Fahrtüchtig: Praxistests im Alter sind umstritten - aber mehr als die Hälfte unfallflüchtiger Fahrer sind älter als 70

Jüngst befuhr allerdings auch eine 50-Jährige die A 1 in der falschen Richtung. Also eine unglückliche Häufung? Bestimmt. Trotzdem wird der Ruf nach regelmäßigen Gesundheits- und Praxistests für Senioren schnell laut.

Dazu beschreibt eine Studie, die die Uni Aachen für die Bundesanstalt für Straßenwesen erarbeitet hat, dass etwa jeder dritte ermittelte Falschfahrer über 65 Jahre alt ist. Laut ADAC wird jährlich etwa 2800-mal vor "Geisterfahrern" gewarnt. Dennoch lehnte der Deutsche Verkehrsgerichtstag den Vorstoß der EU ab, auch deutsche Autofahrer in festen Abständen auf Fahrtüchtigkeit überprüfen zu lassen. Verfassungsrechtler sehen einen Konflikt zum Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit und die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Psychologen belegen in Studien, dass das Risiko Auto fahrender Senioren deutlich überhöht wahrgenommen werde. Chronologisches Alter sei kein Indikator für Fahruntüchtigkeit. Übrigens hätten die turnusmäßigen Untersuchungen in anderen europäischen Ländern nur einen marginalen Effekt.

In der Glinder Polizeizentralstation kümmert sich Helmut Tamm um Fehltritte Auto fahrender Senioren - zumeist unerlaubtes Entfernen von Unfallort. "Alter allein ist natürlich kein Grund, nicht mehr gut zu fahren. Es gibt 60-Jährige, die besser nicht fahren sollten und 80-Jährige, die fit sind", sagt er. Aber es wäre schon besser, wenn jeder, genauso wie Berufskraftfahrer, seine Befähigung belegen müsste. Er hat sich nicht selten von betagten Senioren sagen lassen müssen: "Junger Mann, ich fahre seit 60 Jahren unfallfrei, da waren Sie noch nicht geboren." Das stimmt. Aber mehr als die Hälfte der bezeugten und bei ihm anhängigen Anzeigen wegen Unfallflucht gehen auf das Konto von Fahrern jenseits der 70. Sie winkten ab, wenn sie von Zeugen angesprochen würden. "Auf der Wache sagen sie, sie hätten nichts gehört, weil sie das Hörgerät vergessen hätten", berichtet Tamm.

Über solche Vorfälle schreibt er einen Bericht an die Führerscheinstelle im Kreis Stormarn. So kommt deren Leiter Dirk Willhoeft ins Spiel. "Der Autofahrer muss dann ein medizinisches Gutachten vorlegen. Denn das Sehvermögen, aber auch Krankheiten wie Epilepsie, zum Teil Diabetes, Transplantationen und Alkohol- und Tablettenabhängigkeiten, Demenz und vieles mehr können gegen eine Fahrerlaubnis sprechen", sagt er. Ist das Gutachten nicht überzeugend, kann ein Praxistest angeordnet werden. "Eine Fahrschule bereitet denjenigen auf eine kleine Fahrprüfung mit einem regulären TÜV-Fahrprüfer vor", sagt Willhoeft. Das werde von älteren Autofahrern oft als Anlass genommen, den Führerschein abzugeben. "Im Juni waren es bei uns in Bad Oldesloe fünf Fahrer", sagt er.

Sowohl Polizist Tamm als auch Willhoeft wollen in keinem Fall einer Diskriminierung der Älteren Vorschub leisten. Aber beide appellieren an jeden Autofahrer, das eigene Können selbstkritisch zu hinterfragen und sich im Zweifel auch einige Stunden in einer Fahrschule zu gönnen.