Betreuung: Dank helfender Hände aus Bulgarien kann Seniorin (89) in eigenen vier Wänden bleiben

Die Teestunde im Wohnzimmer gehört zum täglichen Ritual. Gina Lalova (50) gießt noch eine Tasse nach. Beim Plausch mit der 89-jährigen Inge Meyer (Name geändert) genießt sie den Ausblick aus dem Panoramafenster auf den großen Garten und die baumhohen Rhododendren. Der Bungalow der Reinbeker Seniorin liegt direkt am Krähenwald. Inge Meyer lebt alleine hier. Die ehemalige Lehrerin möchte ihre Selbstständigkeit nicht aufgeben. "Ein Seniorenheim kommt für mich nicht infrage. Es sei denn, mein Bridge-Club zieht mit ein", sagt sie mit einem Augenzwinkern. Nur alte Menschen, Gespräche über Krankheiten und feste Essenszeiten, das sei nichts für sie.

Die 89-Jährige möchte in den eigenen vier Wänden bleiben

Seit einer Hüftoperation wird das Leben in den eigenen vier Wänden auf 120 Quadratmetern allerdings immer beschwerlicher. "Ich habe natürlich selbst sauber gemacht. Bei einer Bewegung sprang dann die Hüfte raus", erzählt sie. Ein anderes Mal musste der Rettungshubschrauber nach einer Herzschwäche der Seniorin die beschauliche Siedlung anfliegen.

"Mein Sohn hat daraufhin beschlossen, dass die Betreuung durch die Sozialstation nicht mehr ausreicht." Sechs Jahre kam morgens und abends eine Schwester vorbei, um beim An- und Ausziehen zu helfen. Der Krankenpfleger arbeitet in der Schweiz und kann seine Mutter nur selten besuchen. Er wollte sie dennoch rund um die Uhr betreut wissen und stieß im Internet auf die Reinbeker Agentur "Die Perspektive - Würdevoll alt werden".

Über die Vermittlung kam auch Gina Lalova nach Reinbek. Knapp 2300 Kilometer von ihrer Heimatstadt Plovdiv in Bulgarien entfernt, betreut sie die Seniorin, ist rund um die Uhr für sie da, hilft im Haushalt, unterstützt bei der Pflege. Die Chemikerin hat sich im ehemaligen Kinderzimmer eingerichtet. Sie beklagt sich nicht, dass sie so weit weg von der Familie arbeiten muss. In Bulgarien habe sie keine Chance auf eine Arbeit, von der sie und ihr Sohn leben könnten. Bulgarien und Rumänien sind die ärmsten Länder in der EU. 300 bis 500 Euro würde die Chemikerin in ihrer Heimat verdienen. "Auf der Suche nach Arbeit hatte ich in Griechenland als Zimmermädchen und Altenpflegerin gearbeitet."

Für ihren Pflegedienst in Reinbek bekommt sie 850 Euro im Monat plus Versicherungen, Rentenbeiträge und Reisekostenerstattung. 1750 Euro zahlt die Reinbeker Seniorin ohne Pflegestufe. Die Vermittlung der in ihrem Heimatland fest angestellten Pflegerin übernimmt die Agentur (siehe Kasten).

Für die 50-Jährige stand allerdings fest, dass sie nicht länger als drei Monate im Jahr von ihrem Sohn (26) getrennt sein möchte. Er studiert in Bulgarien. "Wir halten jeden Tag Kontakt übers Internet", sagt Gina Lalova in perfektem Deutsch, das sie bei ihren Pflegeeinsätzen in deutschen Familien gelernt hat. "Ich bin zufrieden", sagt sie. "Frau Meyer ist sehr freundlich." Die beiden besuchen Modenschauen, gehen zusammen spazieren, sehen fern. "Und sie kocht so gut", sagt Inge Meyer.

Abgelöst wird die 50-Jährige Bulgarin von einer Landsmännin. Margarita Ilieva hat Soziologie studiert und ebenfalls keine Arbeit in ihrer Heimat gefunden. "Wir fahren gemeinsam zum Hamburger Busbahnhof und holen sie ab", sagt Inge Meyer. Sie kommt direkt aus Sofia. Dann macht sich Gina Lalova auf die 30-stündige Rückreise in ihre Heimat.