Drei Stormarner spielen mit den Lübeck Cougars ab Sonnabend in der höchsten deutschen Klasse. Saisoneröffnung gegen die Dresden Monarchs.

Ahrensburg. Immer und immer wieder stellen sich die Lübecker Footballspieler auf dem Trainingsplatz gegenüber auf. Kurz halten sie inne, warten bis der Ball freigegeben ist, dann stürzen sich ein Dutzend Männer in schwerer Ausrüstung aufeinander, begraben sich gegenseitig untereinander in einem Knäuel aus Fleisch und Muskeln. Florian Dannehl steht am Spielfeldrand und beobachtet das Training. Der Tremsbütteler ist Defensivcoach der Lübeck Cougars, die wohl so hart wie nie zuvor in ihrer 25-jährigen Vereinsgeschichte trainieren, denn am Sonnabend startet ihr großes Abenteuer in der German Football League.

Der Aufsteiger eröffnet gegen die Dresden Monarchs (Buniamshof, 18 Uhr) die neue Saison in der höchsten deutschen Spielklasse im American Football. Dannehl ruft präzise Anweisungen auf den Platz, die Spieler nicken, dann stellen sich wieder auf, warten auf das Kommando und der Kampf beginnt von vorne.

Mitten drin im Getümmel auf dem Spielfeld stecken zwei weitere Stormarner. Alexander Radzko und Sean Averhoff, beide sind Leistungsträger, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Hier Radzko, der 1,91-Meter-Hüne aus Trittau, der seine 120 Kilo in jede gegnerische Abwehrreihe schmeißt, um zum gegnerischen Quarterback, dem Spielmacher und Ballverteiler, durchzubrechen und diesen zu Boden zu bringen.

Auf der anderen Seite Sean Averhoff, einer der besten Verteidiger Deutschlands, der sich 2007 nach WM-Bronze in das Goldene Buch seiner Heimatstadt Bad Oldesloe eintragen durfte. In Lübeck schaffte Averhoff einst den Sprung aus der Jugend in die Zweite Bundesliga, es folgten weitere Stationen in München, Berlin und Marburg. Inzwischen hat der 27-Jährige sein Studium der Politikwissenschaften abgeschlossen und ist in den Norden zurückgekehrt, um seinen Beitrag leisten, damit die Cougars ihr Saisonziel Klassenerhalt erreichen.

Averhoff, ein "herausragender, vielseitig einsetzbarer Athlet" wie ihn sein Trainer beschreibt, lauert zumeist in der hinteren Reihe auf Pässe der Gegner. Kommt ein Wurf ungenau, ist er zur Stelle und unterbricht den gegnerischen Spielzug. Gelingt dem Gegner aber der Pass, so steht der Oldesloer vor dem zweifelhaften Vergnügen, sich seinen Gegnern, die wie 100 Kilo schwere Dampfwalzen auf die Endzone zurollen, entgegenzustellen.

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"Nicht jeder kann Football spielen", bemerkt Coach Dannehl, wenn er über die Aufgaben seiner Schützlinge spricht. "Es erfordert viel Kraft, Disziplin und vor allem Mut, für das Team immer wieder alles in die Waagschale zu werfen." Der 39-jährige weiß, wovon er spricht. Als aktiver Footballer ist er zweimal Deutscher Meister mit den Kiel Baltic Hurricanes geworden.

Anfang der 1990er-Jahre begann Dannehl seine aktive Karriere als Spieler der Stormarn Vikings, doch als das Projekt im Kreis scheiterte, zog er weiter und feierte Erfolge bei den Spitzenklubs aus Hamburg und Kiel. Seit einem Jahr steht er nun in Lübeck an der Seitenlinie und ist "dort zum ersten Mal an einer Trainerstation richtig angekommen", wie er sagt.

Das Engagement bei den Cougars erreicht nun mit der Bundesliga-Saison seinen vorläufigen Höhepunkt. Und das stellt Dannehl vor eine wahre Herkulesaufgabe: Er muss seine Verteidigung auf die besten Offensivreihen der Liga vorbereiten und den Beweis antreten, dass die Lübecker in der Beletage mithalten können.

"Eine akribische Vorbereitung und gutes Training ist auf diesem Niveau unglaublich wichtig", sagt Dannehl. "Jede einzelne Trainingseinheit, jedes Spiel wird ausgiebig vor- und nachbereitet", erklärt er. Hinzu kommt intensives Videostudium.

Eine zweite Vollzeitbeschäftigung sei der Trainerjob, so Dannehl, der mit seinem Kfz-Sachverständigenbüro vor wenigen Jahren aus Ahrensburg nach Hamburg expandierte. Dannehl: "Fast 40 Stunden Arbeitsaufwand kommen in der Woche zusammen." Ehrenamtlich versteht sich, denn Dannehl und Haupttrainer Mark Holtze, hauptberuflich Polizeikommissar, sind die einzigen unbezahlten Coaches in der Ersten Liga. "Eine besondere Konstellation, manche Gegner haben einen zehn Mal so hohen Etat wie wir", sagt Dannehl.

Hamburg, Kiel, Braunschweig, Berlin - dass sich die Lübecker jetzt in dieser illustren Runde von gleichermaßen erfolgreichen wie traditionsreichen Football-Klubs befinden, verdanken sie dreierlei Dingen: Einer Aufstockung der Ersten Liga von sechs auf acht Teams pro Nord- oder Südstaffel, dem Bankrott der Mönchengladbach Mavericks und einem enormen Kraftakt in Lübeck, als man sich dazu entschloss, den angebotenen freien Platz im Football-Oberhaus anzunehmen.

Ob und inwiefern der Offensivspieler Kolja Annussek in dieser Saison mit auf Punktejagd gehen wird, ist noch unklar. Der 23-jährige Sieker, der vierte Stormarner im Bunde, wird das Erstligaabenteuer womöglich nur aus der Ferne beobachten können, da er sein Sozialökonomie-Studium in England fortsetzen wird. "Ich bin mit dem Herzen bei den Jungs dabei und wünsche ihnen, dass sie den Klassenerhalt packen", sagt Annussek.

Völlig unstrittig ist indes das Engagement der anderen beiden Stormarner Radzko und Averhoff. Und neben dem umjubelten Rückkehrer Averhoff ist auch Radzkos Rolle im Team eine ganz Besondere, denn der in Münster stationierte Oberstleutnant der Bundeswehr schafft es nur in Ausnahmefällen zum Mannschaftstraining. Stattdessen findet sein Training die komplette Saison über in Eigenregie statt. Dafür legt er eine hohe Disziplin an den Tag, für die er großen Respekt seiner Trainer erntet.

Der 38-Jährige blickt auf eine lange Karriere als Hochleistungssportler zurück, war vier Jahre lang professioneller Bahnradfahrer, gewann zwei Deutsche Meisterschaften und nahm an zwei Weltmeisterschaften teil. 2000 sattelte Radzko dann zum American Football um, hat dort eine klare Idee von seiner Rolle als Defensivspieler: "Beim Football fällt die Defense nur auf, wenn sie Mist baut. Das gilt es zu vermeiden."