Max Bahr: 350 Mitarbeiter aus ganz Deutschland demonstrieren vor dem Amtsgericht Reinbek

. Sie haben ordentlich Wut im Bauch. Fühlen sich allein gelassen, von allen guten Geistern verlassen und irgendwie auch über den Tisch gezogen. Die Stimmung ist nicht gut bei den Mitarbeitern der Baumarkt-Kette Max Bahr. "Andererseits sind wir in der Krise zusammengerückt. Uns trennt derzeit keiner", sagt Astrid Hähne. Die 63-Jährige arbeitet seit 17 Jahren als Kassiererin bei Max Bahr in Bergedorf und kann sich ein Leben ohne ihre Arbeit und ihre Kollegen nur schwer vorstellen. Ihnen geht es ebenso. Die meisten sind genauso lang dabei wie Astrid Hähne. Inge Voigt ist 67 Jahre alt und ihrer Firma als Minijobberin sogar im Rentenalter treu. Das Motto des Teams: Einmal Max Bahr, immer Max Bahr.

Dass die Firma, die für die meisten wie eine zweite Familie ist, nun den Bach runtergehen könnte, mochte sich gestern vor dem Reinbeker Amtsgericht an der Parkallee keiner vorstellen. Mehr als 350 Mitarbeiter aus ganz Deutschland waren angereist, um in ihren gelben Max-Bahr-Jacken, mit Trillerpfeifen, Plakaten und Megaphonen gegen den Ausverkauf ihrer Arbeitsplätze zu protestieren. Aufgerüttelt haben sie damit jedoch niemanden - die Verhandlungen waren abgesagt worden. Der Marsch von Gläubigern, Anwälten und Insolvenzverwaltern durch ein Protest-Spalier fiel aus.

Weniger als 24 Stunden hatte Uli Kruse, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats, nur gebraucht, um seine Mannschaft aus Köln, Berlin, Osnabrück, selbst aus Nürnberg vor dem Reinbeker Amtsgericht zusammenzutrommeln. Solidarität in schweren Stunden über Ländergrenzen hinweg. "Wir hätten uns auch in den Zug gesetzt und wären durch ganz Deutschland gefahren, um die Kollegen zu unterstützen", bekräftigt André Edorh. Der 47-Jährige ist seit 17 Jahren Fachmann in der Baustoff-Abteilung.

"Wir wollen mit dieser Demonstration ein Zeichen setzen", erklärte Uli Kruse. Und auch zum Ausdruck bringen, dass die Mitarbeiter überhaupt nicht wüssten, warum die Rettungsbemühungen überhaupt gescheitert seien.

Eine Frage, die Kunden auch Mitarbeitern wie Josefine Zühlke stellen. Die 25-Jährige arbeitet an der Kasse und der Hauptinformation in Bergedorf und hat festgestellt: "Jedes zweite Kundengespräch dreht sich um die Frage, wie es mit Max Bahr weitergeht. Aber ich weiß es ja auch nicht." Besonders schwierig wird es für sie und ihre Kollegen, wenn sie Kundenwünsche nicht erfüllen können. "Derzeit werden beispielsweise keine Gutscheine und Guthaben mehr eingelöst. Das kostet uns das Vertrauen der Kunden und von dem haben wir jahrzehntelang gelebt", sagt Astrid Hähne.

Einfach nur bedrückend sei es, bestätigt Birgit Schildt. Seit August dreht sich bei der 47-Jährigen und ihren Kollegen alles nur um die Frage, ob es eine Zukunft gibt oder sie alle bald arbeitslos sein werden. Alle stünden morgens mit der Sorge auf und gingen abends damit ins Bett. "Selbst mein Hausarzt fragt als erstes nicht nach meinem Blutdruck, sondern danach, wie es seinem Lieblingsbaumarkt geht", sagt Astrid Hähne.

Und der Blutdruck dürfte in diesen Tagen höher sein als sonst. Denn verstehen können es die Betroffenen nicht, warum keine Hilfe naht. "Ganz Europa wird mit unseren Steuern gerettet, aber für uns hat niemand auch nur einen Cent übrig", ereifert sich Inge Voigt. Sie und ihre Kollegen hatten immer einen großen Wunsch: "Wir wollten später alle zusammen in Rente gehen." Ob der in Erfüllung geht, ist derzeit mehr als ungewiss.