Benimm-Kursus: Firmen schicken 60 Azubis zur Knigge-Nachhilfe ins Schloss

Adrett und faltenfrei gekleidet in schwarzer Hose und Blazer mit pinkfarbenem Hemd und passendem Halstuch steht sie da und wählt ihre Worte sorgsam. "Wer bietet das Du zuerst an? Weshalb stehe ich zur Begrüßung auf? Warum haben diese Regeln mit Selbstachtung zu tun?" Diese und weitere Fragen beantwortet Business-Trainerin Susanne Pflaumbaum bei einem "Knigge-Seminar" in einem der altehrwürdigen Räume des Reinbeker Schlosses.

Vor ihr sitzen 60 junge Menschen, allesamt Auszubildende. Sie sollen heute lernen, wie man sich im Berufsleben angemessen verhält, anstatt unangenehm aufzufallen. Denn so wie in der Schule - etwa in der ersten Reihe nase-popelnd - sollten sich die Berufseinsteiger jetzt nicht mehr präsentieren. "Jedenfalls nicht, wenn sie erfolgreich werden möchten", sagt Pflaumbaum. Doch wer nun sofort an das Lernen von Tischsitten denkt, liegt falsch. Laut Pflaumbaum beginnen Manieren schon beim perfekten Händedruck. "Den ersten Eindruck machen ein gepflegtes Äußeres und ein selbstsicheres Auftreten."

Mit viel Feingefühl, Empathie und Humor schafft die Hamburgerin es, ihr Publikum einzufangen. Interaktiv veranschaulicht Pflaumbaum Regeln der Etikette, die im vergangenen Jahrhundert noch unerlässlich für den gesellschaftlichen Umgang waren und heute zunehmend in Vergessenheit geraten. Genau dieses gute Benehmen soll sich nun in den Köpfen der Auszubildenden manifestieren. Doch Pflaumbaum geht noch darüber hinaus: Sie will den Azubis nicht nur Manieren beibringen. Sie erklärt ihnen, dass Fachwissen und Kompetenz im Beruf allein nicht ausreichen. Sondern, dass die Wahl der richtigen Kleidung, Kommunikation und Etikette den Erfolg anschieben - manche Teilnehmer hat die Wirksamkeit der Tipps schier überrascht.

Ein geeignetes Beispiel dafür ist die "7-38-55"-Regel: "Beim ersten Eindruck wird unsere Wirkung nur zu sieben Prozent durch das gesprochene Wort und den Inhalt bestimmt. Stimme und Tonlage spielen zu 38 Prozent eine Rolle und mit 55 Prozent überwiegt allein die Körpersprache", sagt Pflaumbaum. Verwundert beginnen die Kursteilnehmer zu tuscheln.

"Das zeigt, warum einem manche Politiker sympathisch sind - obwohl ihre Meinung einem eigentlich gar nicht passt", sagt die Auszubildende Catrin Böhm (21). Ihre Kollegin Anne-Katrin Voss (21) ergänzt: "Das Warum hinter den Knigge-Regeln ist so spannend. Ich hatte nicht gedacht, heute noch so viel lernen zu können."

Freiwillig sind Berufseinsteiger im Alter von 16 bis 27 Jahren nämlich nicht hier. Veranstalter des Seminars ist der Verband Südholsteinische Wirtschaft (VSW) mit 330 Mitgliedsfirmen aller Branchen - und ein Großteil hat seine Auszubildenden sofort in den Kursus geschickt. "Wir bieten viele Seminare, auch für Chefs und Abteilungsleiter, an. Dieser findet aber zum ersten Mal statt", erklärt Rechtsanwältin Stefanie Röder vom VSW. Vor Anmeldungen für den Knigge-Kurs habe sie sich kaum retten können.

Ob dies für einen Mangel an gutem Benehmen unter den Azubis steht, das will Röder nicht kommentieren. Die zahlreichen Wortmeldungen und Fragen allerdings, bei denen der gute Herr Knigge vermutlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen hätte, sprechen Bände.