Viele Spiele können nicht besetzt werden. Um empfindliche Strafen zu vermeiden, gehen einige Klubs dazu über, Unparteiische abzuwerben.

Ahrensburg. In der Fußball-Kreisliga Stormarn spielen sich zuweilen merkwürdige Dinge ab. Vor kurzem erst, berichten Augenzeugen, habe ein Abwehrspieler aus Versehen im eigenen Strafraum den Ball reflexartig gefangen und sei selbst am meisten überrascht gewesen, als der Elfmeterpfiff ausblieb. In einer anderen Partie des gleichen Spieltags sah ein Akteur die Gelb-Rote Karte für ein Foul, das gar nicht er begangen hatte, sondern ein Teamkamerad. Beispiele für Fehler, die wohl kaum passiert wären, hätte der Kreisfußballverband (KFV) statt nur eines Unparteiischen ein komplettes Gespann angesetzt, so wie die Vereine es immer lauter fordern. Doch immer weniger Menschen wollen Schiedsrichter werden.

Der Mangel an Referees ist längst nicht mehr nur im Fußball mit seinen Geschichten von Pöbeleien und immer wieder auch von tätlichen Angriffen auf die Spielleiter ein Dauerthema. In der Handball-Oberliga zum Beispiel löste vergangene Saison die Ansetzung von Oliver Reinstorf, damals zugleich Trainer des THB Hamburg 03, für eine Partie des Liga- und Lokalrivalen Ahrensburger TSV heftige Diskussionen aus. Die Verantwortlichen wie Thomas Schliemann, der Schiedsrichterwart der Handballgemeinschaft Lauenburg/Stormarn, haben häufig keine Wahl. "Wir stehen teilweise vor ernsthaften Problemen, die Schiedsrichter für ein Wochenende zusammenzubekommen", sagt Schliemann.

116 Unparteiische bräuchte er in dieser Saison, 82 nur stehen auf seiner Liste, viele von ihnen kann er kaum einsetzen, weil sie zugleich als Trainer oder Spieler aktiv sind. "Viele Vereine versuchen inzwischen, ihre Spieler zu einer Ausbildung zu zwingen", sagt Schliemann. Freiwillig melde sich kaum noch jemand.

Den Klubs drohen Strafen, wenn sie nicht genügend Schiedsrichter - meist einen pro Mannschaft - an den Verband melden, 5500 Euro hat zum Beispiel der KFV in diesem Jahr auf diese Weise eingenommen. Der FC Ahrensburg, der in der vierten Saison in Folge weniger Unparteiische als vorgegeben stellt, musste sogar die Streichung seiner zweiten Herrenmannschaft hinnehmen. KFV-Chef Jörg Lembke würde in solchen Fällen am liebsten sogar das jeweils höchstklassige Team ausschließen, um den Druck zu erhöhen.

Mehr als ein Drittel der 42 Stormarner Fußballvereine haben weniger Schiedsrichter als sie müssten, und aus Angst vor Strafen animieren manche Klubs die Referees mit Handgeldern oder Geschenken zu einem Wechsel. Auch im Handball ist das längst üblich. "Uns ist bekannt, dass es Abwerbungen gibt und dabei auch mal der eine oder andere Euro fließt", sagt Schliemann. Vom Verband bekommen die Schiedsrichter 15 Euro Aufwandsentschädigung pro Spiel auf Kreisebene, in der Oberliga der Männer 30 Euro, zuzüglich Fahrgeld. Im Fußball sind die Tarife gerade angehoben worden, von 12,50 auf 15 Euro auf Kreisebene, von 22,50 auf 30 Euro in der Schleswig-Holstein-Liga.

Doch nicht mangelnde finanzielle Anreize seien das Problem, meint Lembke, sondern fehlender Respekt. "Je mehr Übergriffe auf Schiedsrichter es gibt, je mehr sinkt die Bereitschaft, den Job zu machen", sagt er. Ein Rezept gegen den Schwund in der Altersklasse der 20- bis 40-Jährigen, die in Familie und Beruf stark eingebunden sind, hat er nicht. Die Folge: Das Durchschnittsalter der Schiedsrichter steigt, ihre Qualität sinkt.

Im Vergleich zu anderen Sportarten sieht es im Fußball fast noch rosig aus. Die Hockeyverbände setzen unterhalb der Ersten Verbandsliga gar nicht erst Schiedsrichter an, benennen auch in höheren Klassen häufig keine Gespanne namentlich, sondern lasten die Verantwortung direkt den Vereinen auf. Häufig warten die Mannschaften dann vergeblich auf den Spielleiter, und nicht wenige sagen, das sei ihnen ohnehin am liebsten. Stelle jede der beiden Mannschaften einen Referee, gebe es meist weniger Streit als mit den vom Verband entsandten Unparteiischen.

Im Badminton sind Schiedsrichter so rar, dass kürzlich die Zweitbundesligapremiere des TSV Trittau beinahe verspätet begonnen hätte. Der Unparteiische Helmut Krüger musste zunächst noch ein Ranglistenturnier in Schwarzenbek leiten. Als Schiedsrichterwart des Landesverbands muss Krüger in dieser Saison für insgesamt 16 Heimspiele von zwei Klubs in der Zweiten Bundesliga jeweils zwei Referees benennen. Schon das, erklärt er in einem internen Rundschreiben, habe ihm "großes Kopfzerbrechen" bereitet. Inzwischen räumt der Verband dem Einsatz als Schiedsrichter Priorität vor dem als Spieler ein. Wer beides macht, hat das Recht, Punktspiele seines Vereins im Fall von Terminüberschneidungen zu verlegen.

Der Schiedsrichtermangel ist so groß, dass manch Fachverband gar nicht mehr weiß, wohin mit den kassierten Strafgeldern. In einem Fall, so ist zu hören, kommen die Vereine inzwischen ungeschoren davon. Die Strafen wurden ausgesetzt, weil der Verband fürchtet, die hohen Einnahmen könnten zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen.

Im Stormarner Fußball, meint Lembke, sollten Vereine wie der SV Siek, die FSG Südstormarn und der TSV Bargteheide als Beispiel dienen, die deutlich mehr Schiedsrichter abstellen als gefordert. Um auch in der Kreisliga Gespanne anzusetzen, benötige der Verband statt der aktuell 121 mindestens 150 Schiedsrichter. Die Lösung, meint Lembke, sei eigentlich ganz einfach: "Es würde ja reichen, wenn jeder Verein nur einen zusätzlichen Schiri stellen würde."