Lothar Obst versorgte hungrige DDR-Bürger in Mölln

. Als die Mauer zu bröckeln begann, war Lothar Obst auf dem Weg zum Wickelkursus. Die Vorfreude auf Sohn Matthias trübte zumindest am Tag des Mauerfalls den Blick für die Geschichte. "Bevor wir losgingen, habe ich noch Nachrichten geschaut. Die Pressekonferenz von Günter Schabowski habe ich zwar mitbekommen, aber gar nicht richtig verstanden, was der da eigentlich sagt", erinnert sich der Geschäftsführer des Krankenhauses St. Adolf-Stift. Dass die Mauer fallen, es zu einer Wiedervereinigung kommen würde? "Das war zu dem Zeitpunkt einfach undenkbar", so Obst. Wenig später ging alles Schlag auf Schlag. Die ganze Nacht schaute Obst Fernsehen und erinnert sich noch ganz genau an den Satz eines Trabifahrers, der interviewt wurde: "Wer in dieser Nacht schläft, der ist schon tot."

Sehr lebendig ging es indes für Lothar Obst und seine Frau weiter. Denn zwei Tage später, am Sonnabend, ereilte den damaligen Verwaltungschef des Krankenhauses Mölln ein Hilferuf aus dem Rathaus. Vor dem standen Hunderte Menschen aus der DDR, die sich ihr Begrüßungsgeld abholen wollten. "Die Stadt ist regelrecht überrollt worden. Wir dachten, uns trifft der Schlag, als wir die Menschentrauben sahen", erinnert sich Obst. In seine Erinnerung mischt sich der Gestank von Zweitakt-Gemisch - in der Innenstadt reihte sich ein Trabi an den anderen.

"Es war eine euphorische Stimmung, eine wunderbare, aber auch verrückte Zeit", sagt Obst im Rückblick. Der Sparkasse sei das Geld ausgegangen, Geschäftsleute wurden angehalten, ihre Einnahmen sofort wieder einzuzahlen. Doch Lothar Obst hatte einen ganz anderen Gedanken: Die wartenden Menschen, die in der Herbstkälte vor dem Rathaus ausharrten, mussten doch etwas essen und trinken. Das Krankenhaus, für das er verantwortlich war, lag vis-à-vis nur hundert Meter entfernt. In Windeseile organisierte der damals junge Mann dort Küchenkräfte, die Gemüse für wärmende Eintöpfe schnippelten und belegte Brote schmierten. Über Wochen versorgte ein engagiertes Team die Gäste aus der DDR mit Mahlzeiten, abwechselnd mit Ehrenamtlichen aus der Kirchengemeinde. Möllner Bürger konnten sogar Patenschaften für Kartons mit Bananen übernehmen. "Vitamine für die Kinder. Das war uns wichtig", so Obst. Auch eine persönliche Begegnung wird ihn immer an die Tage rund um den Mauerfall erinnern. Mit einem Ehepaar aus dem Osten, das Obst und seine Frau in jenen Tagen kennenlernte, verbindet sie noch heute eine tiefe Freundschaft. Auch das Paar erwartete damals ein Baby...