Reinbek. Zwei Reinbeker Gastwirte wollen die Tradition neu beleben und Gäste mit den typischen metallenen Schränken zum Sparen motivieren.

Einige Kneipengäste investieren ihr Geld nicht nur in Getränke, sondern auch in die Gemeinschaft, in die Sparclubs. Zwei Vereine befassen sich jetzt mit einer Neugründung. Denn sowohl in der Kleinen Kneipe (Schulstraße 31) gab es zum 1. April einen Betreiberwechsel, im Lütt-Hus (Schmiedesberg ) steht er zum 1. September an. In der Kleinen Kneipe soll der Sparverein, der seit einigen Monaten ruht, wiederbelebt werden. Und auch im Lütt-Hus gibt es diese Idee.

Die bisher 25 Interessentinnen und Interessenten des Sparclubs der Kleinen Kneipe treffen sich am Freitag, 19. August, um 19 Uhr an der Schulstraße 31. Alle Sparwilligen sind willkommen. 49 Fächer sollen belegt werden. Bei dem Treffen wird alles Weitere besprochen. Angedacht ist ein monatlicher Beitrag von mindestens 16 Euro, wobei vier Euro davon in gemeinschaftliche Aktionen investiert werden sollen, zwei Euro in eine Lotto-Gemeinschaft. Im Einzelnen sollen die Statuten am Freitag festgelegt werden.

Neugründung eines Sparclubs in Reinbek ist „gar nicht so leicht“

Der erste Sparclub der Kleinen Kneipe wurde vor etwa 20 Jahren vom damaligen Wirt Dieter Kupietz ins Leben gerufen und hat einige Betreiberwechsel überdauert. Der aktuell kommissarische Vorsitzende Marco Schober habe extra ein wenig Geld auf dem Konto gelassen, um den Verein wiederbeleben zu können, weiß Stammgast Werner Trettin.

„Es ist nämlich gar nicht so einfach, einen Sparclub neu zu gründen“, sagt der 67 Jahre alte Reinbeker. „Manche Sparvereine durften keine neuen Konten mehr eröffnen.“ Auch die alten, typischen Sparschränke mit den nummerierten Fächern mit Schlitz auf der Vorderseite werden von den Geldinstituten nicht mehr bereitgestellt. Wirt Sven Meyer ist im Internet fündig geworden.

Sparen für die Weihnachtsgeschenke und Gemeinschaft

Auch Rentner Werner Trettin will im neuen Club wieder mitmischen: „Der Sparclub hilft mir immer, mein Weihnachtsgeld zusammenzubekommen“, verrät er. „Sonst gebe ich meine Rente vorher nur für andere Dinge aus.“ Deshalb sei er bereits Mitglied im Sparclub der Freiwilligen Feuerwehr Reinbek. Gast Otto Hille hingegen fühlt sich dem Lütt-Hus verpflichtet. „Man muss sich entscheiden“, sagt der Reinbeker. „Und da ich Stammgast im Lütt-Hus bin, werde ich mich dem dortigen Sparclub anschließen.“

Sowohl Trettin als auch Hille sind nicht allein wegen der Finanzen dabei, sondern vor allem wegen der Gemeinschaft. „Mit dem gemeinsam angesparten Geld werden Feste und Ausflüge finanziert“, erklärt Tresenkraft Christian Johannsen. „Wir hatten schon sehr schöne Weihnachtsfeiern hier“, erzählt Werner Trettin. „Dieses Jahr wird das wohl noch nicht klappen.“ Ein bisschen mehr als vier Monate Zeit sollte man bis zum Kassensturz verstreichen lassen. Auch die vom Verein organisierten Boßeltouren seien legendär gewesen.

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Sparvereine alte Tradition in Deutschland

Die Sparvereine und Sparclubs sind seit Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur Teil der deutschen Vereinskultur, sondern auch der deutschen Kneipenkultur. Außerdem spielten sie auch eine Rolle als Vorläuferorganisation bei der Gründung meist genossenschaftlicher Bankinstitutionen wie Bau-, Produktions- und Handelsgenossenschaften. Erste Gemeinschaften von Kleinsparern sind für Deutschland schon seit 1847 dokumentiert.

Die Idee des Gemeinschaftssparens verbreitete sich in Norddeutschland, wo sie zuerst als Weihnachtssparen aufkam. Erste Sparclubs in Hamburg gründeten ab 1878 Seeleute und Hafenarbeiter. Die Idee dahinter war, dass die Heuer nicht gleich in Alkohol umgesetzt wurde, sondern ein Notgroschen für die gegenseitige Unterstützung blieb.

Kassensturz am Ende des Jahres

Ein unbescholtener Charakter, eine Ersteinlage und monatliche Zahlungen waren damals für die Mitglieder Pflicht. Durch den Kassensturz zu Weihnachten und vorgegebene Lokalrunden hatten einerseits auch die Wirte etwas vom Gesparten, andererseits wurde der Alkoholkonsum in überschaubare Bahnen gelenkt.

In Berlin gab es seit 1845 Sparvereine, die wie eine Einkaufsgenossenschaft funktionierten. In der Folge entwickelten sich Sparvereine und Konsumgenossenschaften auseinander. Viele Genossenschaften wurden schon um 1879 in der Region Sachsen, neben Leipzig und Chemnitz auch besonders in den Industriedörfern des Erzgebirges gegründet.

Sparschränke wurden kostenlos für die Clubs bereitgestellt

Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts kamen die typischen Sparschränke auf, die eine Einzahlung von Spareinlagen auch ohne Kassierer ermöglichten. In die Modelle aus Stahl, oder seltener aus Holz, ließen sich Bargeld durch die Schlitze in die nummerierten Fächer stecken. Die Schränke wurden in vielen Gaststätten, aber auch in Schulen und Läden aufgehängt, wo etwa das herausgegebene Wechselgeld gespart wurde.

Die Schränke wurden von Banken und Sparkassen im Rahmen der Unterstützung des Gemeinschaftssparens, versehen mit einem Aufdruck des jeweiligen Instituts, kostenlos bereit gestellt. Der Schrank fungierte als Blickfang für den zukünftigen Sparer und war gleichzeitig kostenlose Werbung für das Sparen.

Geldinstitute stellten die Schränke zur Verfügung

Nach der Währungsreform in den westlichen Besatzungszonen wurden dort viele Sparclubs neu- oder wiedergegründet. Die Banken und Sparkassen unterstützten diese Sparform häufig, weil sie den Weg dafür bereitete, dass Clubmitglieder bald zum Einzelkunden der jeweiligen Bank wurden. Die Geldinstitute boten Wirten und Geschäftsinhabern die Aufstellung eines Sparschrankes in deren Räumen an und wirkten bei der Gründung örtlicher Verein mit. Dafür gaben sie beispielsweise Mustersatzungen heraus und stellten neben dem Sparschrank auch kostenlos Formulare, Bücher und Geldtüten.

Bei Auszahlungen war oft ein Vertreter des Instituts dabei. Förderten 1950 noch 143 Sparkassen das Vereinssparen, wobei der Umsatz bei 14,08 Millionen Deutsche Mark lag, sollen es allein in Hamburg um 1965 2800 der Clubs mit 185.000 Einzahlern gegeben haben.

In den 1980er- und 1990er-Jahren zogen sich die Geldinstitute langsam aus der Unterstützung der Sparvereine zurück. Der größte Hersteller von Sparschränken in Deutschland hat seit 1922 über 800.000 der Kästen hergestellt, von denen 2016 noch mindestens 250.000 im Einsatz waren.