häufig war Weiß, 28, Angestellter bei einem Versicherungsmakler, in den vergangenen Monaten als Krisenmanager gefragt in einem Verein, der vor allem mit finanziellen Schwierigkeiten und internen Querelen für Schlagzeilen sorgte. In der Stormarn-Ausgabe des Hamburger Abendblattes spricht der Mittelfeldspieler über die turbulente Hinrunde des OSV.

Hamburger Abendblatt:

Herr Weiß, zur Winterpause stehen Sie mit dem Oststeinbeker SV auf dem neunten Tabellenplatz, die Mannschaft hat sich erstmals für die Hamburger Hallenmeisterschaften qualifiziert. Eine gute Hinrunde?

Michael Weiß:

Ich will nicht sagen, dass ich vor der Saison Angst hatte, aber ich war schon sehr gespannt wegen des regen Transferbetriebs bei uns. Jetzt sehe ich weniger die Platzierung, als dass wir schon 24 Punkte haben. Damit können wir sehr zufrieden sein.

Trotz des sportlichen Erfolgs ist die Außendarstellung des Vereins zumindest verbesserungswürdig. Woran liegt das?

Weiß:

Es begann damit, dass wir zweimal Protest vor dem Sportgericht eingelegt haben, das kam nicht gut an. Den Einspruch nach unserer desaströsen Leistung im Pokalspiel beim SC Schwarzenbek hätten wir nicht machen sollen, da waren wir schlechte Verlierer. Wir haben uns damit viele Gegner gemacht. Aber der zweite Protest gegen den Meiendorfer SV war trotzdem gerechtfertigt.

Der MSV hatte das Heimspiel gegen Oststeinbek wegen Unbespielbarkeit des Platzes abgesagt, hätte aber, so der Hamburger Fußballverband, die Partie auf den Ausweichplatz verlegen müssen.

Weiß:

Da hat Meiendorf einfach einen glasklaren Fehler gemacht. Die drei Punkte, die uns zugesprochen wurden, haben uns aber auch sehr gut getan.

Für öffentliche Diskussionen hat aber auch die extrem hohe Fluktuation an Spielern vor der Saison gesorgt. Der Verein hat als Hauptgrund angegeben, mit den finanziellen Angeboten der Konkurrenten nicht mithalten zu können. Ist es heutzutage eine zu romantische Vorstellung, dass Spielern nicht nur Geld wichtig ist, sondern auch Erfolg und ein funktionierendes Team?

Weiß:

Bei einem Großteil der Fälle ging es wohl tatsächlich um Geld. Wenn ich mir überlege, dass Onur Ulusoy und Ivan Sa Borges Dju jetzt bei Eintracht Norderstedt spielen und einen viel weiteren Anfahrtsweg in Kauf nehmen, muss man wohl sagen, dass sie dem Lockruf erlegen sind. Aber so war es ja nicht bei allen. Frederik Gößling zum Beispiel hat eine Riesenchance bekommen im Trainerstab des FC St. Pauli. Und dann gab es andere, die gegangen sind, weil sie mit ihren Einsatzzeiten nicht zufrieden waren. Denen muss man sagen, dass Stefan Kohfahl ein Trainer ist, bei dem jeder, der sich voll reinhängt, auf 20 Spiele kommt. Selbstkritik gibt es bei den Spielern ja heute nicht mehr. Da ist die Mentalität eine andere als früher. Manchmal entscheiden auch Kleinigkeiten, da will ich den Verein nicht von jeglicher Schuld freisprechen, dass die Kommunikation vielleicht nicht immer ganz funktioniert hat. Es haben letztlich diverse Dinge eine Rolle gespielt, aber unter dem Strich ist es eine Katastrophe, 15, 16 Neue integrieren zu müssen. Dann trotzdem 24 Punkte zu holen, ist überragend.

Zumal der Verein zwischenzeitlich auch noch finanzielle Engpässe hatte. Wie haben Sie reagiert, als der OSV nicht mehr pünktlich zahlen konnte?

Weiß:

Zunächst einmal: Das war in dem Sinne kein Engpass, sondern nur eine verspätete Auszahlung, einmal um fünf Tage, einmal um sechs oder sieben Tage. Für mich ist Fußball ein Hobby, ich verdiene mein Geld woanders, da kommt es mir auf einen Tag nicht an. Manche Spieler, und das kann ich auch verstehen, haben gesagt, dass sie das Geld sofort brauchen, weil eine Zahlung fällig wird. Aber denen wird dann auch geholfen. Ich denke, dieser Punkt ist einfach viel zu hoch gehängt worden. Bei anderen Vereinen wäre so etwas gar kein Thema gewesen. Wir haben bei uns vielleicht den einen oder anderen Spieler, der zu wenig nachdenkt, bevor er gewisse Aussagen trifft. Das war dann ein gefundenes Fressen für die Presse.

Intern gab es offenbar sehr viel Unruhe wegen der Finanzen. Inwieweit waren Sie als Mannschaftskapitän an der Lösung des Problems beteiligt?

Weiß:

Bei solchen Sachen werde ich dazugeholt, und die Verantwortlichen haben mich gebeten, die Mannschaft über die Verzögerungen zu informieren. Sicher hatte der eine oder andere kein Verständnis dafür, und dann gab es etwas Unruhe. Aber was berichtet wurde, dass hier Spieler deshalb streiken wollten, das war sicher übertrieben. Jedenfalls waren die Betreffenden ganz normal bei der Besprechung und haben dann ja auch gespielt. Ich habe von einem Streik nichts mitbekommen.

Von den Neuzugängen vom vergangenen Sommer sind einige schon gar nicht mehr da, andere, sagt der Trainer, stehen aus disziplinarischen Gründen auf dem Prüfstand. Hätte der Verein bei den Transfers mehr auf den Charakter der Spieler achten müssen?

Weiß:

Das ist grundsätzlich immer ein Kriterium, das man abprüfen sollte. Sportlich waren es auf jeden Fall gute Transfers. Aber vielleicht haben wir zu viele Leute mit Führungsansprüchen geholt, die bei ihren alten Vereinen viel zu sagen hatten oder auch schon höherklassig gespielt haben. Irgendwann ist das ein bisschen aus dem Ruder gelaufen. Da waren nicht mehr zwei oder drei Führungsspieler, sondern fünf oder sechs. Das ist zu viel. Da stimmt die Mischung nicht. In diesem Punkt hätte man sicher eine bessere Personalpolitik machen können.

Von einem Führungsspieler, Marcus Rabenhorst, hat sich der Verein nach internen Differenzen getrennt. Die richtige Entscheidung?

Weiß:

Da fehlen mir absolut die Detailinfos. Ich kann das nicht beurteilen und halte mich da deshalb völlig raus.

Der OSV hat seit Jahren Erfolg, ist sehr schnell von der Bezirks- bis in die Oberliga aufgestiegen. Sind die jetzigen Probleme der Preis für die schönen Jahre? Ist ein kleiner Verein wie der OSV in der Oberliga überfordert?

Weiß:

Auf jeden Fall ist die Oberliga für einen Klub wie uns eine hohe Messlatte. Man sieht es ja daran, dass in den vergangenen Jahren die Aufsteiger meistens gleich wieder abgestiegen sind. Sportlich läuft es phänomenal, wir haben ein großes Potenzial auch bei den Zuschauern. Aber wenn bei uns nicht jeder am Limit fährt, dann geht es schnell wieder nach unten.

Wo muss sich der Verein noch verbessern, um das zu vermeiden?

Weiß:

Man hat mir gesagt, dass wir vergangene Saison der beste oder zweitbeste Aufsteiger in der Oberliga waren, den es je gab. Da war eine Euphoriewelle, die hätte man vielleicht mehr ausschöpfen können bei den Sponsoren, um für härtere Zeiten vorzusorgen. Jetzt liegt die Messlatte höher, da erwartet man im Umfeld, dass wir wieder Sechster werden. Aber im Sommer war eben eine Zeit, in der das Geld bei den Unternehmen nicht gerade locker saß.

Ist es nicht so, dass sich die Strukturen insgesamt verbessern müssen? Oder wie wird es in der Mannschaft gesehen, wenn der Trainer im Spiel gegen den Tabellenführer fehlt, weil er das A-Juniorenteam betreuen muss?

Weiß:

Der Trainer war damals hin- und hergerissen. Wir haben ja vor dieser Saison schon drei, vier hochkarätige Nachwuchsspieler in unseren Kader bekommen. Wir sind auch in der Zukunft auf die eigene Jugend angewiesen. An diesem Tag war ein sehr wichtiges A-Jugendspiel gegen den Abstieg aus der Regionalliga, deshalb ist Stefan Kohfahl dorthin gefahren. Ich weiß nicht, ob es sinnvoll wäre, noch ein zweites Mal in dieser Saison in der A-Jugend den Trainer zu wechseln. Eher sehe ich das Verbesserungspotenzial da, dass man in Zukunft langfristig plant und Überschneidungen in den Spielen der beiden Teams vermeidet.

Gegen den FC St. Pauli II haben Sie Stefan Kohfahl vertreten, weil Sie zuletzt ohnehin verletzt pausieren mussten. Wann sehen wir Sie wieder auf dem Platz?

Weiß:

Ich habe Probleme mit der Plantarissehne, die ist überreizt, überlastet, und das kann man nicht mal eben schnell behandeln, sondern da hilft nur Ruhe. Der Arzt sagt, ich soll bis Februar Pause machen, mein Ziel ist, Mitte Januar wieder einzusteigen. Zum Rückrundenstart werde ich auf jeden Fall wieder da sein.

Vielleicht können Sie zum Schluss noch eine Sache erklären, die vielen Rätsel aufgibt: Seit anderthalb Jahren gewinnt der OSV fast jedes Heimspiel, auswärts gibt es kaum mal etwas zu holen.

Weiß:

Wir trainieren auf Kunstrasen, und wir haben ohnehin sehr viele gute Fußballer und sind eine Mannschaft, die mehr auf das Spielerische ausgerichtet ist. Wenn wir dann auswärts auf irgendeinem Acker ranmüssen gegen einen kampfstarken Gegner, dann haben manche von uns große Schwierigkeiten, sich umzustellen. Da lassen wir uns dann niederringen, weil uns die letzte Konsequenz fehlt. Manchmal kosten uns aber auch Unkonzentriertheiten, die nichts mit dem Spielort zu tun haben, die Punkte. Eine richtige Erklärung für unsere desolate Auswärtsbilanz habe ich allerdings nicht.

Was wünschen Sie sich zu Weihnachten und im neuen Jahr für den OSV?

Weiß:

Ich wünsche mir, dass es ein bisschen ruhiger wird um den Verein. Nur das Kollektiv hält uns am Leben. Deshalb sollten wir uns nicht mehr über Lappalien aufregen, uns nicht gegenseitig, sondern für den sportlichen Erfolg zerreißen.