Prozess: Iraner tötete Landsmann in Obdachlosenunterkunft - Gericht erkannte keine Notwehr

Ali A. zeigte keine Regung, als ihm gestern eine Dolmetscherin das Urteil des Lübecker Landgerichts ins Persische übersetzte: Acht Jahre Freiheitsstrafe soll der 45-jährige Iraner absitzen, weil er im Streit um Drogen einen Landsmann getötet hat. Im Mai vergangenen Jahres hatte er Maschit H. in der Obdachlosenunterkunft am Mühlenweg mit 15 Messerstichen so schwer verletzt, dass der 53-Jährige verblutete. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von neun Jahren gefordert. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch aufgrund von Notwehr und kündigte Revision an.

Tagelanger Streit um Drogen und Geld eskalierte

Notwehr sehe die Kammer bei der Tat nicht, so Richter Christian Singelmann. Vielmehr habe der Täter das Opfer angegriffen. Vorausgegangen war ein Streit um Drogen, der mehrere Tage andauerte. Der Iraner war zu Besuch bei Ali A., die beiden Männer waren befreundet, beide konsumierten Drogen und handelten zeitweise damit.

Dann kam es zu dem Streit, der schließlich in der Bluttat mündete: Maschit H. beschuldigte Ali A., Drogen und Geld gestohlen zu haben, während er selbst im Krankenhaus war. Er forderte beides zurück und verlieh seiner Forderung mit Schlägen, Drohungen und einem Elektroschocker Nachdruck. Am Morgen des 26. Mai eskalierte die Auseinandersetzung. Ali A. ergriff daraufhin ein auf dem Tisch liegendes Messer und stieß seinem einstigen Freund die neun Zentimeter lange Klinge in die Brust. Laut Gerichtsmedizin stach er 15 Mal zu, auch in den Rücken. Der schwer verletzte Maschit H. bat noch um einen Notarzt, Ali A. verweigerte ihm dies. Der Verletzte schleppte sich zum Bett, wo er verblutete.

Gegen eine Notwehrsituation sprechen laut Landgericht unter anderem die Stiche in den Rücken und das Verhalten des 45-Jährigen nach der Tat: Ali A. habe für den Verletzten keinen Notarzt gerufen, so verhalte sich niemand, der in Notwehr handelt, meint Singelmann. Ali A. hatte versucht, seine Tat zu vertuschen und fingierte Telefongespräche mit dem Handy des Opfers, um den Anschein zu erwecken, es lebe noch. Er warf das Messer in einen Teich und machte sich mit Hilfe von Bohrmaschine, Hammer und Meißel daran, die Leiche im Fußboden seines Zimmers einzubetonieren. Zudem setzte er Zeugen in der Obdachlosenunterkunft unter Druck. Diese alarmierten schließlich die Polizei.

Dass die Strafe etwas geringer ausfiel, als von der Staatsanwaltschaft gefordert, ist einem medizinischen Gutachten geschuldet, wonach bei dem Täter Hinweise auf toxische Hirnschädigungen vorliegen, was eine erhöhte affektive Reizbarkeit nicht ausschließe. Eine schwere Persönlichkeitsstörung liege laut Gutachten aber nicht vor, der Täter sei nach der Tat sehr rational vorgegangen.

Vor Gericht hatte der 45-Jährige in einer früheren Verhandlung berichtet, was ihn in die Drogenabhängigkeit trieb: In Teheran geboren, habe er ohne Abschluss die Schule verlassen, arbeitete unter anderem in einer Autolackiererei. Später wurde er arbeitslos, ging mehrere Jahre nach Japan, später in die Ukraine, wo er Maschit H. und dessen Familie kennenlernte. Maschits Kinder nannten ihn "Onkel".

Immer wieder musste Ali A. wegen Drogenbesitzes ins Gefängnis. Nach einem Selbstmordversuch 2007 habe er einen Entzug gemacht und sei fünf Jahre lang clean gewesen, habe lediglich noch mit Drogen gehandelt. Über die Türkei kam er schließlich vergangenes Jahr nach Deutschland und stellte einen Asylantrag.