Fünf weit gereiste Talente trainieren in Stormarn für eine Profikarriere. Zwei von ihnen wollen am Sonntag ihr Debüt für den SVE geben.

Steinburg. Sein erster Morgen in Deutschland ist grau und nass und stürmisch, Kim Yee Chan fröstelt. Am Abend ist sein Flieger aus Südkorea gelandet, jetzt steht der 16-Jährige in Leibchen und kurzer Hose auf dem vom Winterwetter sichtlich mitgenommenen Rasen des Ernst-Wagener-Stadions, seiner sportlichen Heimat auf Zeit. Der Wind pfeift, und als die Fotografen abdrücken, bringt der jüngste Neuzugang des SV Eichede nur mit Mühe ein Lächeln zustande. Der Fernost-Import muss erst noch warm werden mit der fremden Umgebung.

Aber Kim Yee Chan ist in guter Gesellschaft bei dem Fußballklub aus Stormarn, als Koreaner Nummer fünf. Im Mittelpunkt stehen dort zwei Landsleute von ihm, die noch in diesem Frühjahr die Asien-Offensive der Steinburger auch sportlich zu einem Erfolg machen sollen und nun geschützt vor Wind und Wetter im Vereinsheim neben ihm sitzen und Limonade schlürfen. Verteidiger Kim Bumjoon und Mittelfeldmann Lim Chungman, beide 21 Jahre alt, sind für die Rückrunde der Schleswig-Holstein- Liga spielberechtigt, schon am Sonntag im Duell mit dem SC Comet Kiel könnten sie im rot-weißen Dress debütieren.

Ehrengast am Spielfeldrand wird dann wahrscheinlich Chae Gue Chun sein, Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Sport- und Kulturvereins in Hamburg (DKSV), der immer wieder Talente nach Deutschland bringt. Manche spielen im Jugendbereich des Hamburger SV, andere lernen beim SVE - seit ein paar Monaten DKSV-Kooperationspartner - eine fremde Kultur und neue Trainingsmethoden kennen. In Südkorea verbringen Jugendliche wie Kim Yee Chan meist den ganzen Tag auf dem Fußballplatz. Nun sollen sie lernen, dass auch Profi werden kann, wer vormittags zur Schule geht.

Berufsfußballer, das ist auch das Ziel von Chung Eun Suk (15), jüngster der Eicheder Koreaner und seit zwei Jahren in Deutschland. In jeden Ferien fliegt er nach Hause, hin- und hergerissen zwischen zwei Welten. "Ich möchte meine Eltern bei mir haben", sagt er, "aber ich möchte auch ein guter Fußballspieler werden. Deshalb muss ich noch zwei oder drei Jahre hier bleiben und trainieren." Danach will er zurück nach Korea, am liebsten aber in die deutsche Bundesliga: "Zum FC Bayern oder zum HSV."

Jeden Tag geht Chung Eun Suk in die Schule, am Anfang lernen junge Koreaner wie er dort Deutsch anhand der Fußballsprache. Inzwischen versteht der Teenager fast alles und weiß sich auszudrücken. Lim Chungman, vor sechs Monaten angereist, staunt. "Deutsch ist eine extrem schwierige Sprache", lässt er DKSV-Chef Chae Gue Chun übersetzen. "Aber auf dem Fußballplatz verständigen wir uns recht gut mit den Händen." Eichedes Trainer Hans-Friedrich Brunner genügt das noch nicht, "das mit der Sprache ist ein echtes Problem", sagt er. Die Verständigung wird für die überaus veranlagten Asiaten zu einer Hürde auf dem Weg in die Stammformation des Tabellenvierten.

Dass sie wertvoll werden könnten für das Team, gilt in Eichede aber als unumstritten. Die Steinburger, das erwarten sie von der Kooperation, wollen nicht nur kulturell, sondern auch sportlich profitieren. Brunner sei sicher "kein Trainer, der jemanden nur des internationalen Austauschs wegen aufstellt", sagt Vereinspräsident Olaf Gehrken und will damit vor allem deutlich machen, welch fußballerische Klasse die Koreaner mitbringen. "Sport und Integration zu verbinden, Brücken zu schlagen, Kontakte zu knüpfen, das ist für uns und unsere Spieler eine tolle Sache."

Der Klubchef kennt von mehreren Reisen die Lebensart der Asiaten. Er weiß, wie es ist, einziger Fremder zu sein in einer anderen Kultur. So kann er sich in etwa hineinfühlen in seine Gäste und verstehen, warum Kim Bumjoon sich freut, nach monatelangem Training als erster und zunächst einziger Koreaner beim SVE mit Lim Chungman endlich einen Landsmann im Ligateam zu haben. "Als ich allein war, habe ich großen Druck gespürt", übersetzt Chae Gue Chun für Kim Bumjoon, "jetzt fühle ich mich ein bisschen erleichtert." Als beide kürzlich in einem Testspiel gegen den SC Condor gemeinsam auf dem Feld standen, klappte das schon ganz gut. Lim Chungman gelang beim 4:1 sogar sein erstes Tor.

In Hamburg-Wandsbek, wo sie wohnen, sprechen die Koreaner häufig von zu Hause und auch darüber, dass es dort eine monatelange Winterpause wie im Moment in Norddeutschland nicht gibt. Manchmal sehnen sie sich nach der Heimat, nach dem asiatischen Essen, das auch beim DKSV nicht immer auf den Tisch kommt. Pizza, Pommes, Döner, sagen sie, seien ja in Ordnung, aber die deutsche Küche? Die, sagt Chung Eun Suk, habe er in zwei Jahren noch nie ausprobiert. Größer ist das Vertrauen in den deutschen Fußball: Die Lieblingsspieler der fünf Koreaner heißen Ballack, Schweinsteiger, Podolski und zweimal Lahm.