Sterbehilfe: Zwei Rentnerinnen zu Freitod verholfen - Beratung sei völlig unzureichend gewesen

Der Vorsitzende des Vereins "Sterbehilfe Deutschland" (StHD), der ehemalige Hamburger Justizsenator Dr. Roger Kusch, ist wegen gemeinschaftlichem Totschlags an zwei Rentnerinnen angeklagt. Gemeinsam mit dem mitangeklagten Neurologen und Psychiater Dr. Johann Friedrich S., der für den Verein regelmäßig medizinische Gutachten erstellt, soll Kusch den 81 und 85 Jahre alten Hamburgerinnen den Zugang zu todbringenden Medikamenten ermöglicht und die beiden Rentnerinnen bei ihrem Freitod am 10. November 2012 begleitet haben.

Eine halbe Stunde nach dem Eintritt des Todes alarmierte Dr. S. selbst den Rettungsdienst, um die strafrechtlichen Ermittlungen in Gang zu setzen. "Wir gehen davon aus, dass die Angeklagten einen Präzedenzfall schaffen wollten", heißt es aus der Hamburger Staatsanwaltschaft, die deshalb keinen Haftbefehl beantragte: "Flucht- oder Verdunkelungsgefahr dürfte als Haftgrund in diesem speziellen Fall nicht gegeben sein." Da sowohl Kusch als auch S. wegen "gemeinschaftlichen Totschlags in mittelbarer Täterschaft" angeklagt sind, droht ihnen bei einer Verurteilung jeweils eine Haftstrafe zwischen fünf und 15 Jahren.

Der Oststeinbeker Verein bietet als einziger in Deutschland Suizidbegleitungen an. Nach eigenen Angaben ermöglichte er bislang mehr als 100 Lebensmüden einen "schmerzfreien selbstbestimmten Freitod". Die Hamburger Staatanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass die Angeklagten im vorliegenden Fall nicht Hilfe zum Sterben leisteten, sondern selbst die "Tatherrschaft" über die Selbsttötung hatten und die Rentnerinnen durchaus Zweifel hatten.

In seinem Gutachten, für das die Rentnerinnen 2000 Euro zahlen mussten, bezeichnet Dr. S. deren Entscheidung als "wohlerwogen", obwohl diese als Grund für ihren beabsichtigten Suizid lediglich ihre Angst vor dem Altern angaben. Anders als in der Vereinssatzung des StHD als Voraussetzungen für eine Sterbehilfe angegeben, hatten die Frauen laut Anklage keine Krankheiten mit hoffnungsloser Prognose, keine unerträglichen Beschwerden und auch keine unzumutbare Behinderung. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft habe der Arzt und Gutachter den Lebensmüden weder Alternativen noch Beratungsmöglichkeiten aufgezeigt. Zudem habe er ihnen regelwidrig geraten, Verwandten oder Freunden lieber nichts von dem geplanten Suizid zu erzählen.

Dr. Kusch, der wegen seines vehementen Einsatzes für ein selbstbestimmtes Sterben in der Öffentlichkeit auch "Dr. Tod" genannt wird, habe den Rentnerinnen suggeriert, dass ihr Tötungswunsch den Zielen des Vereins entspräche und ihr Handeln ohne Alternative sei - behauptet die Staatsanwaltschaft. Selbst als die Rentnerinnen am geplanten Todestag schmerzlich betroffen weinten und mit ihrer Entscheidung haderten, soll Dr. S. an dem geplanten Tötungsprozedere ohne Alternative festgehalten haben - die Frauen nahmen daraufhin die todbringenden Medikamente und starben.

Die Beschuldigten wollen sich heute bei einer Pressekonferenz zu den Vorwürfen äußern.